Donnerstag, Januar 30

Die spanische Wirtschaft boomt. Die Regierung will das nutzen, um die Produktivität mit mehr Work-Life-Balance zu steigern. Doch ihr Aktionismus kann die drohende Regierungskrise kaum kaschieren.

Während in Deutschland die Forderungen nach längeren Arbeitszeiten immer lauter werden, hat die spanische Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez genau das Gegenteil vor. So soll jetzt im Eilverfahren die wöchentliche Arbeitszeit um 2,5 Stunden auf 37,5 Stunden gesenkt werden.

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«Diese Massnahme führt nicht nur zu höherer Produktivität, sondern trägt zu mehr Lebensqualität bei und verbessert unsere seelische Verfassung. Ausserdem gibt sie der Arbeiterklasse, die im EU-Vergleich weniger verdient, neue Hoffnung», rechtfertigte Arbeitsministerin und Vizepräsidentin Yolanda Díaz die Massnahme. Der Vorstoss zur Reduzierung der Arbeitszeiten erfolgt in einer Phase kontinuierlichen Wirtschaftswachstums, in der sich Spanien inzwischen als treibende Kraft der EU-Wirtschaft etabliert hat.

Verstösse könnten Arbeitgeber teuer zu stehen kommen

Als weiteres Argument für eine Arbeitszeitverkürzung führte Díaz den Klimawandel an. «Wenn wir weniger arbeiten, reduzieren wir auch gleichzeitig unsere CO2-Emissionen und können so den Klimawandel effektiver bekämpfen und dem Planeten helfen», so Díaz’ Behauptung. Die Ministerin hatte die Massnahme schon vor Weihnachten mit den Gewerkschaften vereinbart.

Mit der Reform soll auch eine «digitale Pause» eingeführt werden, die sicherstellt, dass Vorgesetzte künftig nicht mehr verlangen können, dass Arbeitnehmer ausserhalb der Arbeitszeiten E-Mails oder Chat-Nachrichten lesen. Wenn die Unternehmen diese nicht beachten, drohen – so sieht es der bisherige Entwurf vor – Bussen von bis zu 10 000 Euro.

Die Wochenarbeitszeit-Verkürzung soll bereits am kommenden Mittwoch vom Kabinett gebilligt werden. Damit das Gesetz in Kraft tritt, braucht die Regierung aber noch eine Mehrheit im Parlament.

Sánchez’ Bündnispartner wenden sich ab

Das dürfte schwierig werden, denn erst vor wenigen Tagen erlitt die linke Minderheitsregierung von Sánchez dort eine Abstimmungsniederlage. Ein Gesetzespaket, das eine neue Steuer für den Energiesektor, Rentenerhöhungen, die Verlängerung der Subventionen im öffentlichen Nahverkehr sowie stärkeren Schutz sozial schwacher Familien vor Zwangsräumungen vorsah, musste zurückgezogen werden.

Einer von Sánchez’ bisherigen Bündnispartnern, die bürgerliche katalanische Separatistenpartei Junts per Catalunya, verweigerte dem Sozialisten die Unterstützung. Stattdessen schloss sie sich im Parlament mit dem oppositionellen konservativen Partido Popular und der nationalistischen Vox zusammen. Damit will Junts Sánchez abstrafen, weil es in der Unabhängigkeitsfrage keine Fortschritte gibt und ihr Parteichef Carles Puigdemont weiterhin im Brüsseler Exil bleiben muss, da in Spanien nach wie vor ein Haftbefehl gegen ihn besteht.

Inzwischen haben auch die Arbeitgeber die geplante Verkürzung der Wochenarbeitszeit vor Spaniens Verfassungsgericht angefochten. Doch der Erfolg dieser Klage ist ungewiss, denn bereits 1990 wies das Gericht einen ähnlichen Einspruch des Arbeitgeberverbands gegen die sieben Jahre zuvor eingeführte 40-Stunden-Woche ab.

Kein mehrheitsfähiger Staatshaushalt seit 2023

Der Aktionismus der Regierung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sánchez zunehmend in der Umsetzung seiner Politik blockiert ist – eine Entwicklung, die auch seine europäischen Partner beunruhigt. Seit zwei Jahren konnte kein neuer Staatshaushalt verabschiedet werden, so dass die Regierung weiterhin mit dem Budget von 2023 operieren muss. Das behindert wichtige Investitionen. So machte kürzlich der Nato-Generalsekretär Mark Rutte beispielsweise deutlich, dass Spanien dringend mehr in die Verteidigung investieren müsse. Doch ohne verabschiedeten Haushalt fehlen die Mittel.

Sollte nun auch noch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit im Parlament scheitern, könnte sich Sánchez’ wichtigster Koalitionspartner, die Linksplattform Sumar um Yolanda Díaz, von ihm abwenden. Der Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo forderte Sánchez erst diese Woche erneut zum Rücktritt auf und erklärte ihn für regierungsunfähig. In Feijóos Partei wächst die Überzeugung, dass es an der Zeit sei, gemeinsam mit Vox und den abtrünnigen Katalanen von Junts einen Misstrauensantrag zu stellen – zusammen verfügen die drei Parteien über 177 der 350 Sitze im Parlament.

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