Der Bergsturz im Lötschental könnte gewaltig werden. Das Land kennt aus jüngerer Zeit aber noch grössere geologische Katastrophen. Die Rückschau kann helfen, die Situation im Wallis besser einzuordnen.

Das Dorf Blatten im Lötschental ist evakuiert: Bis zu 5 Millionen Kubikmeter Fels könnten dort vom Berghang abrutschen. Der Bergsturz, der im Wallis droht, ist kein Einzelfall; in der Geschichte der Schweiz sind immer wieder ähnlich grosse oder sogar grössere Gesteinsmassen in die Täler gestürzt – teilweise mit verheerenden Folgen. Ein Überblick über die spektakulärsten Ereignisse der vergangenen 220 Jahre:

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1806: Die Katastrophe von Goldau

Es war der grösste Bergsturz in der jüngeren Geschichte der Schweiz. Rund 36 Millionen Kubikmeter Gestein rutschten am 2. September 1806 ins Tal und begruben im Kanton Schwyz die Dörfer Goldau und Röthen.

Zu allem Überfluss stürzte ein Teil der Felsen in den Lauerzersee. Das löste eine 15 bis 20 Meter hohe Welle aus. Durch den Bergsturz und die Überflutung der Seeufer kamen mehr als 450 Menschen ums Leben.

Die Katastrophe hatte sich über lange Zeit angekündigt. Schon Jahre zuvor hatten sich auf dem Rossberg über Goldau Risse gebildet. Starke Regenfälle im Jahr 1806 haben den Bergsturz vermutlich begünstigt. Auf dem entstandenen Schuttkegel wurde das Dorf Goldau anschliessend neu aufgebaut.

1881: Der Schiefer bei Elm

Schon vor Jahrhunderten wurde bei Elm im Kanton Glarus Schiefergestein abgebaut und exportiert, was zum Wohlstand des Sernftals beitrug. 1878 nahmen die Bürger von Elm den Abbau in die eigenen Hände. In der Folge achteten sie jedoch zu wenig auf die Stabilität des Bergs.

Das erwies sich für das Dorf als fatal. Am 11. September 1881 geriet der Schiefer in Bewegung. Rund 10 Millionen Kubikmeter Gestein stürzten ins Tal und zerstörten in Elm zahlreiche Gebäude. Die Gemeinde musste 115 Tote beklagen.

Das Schieferbergwerk wurde so stark beschädigt, dass es zunächst nicht weiter betrieben werden konnte. Erst zehn Jahre nach dem Bergsturz wurde der Abbau wieder aufgenommen, aber diesmal nicht im Tagebau, sondern in Stollen.

1991: Der Bergsturz im Mattertal

Nahe dem Dorf Randa im Mattertal ereigneten sich im Frühling 1991 drei Bergstürze nacheinander – am 18. April, am 21. April und am 9. Mai. Der dritte war der grösste. Insgesamt donnerten dabei rund 30 Millionen Kubikmeter Gestein ins Tal.

Die Gesteinsmassen verschonten zwar das Dorf Randa selbst, doch sie begruben mehrere Bauernhöfe und Ferienhäuser. Ausserdem wurden Strassen- und Eisenbahnverbindungen unterbrochen, und das Gestein staute den Fluss Mattervispa auf.

2017: Die Mure von Bondo

Rund 3 Millionen Kubikmeter Gestein lösten sich am 23. August 2017 vom Piz Cengalo im Bergell in Graubünden. Acht Wanderer kamen ums Leben. Eine durch den Bergsturz ausgelöste Mure erreichte das Val Bondasca und zerstörte vier Gebäude des Dorfes Bondo. Da es eine rechtzeitige Warnung durch ein automatisches Überwachungssystem gegeben hatte, überlebten alle Einwohner die Katastrophe.

Als ein Rätsel galt zunächst, woher das Wasser gekommen war, das sich mit dem Gesteinsschutt zu der Mure verbunden hatte. Eine Untersuchung ergab, dass der Bergsturz einen Gletscher getroffen hatte. Teile des Gletschereises rutschten daraufhin mit dem Gestein in die Tiefe und schmolzen.

2023: Der Schuttstrom bei Brienz

Kaum ein Ort in den Schweizer Alpen wird schon so lange durch Bergstürze bedroht wie Brienz in Graubünden. Einerseits liegt er auf einer Terrasse, die langsam Richtung Tal rutscht. Andererseits erhebt sich über dem Ort ein Berghang, der selbst instabil ist. Im Jahr 1877 rutschten 13 Millionen Kubikmeter Gestein den Hang hinunter, doch das Dorf kam unbeschadet davon.

Im Jahr 2023 musste das Dorf plötzlich evakuiert werden, weil Fachleute erneut einen Bergsturz fürchteten. Nach einigen Wochen mit kleineren Felsschlägen setzte sich der Berg schliesslich mitten in der Nacht zum 16. Juni in Bewegung. Ein Schuttstrom aus 1,2 Millionen Kubikmetern Gestein bewegte sich Richtung Brienz, aber vor dem Ortsrand machte er halt.

Die grosse Katastrophe blieb zwar aus, bewohnbar ist das Dorf aber bis heute nicht; die Gefahr weiterer Rutschungen oder Felsstürze ist zu gross. Planungen für eine Umsiedlung der Einwohner in Nachbargemeinden sind schon fortgeschritten.

2025: Bergsturz im Lötschental – mit offenem Ausgang

Was bei Blatten im Wallis geschieht, ähnelt in einzelnen Aspekten den historischen Bergstürzen. Am ehesten vergleichbar ist das Ereignis mit der Mure von Bondo. Wie schon 2017 im Bergell reisst Gestein Eis von einem Gletscher mit in die Tiefe, und auch die Ausmasse sind ähnliche. Ob Blatten glimpflich davonkommt, hängt nun stark davon ab, wie gross die Gesteinsmengen sind, die in den kommenden Tagen in die Tiefe gerissen werden, und wie weit sie ins Tal vordringen.

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