RB Leipzig hat sich in der Bundesliga-Spitze etabliert. Nun wollen die Sachsen auch am Mittwochabend in der Champions League auftrumpfen. Ab Januar wird sie Jürgen Klopp unterstützen – sehr zum Ärger einiger Traditionalisten.
Kürzlich berichtete eine Boulevardzeitung von einer bemerkenswerten Angelegenheit: Marco Rose, der Trainer von RB Leipzig, werde sich vor dem Champions-League-Duell mit dem FC Liverpool keine Ratschläge von Jürgen Klopp holen. «Donnerwetter», möchte man meinen. Ein arrivierter Kollege (ein solcher ist Rose längst) hat es also nicht nötig, sich beim früheren Liverpool-Coach, einem noch arrivierteren Trainer, rückzuversichern. Was umso mehr erstaunt, weil die beiden früher zur gleichen Zeit für denselben Verein tätig waren. Rose ist also nicht nur davon überzeugt, zu wissen, was er tut.
Seine Zurückhaltung hat noch einen anderen Grund: Er verfügt auch über gute Manieren. Die Privatsphäre des Kollegen werde er in jedem Fall achten – denn, so erklärte es Rose: «Kloppo ist auf Mallorca, kümmert sich um seinen Hund, seine Frau und seine Kinder. Den werde ich ganz sicher nicht anrufen.»
Dennoch handelt es sich hierbei um ein interessantes Detail. Denn am Mittwochabend in Leipzig geht es schliesslich gegen jenen Klub, den Klopp in neun Jahren prägte, wie es vor ihm nur Bill Shankly und Bob Paisley getan hatten. Und ab dem kommenden Januar wird Klopp allerhand mit den Fussballklubs aus dem RB-Imperium zu tun haben. Als sogenannter Head of Global Soccer hat ihn der Konzern engagiert, was bei traditionsbewussten Fans einen Aufschrei auslöste.
🚨🇩🇪 Mainz fans not happy with Jürgen Klopp working with Red Bull. 👎
Some of the banners… «Are you crazy?», «Did you forget everything we made you become?»
📸 @FrankHellmann1 pic.twitter.com/TuhK2xJpIR
— EuroFoot (@eurofootcom) October 19, 2024
Deshalb ist ein Duell zwischen den beiden Teams zu diesem Zeitpunkt nicht ohne Reiz. Zumal sich die Frage stellt, ob RB ein öffentlich nicht formuliertes, aber wahrscheinlich vorhandenes Ziel mit der Verpflichtung Klopps erreicht hat: seinem Image eine entscheidende Wendung zu geben.
Die denkwürdige Szene vom Mainzer Aufstieg im Jahr 2004
Noch immer steckt RB Leipzig in der Wahrnehmung des Konzernklubs, der grosszügig alimentiert wird und die Konkurrenz auf diese Art übertrumpfen kann. Diese Wahrnehmung ist nicht falsch. Anderseits wurde in Leipzig seit Jahren gute Arbeit geleistet. Ralf Rangnick, der gegenwärtige österreichische Nationaltrainer, war einst das Mastermind hinter dem Aufschwung, der sich allmählich verstetigte. Der RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff war anfangs von den Fussball-Traditionalisten noch belächelt worden. In der Zwischenzeit wird er als eine grosse Nummer im europäischen Fussball angesehen.
Und sportlich? Leipzig scheint sich treu geblieben zu sein. Die Signatur, die Rangnick dem RB-Spiel gab – aggressives Pressing, frühes Angreifen, das dem Gegner kaum Raum lässt –, hat Rose auf eine erfolgreiche Weise weitergeführt. In der Bundesliga haben die Leipziger derzeit nur den punktgleichen FC Bayern vor sich.
Marco Rose ist also gewiss kein Trainer, der Nachhilfe von einem Kollegen nötig hätte. Dass das Boulevardmedium diese Frage trotzdem gestellt hat, hat noch einen weiteren Grund: Rose spielte einst wie Klopp bei Mainz 05, und Rose zählte zum Team, als der Verein im Jahr 2004 erstmals in die Bundesliga aufstieg. Der Trainer hiess da Jürgen Klopp, und es gibt eine denkwürdige Szene, in der Rose am Tag des Aufstiegs in breitem sächsischem Akzent erfreut in die Kamera rief: «Erstliga-Spieler Rose, irgendwelche Einwände?»
Das klang so knapp und bündig, fast wie eine militärische Losung. Und wer hätte bestreiten wollen, dass Rose tatsächlich mit Mainz aufgestiegen war? Nur war es der dritte Versuch, in dem die Mainzer erst erfolgreich waren. Manchem damals waren schon Zweifel gekommen, ob es je noch gelingen würde.
Dass die Handschrift Klopps ihn durchaus beeindruckt habe, daraus macht Marco Rose kein Geheimnis. Zumal der Kontakt der beiden nie abgerissen war. Als Rose von Borussia Mönchengladbach zum BVB wechselte, berichtete er von einer Nachricht Klopps: «Er hat mir vor ein paar Tagen erst geschrieben, dass ich mich gut um seine ‹Ex› kümmern soll. Und ich weiss ja, wie sehr er diesen Klub liebt.» Die «Ex»: Das ist der BVB, dessen Fans von ihrem ehemaligen Helden Klopp nun bitter enttäuscht sind, weil er sich zu RB bekannt hat.
Welche Hoffnungen seinerzeit auch Experten in das Engagement Roses in Dortmund gesetzt haben, verdeutlicht ein Kommentar des Portals «Sport1»: «Der BVB hat endlich seinen Klopp-Erben. Die Sehnsucht nach einem authentischen und erfolgreichen Trainer, der das ganze Vereinsumfeld mitreisst, ist riesengross.»
Xavi Simons ist ein Schlüsselspieler für Roses RB Leipzig
Bloss war Roses Engagement in Dortmund von kurzer Dauer. Nach einem Jahr gingen Klub und Trainer getrennte Wege. Daran, dass Roses Spielauffassung sich vom Dortmunder Ideal unterschieden hätte, liegt es aber ganz sicher nicht, wohl aber auch daran, dass im BVB noch immer alles an jener Epoche gemessen wurde, in der Klopp dort wirkte.
Beide, Klopp und Rose, schätzen das hochintensive Spiel, die ständige Aktion, die aggressive Gangart. Nur sind sie eben auch stets in der Lage gewesen, mit hervorragenden Fussballern zurechtzukommen. Für Rose ist in Leipzig der Niederländer Xavi Simons der Schlüssel zum brillanten Spiel – der Mann, dessen ausgeprägte Leidensmiene ihn für eine Rolle bei den Passionsspielen in Oberammergau prädestinieren würde. Der FC Bayern hat Simons längst im Blick.