Freitag, Februar 28

Bangen, hoffen, beten: Noch immer gibt der Gesundheitszustand von Papst Franziskus zu Sorge Anlass. Selbst seine Gegner beten für ihn.

«Der Papst hat in der Nacht gut geschlafen und ruht sich jetzt aus.» In der Regel sind sie nur ganz kurz wie an diesem Donnerstag, die Bulletins, welche der Pressedienst des Heiligen Stuhls täglich zweimal an die akkreditierten Journalisten verschickt. Am Vormittag geben sie jeweils Auskunft über die Qualität der Nachtruhe, am Abend sind sie vielleicht zwei, drei Sätze ausführlicher und gespickt mit ein paar medizinischen Fachausdrücken.

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Dafür sind die Exegesen in den Medien umso länger. Bedeutet «ausruhen» etwa, dass Franziskus nicht arbeiten kann? Will der Vatikan damit die Tatsache verheimlichen, dass es dem Papst wieder schlechter geht? Und was ist mit der Sauerstoffzufuhr? Bedeutet die Nachricht, dass er vielleicht nicht mehr darauf angewiesen ist? Ist er also auf dem Weg der Gesundung?

Mittlerweile ist es gut zwei Wochen her, seit der 88-jährige Papst Franziskus zur Behandlung in die Gemelli-Klinik in Rom eingeliefert worden ist und man eine gravierende Lungenentzündung festgestellt hat. Und noch immer schwankt die allgemeine Gefühlslage zwischen Bangen und Hoffen. «Die Türen sind nach beiden Seiten offen», sagte vor einer Woche Sergio Alfieri, Direktor der chirurgischen Abteilung am Gemelli-Spital, bei der bisher einzigen Medienkonferenz zum Gesundheitszustand des Pontifex.

Verhalten optimistisch

Daran hat sich nichts fundamental geändert – auch wenn die Nachrichten seit Mittwoch wieder etwas optimistischer stimmen. Die vorübergehend festgestellten Nierenbeschwerden sind offensichtlich abgeklungen, das Blutbild bestätigt die Tendenz zur Besserung. Und das Wort «kritisch» fehlt im Bulletin, was zu Zuversicht Anlass gibt, wie der Vatikanist des «Corriere della Sera» notierte. Die Mediziner lassen sich indessen nicht auf die Äste hinaus. Es brauche jetzt noch ein paar «weitere Tage klinischer Stabilität», hiess es am Donnerstagabend.

Etwas von dieser ambivalenten Stimmungslage ist in Rom zu spüren. Das tägliche Leben nimmt zwar seinen gewohnten Lauf. Auch im Zentrum der katholischen Kirche folgt man säkularen Rhythmen. Was drüben passiert, «oltretevere», auf der anderen Seite des Tiber, kümmert die wenigsten, wenn sie ins Büro eilen, Einkäufe machen oder sich in der nächsten Bar einen «caffè» genehmigen.

Gleichzeitig ist die Stadt imprägniert von der Kirche. Kaum ein Platz, eine Gasse, eine Kreuzung, an der sich nicht eine Kirche, ein Marienbild oder ein anderes religiöses Symbol findet und wo man nicht einem Seminaristen, einer Ordensfrau oder einem Monsignore begegnet.

Das kirchliche und das weltliche Rom: Nirgends zeigt es sich gerade besser als vor der Gemelli-Klinik. Vor dem Haupteingang des riesigen, zur katholischen Universität Sacro Cuore gehörenden Krankenhauses herrscht rege Betriebsamkeit. Taxis fahren vor, Besucher steigen aus, Patientinnen werden abgeholt, Ärztinnen in weissen Kitteln stehen in der Kälte und geniessen eine kurze Rauchpause, Polizisten und Carabinieri diskutieren und werfen dazwischen prüfende Blicke auf die Passanten. Jemand gestikuliert wild am Handy.

Nur wenige Meter davon entfernt steht ein riesiges Denkmal von Johannes Paul II. Gläubige haben für seinen Nach-Nachfolger Blumen und Kerzen deponiert. Karten und Briefe mit Genesungswünschen liegen auf. Ordensleute sind ins Gebet vertieft, Passanten halten kurz inne, einige bekreuzigen sich. Medienleute beobachten das Geschehen, ihre Kameras zoomen die Gesichter der Betenden heran. Eine Ordensfrau sagt: «Wenn ich hier bin, spüre ich die Nähe des Heiligen Vaters.» Es sei, als stünde sie in seinem Krankenzimmer.

Dieses befindet sich oben im zehnten Stock der Klinik, dort, wo ausser dem behandelnden Personal kaum jemand Einlass hat. Nur Giorgia Meloni war schon da, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin auch und die engsten Mitarbeiter des Papstes, aber sonst wird der Pontifex konsequent abgeschirmt. Vom Trubel hier unten bekommt er wenig mit.

Der abgeriegelte Papst-Trakt im zehnten Stock wurde nach dem Attentat auf Johannes Paul II. am 13. Mai 1981 eingerichtet. Damals retteten die Ärzte dem schwer verwundeten Papst in einer mehrstündigen Notoperation das Leben. Auch in seinen späten Jahren vor seinem Tod im Jahr 2005 war der 2014 von Franziskus heiliggesprochene polnische Pontifex immer wieder im Gemelli. Das Denkmal vor dem Haupteingang erinnert daran. Es ist jetzt eine Insel des Gebets für den amtierenden Papst, umgeben vom pulsierenden Spital-Alltag.

Tausende auf dem Petersplatz

Ruhiger geht es am Abend auf dem Petersplatz zu. Vor der imposanten, nur spärlich beleuchteten Kulisse von St. Peter, eingefasst von der Barock-Kolonnade von Gian Lorenzo Bernini, treffen sich um 21 Uhr rund tausend Gläubige zur Rosenkranzandacht. Seit Montag wird sie jeden Abend durchgeführt, an diesem kühlen Mittwochabend wird sie von Kardinal Giovanni Battista Re geleitet, dem Dekan des Kardinalskollegiums. «Wir beten gemeinsam mit der ganzen Kirche für die Gesundheit des Heiligen Vaters Franziskus»», spricht Kardinal Re ins Mikrofon. Seine Stimme verliert sich in der Weite des Petersplatzes. Die repetitive Form des Rosenkranzgebetes entfaltet ihre suggestive Kraft.

Neben dem mit LED-Leuchten erhellten Baldachin vor dem Petersdom haben kirchliche Würdenträger Platz genommen. Alle in Rom residierenden Kardinäle sind aufgerufen, an den Andachten teilzunehmen. Selbst erklärte und vermeintliche Gegenspieler von Franziskus beten jetzt für ihn, den Papst, dem die römische Kurie immer fremd war. Beobachter fühlen sich an die Andachten erinnert, die in den letzten Tagen von Johannes Paul II. hier abgehalten wurden. Bangen, hoffen, beten – es ist die unausgesprochene Losung dieser Tage in Rom.

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