Rupert Sanders› Film überzeugt als rasante Liebesgeschichte – und als deftiges Leinwandgemetzel.
In diesem Film geht Revolte für junge Menschen nur noch so: Man betritt die Bühne eines Opernhauses und schmeisst die abgesäbelten Köpfe von Schurken der Boomer-Generation ins Publikum. Entsetzen, Panik und die Einsicht, dass mit Millennials nicht zu spassen ist, stellen sich bei einem Kulturbürgertum ein, das sich Verdi servieren lässt, derweil die Welt an den Machenschaften der Reichen zugrunde geht.
Eric (Bill Skarsgard) ist ein typischer Millennial: jung, smart, hip und romantisch. Er liebt die ebenso junge, hübsche und kluge Shelly (der britische R’n’B-Star FKA Twigs), die beiden büxen aus einer Therapieeinrichtung aus. Wildes Leben, Romantik total. Die Gegenseite, das sind die Fifty- und Sixtysomethings, allen voran Mr. Roeg (Danny Huston), der einen Deal mit dem Teufel hat: ewiges Leben gegen reine Seelen, die dem Gottseibeiuns mittels schwarzer Magie zugeführt werden.
Auch Shelly steht auf der Todesliste, ihre Mutter hat die Seele der Tochter an Roeg für eine Bühnenkarriere verkauft. Eric und Shelly werden ermordet, aber in der Wartezone zwischen Himmel und Hölle bekommt Eric eine zweite Chance, die Geliebte zu retten. Unverwundbar kehrt er zurück und bringt die teuflische Sekte zur Strecke, immer ein paar Krähen im Schlepptau, die als transzendentales Super-GPS wissen, wo’s langgeht.
Held im Dauerregen
Der Regisseur Rupert Sanders hat das Remake des 1994 erschienenen Horrorsuperhelden-Films im düsteren Comic-Stil inszeniert. Extreme Perspektiven, exzentrische Farb- und Lichtregie, viel Slow Motion und als Allround-Stilmittel zur Dramatisierung: Regen. Es regnet viel in diesem Film; auch der erschöpft unter der Dusche stehende Held, den Wasserströme zugleich reinigen, aufweichen und taufen im Zeichen der Rache, gehört ins Bildrepertoire.
Über weite Strecken ist «The Crow» eine rasante Liebesgeschichte von Menschen in den frühen Dreissigern, denen die Elterngeneration gestohlen bleiben kann. Haben die Alten nicht sowieso alles versaut, vom Klima über die Städte bis hin zu den sozialen Strukturen, die von Korruption und Profitgier zerfressen sind? Roeg, der satanische Grossbürger, personifiziert die Durchsetzung des Tauschwerts bis in die metaphysische Sphäre hinein: In der Ökonomie des Teufels sind Seelen die lukrativste Währung, ihre Träger dürfen eben nur nicht mehr am Leben sein.
Die Jungen finden sich mit solcher Kommerzialisierung des Schicksals nicht ab. Sie begehren nicht kalkuliert, sondern masslos. «Wenn es schwer wird, mich zu lieben, dann liebe mich noch mehr», sagt Shelly einmal zu Eric. Da schlagen Life-Coachs die Hände über dem Kopf zusammen und rufen: «Co-Abhängigkeit!» Alle anderen wissen, dass Liebe manchmal eben genau das sein kann und muss: ein Minusgeschäft, das bereichert. Kurz: ein Paradox.
Erinnert auch an «Twilight»
Bill Skarsgard und FKA Twigs (bürgerlich: Tahliah Debrett Barnett) stellen dieses Wechselspiel von Gefährdung und Erfüllung überzeugend dar, und auch wenn der Look des Films streckenweise an Werbeclips erinnert, bestechen die beiden als Erben jener radikalen Romantik, die von Orpheus und Eurydike über Romeo und Julia bis zu Edward und Bella aus den «Twilight»-Romanen reicht.
Wenn am Ende die Bösen gleich im Dutzend gemetzelt, zerstückelt und enthauptet werden, dann ist das unter jugendlichem Elan zu verbuchen. Macht kaputt, was euch kaputtmacht: Diesen Gassenhauer einer in die Jahre gekommenen Gegenkultur übersetzt «The Crow» in eine handfeste Direktive: Haut jenen die Rübe runter, die sowieso nur Gewinnmargen und Umsatzerlöse im Kopf haben.
«The Crow» hat eine tragische Vorgeschichte: Bei den Dreharbeiten zur ersten Ausgabe starb der Hauptdarsteller Brandon Lee. Der Sohn des legendären Martial-Arts-Filmstars Bruce Lee wurde 1993 am Set versehentlich erschossen. So lädt sich diese Neufassung des Crow-Stoffs mit einem traurig-dunklen Mythos der jüngeren Filmgeschichte zusätzlich auf.
Dass Helden und Heldinnen schnell leben und jung sterben müssen, ist eine dramaturgische Konvention des popkulturellen Erzählens. Vom Ruhesitz der Älteren aus betrachtet wirkt das exaltiert und auch ein bisschen pathologisch. Das von Eric und Shelly so fotogen verkörperte Draufgängertum ist aber auch eine Mahnung: Hüte dich vor der Verrentung deiner Gefühle, Alter. Riskier was! Und leg dich zur Not auch mit dem Teufel an.