Elon Musks Wandlung zum obersten Trumpisten irritiert. Doch die Nähe von Big Business und Big Government hat Tradition in der amerikanischen Geschichte – nicht immer zum Guten der Grossindustriellen.
Es ist die Lovestory dieser Tage, die Bromance zwischen dem reichsten Mann der Welt und dem bald wieder mächtigsten, zwischen Elon Musk und Donald Trump. Die «New York Times» berichtete kürzlich über deren Beisammensein in Mar-a-Lago, Trumps Anwesen in Florida: «Er ist auf der Terrasse. Er ist auf dem Golfplatz. Überall, wo Donald Trump hinschaut, sieht er den reichsten Mann der Welt.»
Auf Familienfotos des alten, neuen Präsidenten posiert Elon Musk inzwischen so selbstverständlich, wie er bei Telefonanrufen mit Grössen der Weltpolitik zugeschaltet ist, etwa bei Selenski oder Erdogan. «A star is born: Elon!», sagte Trump noch in der Nacht seines Wahlsiegs. Und das will bei einem, der sich selbst als «very stable genius» sieht, einiges heissen.
Auf über 300 Milliarden Dollar wird Musks Vermögen geschätzt, mit Tesla ist er Marktführer bei der E-Mobilität, mit SpaceX in der Raumfahrt, mit Starlink in der Satellitenkommunikation. Und mit der Plattform X hält er ein mächtiges mediales Megafon in der Hand. Nun soll er in Washington nach dem Rechten sehen, in einem noch zu schaffenden «Departement of Government Efficiency».
Musk liess bereits verlauten, jährlich zwei Billionen einsparen zu wollen – rund einen Drittel des Regierungsbudgets. Dabei wäre schon der Rückgang des Ausgabenwachstums per se eine Sensation. Seit der Präsidentschaft von Calvin Coolidge in den 1920er Jahren ist das keinem mehr gelungen, nicht einmal Ronald Reagan.
Die Meldungen zum neuen «Duo infernale» und seinen «finsteren Plänen» (so der «Spiegel») überschlagen sich gerade. Doch bei allen bizarren Zügen, die diese Männerfreundschaft schon im Wahlkampf hatte: In den USA ist die Verbindung zwischen Big Business und Big Government schon lange Tatsache.
Die Tycoons und die Commanders-in-Chief befreunden und bekämpfen sich seit über 150 Jahren, wie etwa der Historiker Tevi Troy in seinem Buch «The Power and the Money» nachgezeichnet hat. Und diese Geschichte zeigt vor allem, wie vielgestaltig solche Allianzen sind. Und wie brüchig.
Rockefeller und Ford
Wer sie erzählt, beginnt am besten mit einem legendären Namen: John D. Rockefeller, der Unternehmer, der mit seiner Standard Oil Company Ende des 19. Jahrhunderts den Treibstoff der Moderne vertrieb und als Herrscher über den globalen Ölmarkt sagenhaft reich wurde. Es war eine Zeit, in der die Wirtschaft in den USA wenig reguliert war. Und so konnte Rockefeller Washington noch weitgehend ignorieren, als er sein Imperium aufbaute.
Doch die Laissez-faire-Epoche endete; die Bundesbehörden schauten nun genauer hin und versuchten, die Grosskonzerne mit Antitrust-Gesetzen zu bändigen. Rockefeller vertraute auf Präsident William McKinley, dessen Wahlkampf er mitfinanziert hatte und mit dem er privat befreundet war.
Das ging so lange gut, bis McKinley 1901 bei einem Attentat ermordet wurde. Es übernahm dessen Vize, Theodore Roosevelt, der sich sogleich auf Rockefellers Monopol einschoss. Der Standard Oil Company wurde der Prozess gemacht und die Firma von den Richtern zerschlagen.
Ein Beispiel des politischen Scheiterns ist auch Henry Ford, mit dem Musk heute oft verglichen wird. Der Automobilpionier aus Detroit revolutionierte nicht nur Fahrzeuge, sondern auch gleich die industrielle Produktion. Ford war staatskritisch und fand: «Das Gesetz macht nie etwas Konstruktives.» Er war populär, aber auch umstritten wegen seines glühenden Antisemitismus, für den ihn Hitler bewunderte.
Seine wirtschaftliche Potenz machte ihn nützlich für eine ganze Reihe von amerikanischen Präsidenten. Doch als er sich in deren Politik einmischen wollte, stiess er auf Ablehnung. Woodrow Wilson warf ihn 1915 aus dem Weissen Haus, nachdem er vorgeschlagen hatte, ein Friedensschiff nach Europa zu senden, um den Ersten Weltkrieg zu beenden. Später stand er im Clinch mit Franklin Delano Roosevelt wegen dessen New Deal. Ford blieb mit seiner Opposition so erfolglos wie mit seiner America-first-Bewegung, mit der er im Zweiten Weltkrieg einen isolationistischen Kurs forderte.
Enttäuschungen erlebten auch zwei weitere Grossindustrielle jener Epoche. Der Stahlbaron Andrew Carnegie finanzierte grosszügig die Republikaner und drängte sich bei Theodore Roosevelt als aussenpolitischer Berater auf, wurde aber ignoriert. Der Medienmagnat William Randolph Hearst trug mit Kampagnen in Dutzenden seiner Zeitungen, Magazinen und Radiostationen dazu bei, dass Franklin Delano Roosevelt 1932 die Wahl gegen Herbert Hoover gewann. Hearst sah sich bereits als Kabinettsmitglied, machte Terminvorschläge, reichte ein Reformprogramm ein – und hörte doch nie etwas.
Wer sich anpasst, wird belohnt
Geschickter agierten andere. Sie wussten: Je mehr der Staat regulieren wollte, desto bedeutender wurden für Grossunternehmer die Lobbyarbeit und gute Beziehungen in Washington. Lew Wasserman, Filmmogul aus Hollywood, handelte, als er sein Businessmodell bedroht sah. Er war Anfang der 1960er Jahre als Chef von MCA, damals die Dachfirma der Universal Studios, auf den Radar des Justizministers Robert F. Kennedy gekommen, der ein kartellrechtliches Verfahren anstrengte.
Wasserman organisierte flugs eine Spendengala für dessen Bruder, den Präsidenten John F. Kennedy. Und wurde von JFK fortan als Berater beigezogen, mitunter auch als Vermittler attraktiver Starlets. Mit dessen Nachfolger Lyndon B. Johnson war Wasserman dann sogar befreundet, warb und sammelte Spenden für die Demokraten, nahm an politischen Strategiesitzungen teil.
Seine klare Positionierung war unter den republikanischen Präsidenten Nixon und Ford zwar kein Vorteil. Als mit Jimmy Carter aber wieder ein Demokrat gewählt wurde, verkehrte Wasserman erneut im Weissen Haus. Es stand sogar – wie schon in der Johnson-Administration – eine Berufung als Wirtschaftsminister zur Diskussion. Selbst bei Ronald Reagan blieb sein Einfluss gross, schliesslich war der Republikaner einst Schauspieler gewesen.
Anpassungsfähig war auch Lee Iacocca, der als Sohn eines aus Italien eingewanderten Hot-Dog-Verkäufers zum visionären Wirtschaftsboss aufgestiegen war und nacheinander die beiden Autokonzerne Ford und Chrysler leitete. Politisch zunächst den Republikanern zugeneigt, verhinderte Iacocca bei Präsident Nixon, dass schärfere Sicherheitsvorschriften für Autos erlassen wurden. Später erreichte er unter dem Demokraten Carter, dass Chrysler mit einer 1,5-Milliarden-Kreditgarantie gerettet wurde, da «too important to fail».
Diese Staatshilfe wäre unter Carters Nachfolger, dem wirtschaftsliberalen Reagan nicht mehr denkbar gewesen, obwohl Iacocca ihn mehrmals jährlich zu Gesprächen traf. Iacoccas Autobiografie wurde in den 1980er Jahren zum Bestseller – und imponierte auch Donald Trump: Ein Kapitel lautete «Making America Great Again».
Iacocca kokettierte mehrmals mit einer Präsidentschaftskandidatur, und Umfragen sagten ihm sogar realistische Chancen voraus. Die «New York Times» schrieb noch 1995: «Viele Amerikaner glauben nicht nur, dass Iacocca die Antworten auf die wirtschaftlichen Missstände habe, sondern auch das Land als Präsident führen sollte.»
Drohen oligarchische Zustände?
Präsidenten kamen und gingen, Bosse wie Wasserman und Iacocca aber blieben – und arrangierten sich je nach Regierung, um möglichst ohne zusätzliche Regulierungen Geschäfte machen zu können.
Es war das Verhaltensmuster, dem auch die neuen Stars am amerikanischen Unternehmerhimmel – die jungen Wilden aus der Tech-Branche – nach anfänglicher Verweigerung folgten. Bill Gates etwa spielte zwar mit Bill Clinton Golf, wurde aber in dessen Amtszeit in ein langjähriges Verfahren verwickelt, wegen der Monopolstellung von Microsoft. Später riet Gates dem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg eindringlich, den Kontakt zu Washington zu pflegen: «Get an office there, now!»
Der Apple-Chef Tim Cook hingegen beherrschte diese Kunst schon meisterhaft. Er pflegte sowohl zu den Demokraten im Weissen Haus einen guten Draht als auch zu Trump. Dieser sagte einmal über Cook: «Deshalb ist er ein grossartiger Manager, weil er mich anruft, während andere das nicht tun.»
Die politische Geschmeidigkeit zeichnete auch Elon Musk aus, der erst vor einigen Monaten zum obersten Trumpisten mutiert ist. Seine Geschäftsideen hätten sich auch sonst nie realisieren lassen, dafür brauchte es gesetzliche Bestimmungen, Subventionen und Milliardenaufträge des Staates.
2016 urteilte Musk über Trump, er sei «not the right guy». Als er gewählt worden war, näherte sich Musk ihm an, unterstützte ihn aber nicht für eine zweite Amtszeit. Und noch 2022 sagte Musk, Trump solle nicht noch einmal antreten, sondern «in den Sonnenuntergang segeln». Trump nannte ihn darauf einen «Dummkopf» und ätzte: «Als Elon Musk ins Weisse Haus kam und mich um Hilfe bei all seinen zahlreichen subventionierten Projekten bat (. . .), ohne die er wertlos wäre, erzählte er mir, er sei ein grosser Trump-Fan und Republikaner. Ich hätte sagen können, ‹geh auf die Knie und bettle›, und er hätte es getan.» So viel zur früheren Rhetorik der neuen, besten Freunde.
Elon Musk hat geschäftliche Interessen, die ein Engagement in der Trump-Administration hochproblematisch machen: Es laufen mehrere Verfahren amerikanischer Behörden gegen seine Firmen. Zudem ist er angewiesen auf grosse Staatsaufträge, um seine Expansion voranzutreiben, besonders seine Mars-Mission. Das klingt nach oligarchischen Zuständen. Oder handelt es sich «nur» um politischen Opportunismus, wie es die lange Beziehungsgeschichte zwischen Tycoons und Präsidenten in den USA nahelegt?
Klar scheint im Moment nur: Verbrüdert haben sich zwei Egozentriker, die nichts von Regeln halten, auch nicht von den eigenen, wenn sie nicht mehr nützen. Und die amerikanische Geschichte lehrt, dass es im Weissen Haus nie lange Platz gehabt hat für zwei Megalomanen zur gleichen Zeit.