Beim Wohnungsverwalter Vonovia geht CEO Rolf Buch Ende des Jahres trotz des bis 2028 laufenden Vertrags. Erst im Dezember hatte das Kontrollgremium das Vergütungssystem neu geregelt, nachdem der erste Vorschlag bei den Investoren durchgefallen war. Nun zahlen die Aktionäre doppelt.

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Bei Vonovia zahlen die Aktionäre bald doppeltes Chefgehalt, nachdem sie zuvor auf spektakuläre Weise die Vergütung des Topmanagements kritisiert hatten.

So würde ich die paradoxen Folgen der unerwarteten Nachricht zusammenfassen, die Europas grösster Wohnungsverwalter am 6. Mai verkündet hat. Der seit mehr als zwölf Jahren amtierende CEO Rolf Buch hört Ende 2025 auf. Der Abgang «kommt für uns überraschend, weil sein Vertrag bis 2028 gilt», kommentierte Simon Stippig, Aktienanalyst bei M.M. Warburg.

Buch dürfte eine Abfindung von zwei Jahresgehältern bekommen, so wie es bei einer vorzeitigen Beendigung eines CEO-Vertrags üblich ist und wie es der Deutsche Corporate Governance Kodex maximal erlaubt. Vonovia will zur Abfindung keine Auskunft geben. «Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu den Einzelheiten der Vereinbarung mit Herrn Buch aus rechtlichen Gründen nicht äussern können», teilte der Konzern mit.

Immerhin ist seit dem 13. Mai ein plausibler Grund bekannt, warum Vonovia den zum Jahresende geplanten Chefwechsel jetzt schon verkündet hat. An jenem Tag teilte der Wohnungskonzern mit, zwei Wandelanleihen im Gesamtvolumen von 1,3 Mrd. € platziert zu haben. Vor derartigen Transaktionen prüfen die beratenden Banken den Emittenten eingehend. Zum Fragenkatalog gehört üblicherweise die Erkundigung, ob Gespräche über einen Wechsel im Topmanagement laufen.

Warum Buch überhaupt vorzeitig geht, erklärt dies freilich nicht.

Die genannten Argumente für den Rückzug überzeugen nicht

Gehen, bevor die versprochene Arbeit erledigt ist: Das passt nicht zu Buch, so wie ich und andere ihn in den zurückliegenden Jahren kennengelernt haben. Meine Recherchen legen nahe, dass es Gründe für den Abgang gibt, bei denen nicht unbedingt das Interesse der Aktionäre im Vordergrund steht.

Chefkontrolleurin Clara-Christina Streit betont, einen hochkarätigen Nachfolger gefunden zu haben: Luka Mucic, bis 2023 Finanzchef von SAP und zuletzt in selber Position für Vodafone tätig.

Drei Vorteile des vorzeitigen Wechsels werden aufgezählt: Mucic soll den wieder beginnenden Wachstumspfad von Beginn an prägen können. Angesichts der neuen Bundesregierung soll er Kontakte zur Politik knüpfen, lange vor der nächsten voraussichtlichen Wahl 2029. Ausserdem wäre die letzte Hauptversammlung während Buchs Vertragslaufzeit 2027 mit dem Ende der Amtszeit von Chefaufseherin Streit zusammengefallen. «Dies hätte eine schlechte Governance bedeutet und den nächsten Aufsichtsratsvorsitzenden unter unangemessenen Druck gesetzt», heisst es in der Pressemitteilung zu Buchs vorzeitigem Ausscheiden.

Ein neuer CEO hätte aber auch ab 2027 noch Gelegenheit, die Strategie von Vonovia zu prägen. Warum jetzt ein besserer Zeitpunkt sein sollte, um politische Kontakte in Berlin zu knüpfen als 2o27, erschliesst sich mir ebenfalls nicht. Zumal Mucic vorerst bei Vodafone im Amt bleibt und wenig Zeit für das Networking in Berlin finden dürfte.

Dass es zur zeitlichen Kollision des Wechsels des CEO und der Aufsichtsratschefin gekommen wäre, ist auch Streit und ihren Ratskollegen anzulasten. Streit war Mitglied des Nominierungsausschusses, als Buchs Vertrag 2022 bis 2028 verlängert wurde.

«Im Rahmen einer nachhaltigen Nachfolgeplanung hätte der Aufsichtsrat bereits bei der Vertragsverlängerung vermeiden müssen, dass die Mandate des CEO und der Aufsichtsratsvorsitzenden annähernd zeitgleich enden, und sich Optionen offenhalten müssen», sagt Hendrik Schmidt, Governance-Experte der Fondsgesellschaft DWS.

Wechsel an die Aufsichtsratsspitze wäre weiterhin schwierig

Manche Beobachter vermuten, dass Buch vorzeitig geht, um Clara Streit an der Spitze des Kontrollgremiums zu beerben. Der Governance Kodex sieht vor, dass ehemalige CEOs erst nach einer Abkühlperiode von zwei Jahren in den Aufsichtsrat wechseln sollen. Buch käme bei der Hauptversammlung 2027 aber nur auf eine anderthalbjährige Abwesenheit. Vonovia teilte mir mit, dass es keine Vereinbarung zwischen Streit und Buch über die Nachfolge an der Aufsichtsratsspitze gebe.

Gegen eine solche Nachfolgeplanung spricht auch: Selbst wenn die zwei Jahre Cooling-off eingehalten würden, müsste Buch mit massivem Widerstand von Investoren rechnen. Immer mehr Profianleger sind grundsätzlich gegen frühere CEOs auf dem Aufsichtsratsvorsitz, da diesen die erwünschte Unabhängigkeit fehle. Dies führte zuletzt schon zu sehr schwachen Wahlergebnissen für die Chefkontrolleure von Münchener Rück und BASF. Waren Chefaufseherposten neu zu besetzen, wurde deshalb zuletzt meistens von aussen rekrutiert, Beispiele sind Mercedes-Benz, wo Ex-BASF-Chef Martin Brudermüller übernahm, sowie Deutsche Post, Siemens und Allianz.

Ohnedies machte Buch in der Telefonkonferenz mit Journalisten nicht gerade den Eindruck, dass der vorzeitige Abgang sei seine Idee gewesen sei. Er verwies stattdessen darauf, dass der Aufsichtsrat für eine solche Entscheidung zuständig sei. Vonovia sei «gefühlt mein Baby».

Aktionärsärger und Debatten um neues Vergütungssystem

Am Wahrscheinlichsten ist für mich, dass Chefkontrolleurin Streit und CEO Buch aus anderen Gründen nicht länger zusammenarbeiten wollten. Anlass für eine nachhaltige Verstimmung zwischen den beiden boten die langwierigen Verhandlungen über ein neues Vergütungssystem bei Vonovia.

Bei der Hauptversammlung im Frühjahr 2024 hatten die Aktionäre das vom Aufsichtsrat zur Abstimmung vorgelegte neue Vergütungssystem abgelehnt. Nur 40% der Investoren stimmten dafür. Vonovia war das erste Dax-Unternehmen, dem eine solche Schmach widerfuhr.

Das Thema hat den Vergütungsausschuss des Kontrollgremiums sowie zeitweilig auch den Vorstand im weiteren Jahresverlauf immer wieder beschäftigt, zeigt der Geschäftsbericht. Am 25. Juli, 26. August, 3. September und 4. Dezember sprach der zuständige Ausschuss über das neue Vergütungssystem.

Das Ergebnis der langwierigen Arbeit wird nun auf dem Aktionärstreffen am 28. Mai zur Abstimmung gestellt: Demnach kann das Topmanagement künftig durchaus auch mal weniger Geld bekommen als bisher.

Die wohl weitreichendste Änderung: Die noch für zwei Vorstandsmitglieder bestehende betriebliche Altersversorgung wird geschlossen und auf ein Entgelt umgestellt, das auf 30% der Grundvergütung reduziert wird.

Union Investment und ISS befürworten neues System

Mit dem neuen System scheinen die mächtigen Stimmrechtsberater und die Fondsgesellschaften befriedet. «Wir stimmen für das Vergütungssystem bei Vonovia, weil es inzwischen umfassend überarbeitet wurde», sagt Vanda Rothacker, Senior-ESG-Analystin und Corporate-Governance-Expertin bei Union Investment. Voriges Jahr hatte die Fondsgesellschaft der deutschen Volksbankengruppe noch gegen das damals vorgeschlagene System votiert.

«Unsere Kritik am Vergütungssystem hat im neuen Entwurf Berücksichtigung gefunden», sagt auch DWS-Governance-Experte Schmidt. Der Stimmrechtsberater ISS empfiehlt, für das abgewandelte System zu stimmen. Damit ist dessen Annahme wahrscheinlich. Auch wenn ein weiterer Stimmrechtsberater, Glass Lewis, beim neuen System zur Ablehnung rät, wie das Handelsblatt berichtet.

Möglicher Kollateralschaden der Vergütungsdebatte

Ein langjähriger Unternehmenskenner vermutet denn auch, dass die langwierige Diskussion über das Vergütungssystem Buch verstimmt habe. Der überaus selbstgewisse CEO könne die monatelange Debatte kaum als Zeichen von Wertschätzung für seine Arbeit empfunden haben. Sollte die Arbeitsatmosphäre dadurch massiv getrübt worden sein, könnte Chefkontrolleurin Streit dann die Suche nach einem Nachfolger vorgeschlagen haben.

Vonovia teilte mit, Buchs vorzeitiger Abgang habe mit dem neuen Vorstandsvergütungssystem «nichts zu tun».

Aktionäre haben kaum Vorteile, aber beträchtliche Kosten

Die Kosten von Buchs verfrühtem Abgang tragen die Aktionäre. Die als Vorteile vorgebrachten Punkte wirken vorgeschoben und wiegen Buchs Abfindungsmillionen nicht auf.

Mit ihrem Nein zum Vergütungssystem auf der Aktionärsversammlung 2024 haben die Investoren deutlich gemacht, dass diese Kosten für sie relevant sind. Fast genau ein Jahr später müssen sie nun befürchten, dass sie für zwei Jahre doppelt Chefgehalt zahlen: Einmal für den neuen CEO und dann auch für den alten.

Im Mindesten können Aktionäre verlangen, dass Vonovia hier schnell Transparenz herstellt und offenlegt, welche Abfindung Buch bekommt. Damit sie hierfür nicht bis zur Vorlage des Geschäftsberichts 2025 warten müssen.

Im Corporate-Governance-Ranking von Union Investment liegt Vonovia bereits auf Rang 21 von 25 (die Ränge sind teils mehrfach belegt). Schlechter bewertet sind im Dax nur noch Sartorius, Volkswagen, Porsche und die Porsche Automobil Holding.

Den Qualitäten von Vonovia-Chefkontrolleurin Streit stellt Union damit miserables Zeugnis aus. Dies ist umso bedenklicher, als Streit als Chefin der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex auf die Regeln für gute Unternehmensführung in Deutschland grossen Einfluss hat. Vergangene Woche wurde sie auch noch zur Chefkontrolleurin der Handelsplatzbetreiberin Deutsche Börse gewählt.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Mark Böschen

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