Nächste Woche beginnt die Budgetdebatte des Parlaments. Es kursieren viele Sparideen – und noch mehr fragwürdige Aussagen.
Wird das Geld knapp, hört der Spass auf. Nach finanziell fröhlichen Jahren muss der Bund zum ersten Mal seit langem auf die Bremse stehen. Was bis anhin nur Ankündigungen waren, entwickelt sich in den kommenden drei Wochen zum handfesten Verteilkampf. Das Parlament wird über das Budget und den Finanzplan für die nächsten Jahre entscheiden.
Im Nationalrat beginnt die Debatte am Dienstag und sollte – wenn alles gut geht – am Donnerstag enden. Danach folgt der Ständerat. So geht es hin und her, bis der Bund kurz vor Weihnachten ein genehmigtes Budget hat. Oder eben auch nicht. Im schlimmsten Fall, wenn Rechte und Linke am Ende das Budget versenken, droht ein Szenario mit Notbudget. Das wäre ein unschönes Novum. Mit giftigen Diskussionen ist zu rechnen. Es geht um politisch aufgeladene Themen wie die Landesverteidigung, die Entwicklungshilfe und das Bundespersonal.
Im Vorfeld sind neben Sparideen auch fragwürdige Aussagen im Umlauf. Eine unvollständige Liste:
Irrtum 1: Der Bundesrat will einseitig Ausgaben kürzen
Dieser Vorwurf ist oft zu hören, nicht nur von der Linken, sondern auch von der Mitte-Partei: Unter Ägide der Finanzministerin Karin Keller-Sutter setze die FDP-SVP-Connection im Bundesrat auf gnadenlose Sparpolitik. Sie wolle einseitig Ausgaben kürzen, statt gleichzeitig auch für höhere Einnahmen zu sorgen.
Wahr ist, dass das geplante Entlastungspaket zu über 90 Prozent aus Einsparungen besteht. Nimmt man 2028 als Stichjahr, sind Kürzungen von 4 Milliarden Franken geplant und Mehreinnahmen von 0,3 Milliarden. Aber erstens würden die Kürzungen gesamthaft lediglich das Ausgabenwachstum bremsen.
Zweitens zeigt das Entlastungspaket nicht die ganze Wahrheit. Schon mehrfach sind in den letzten Jahren Steuern und Abgaben erhöht worden, und weitere Erhöhungen sind geplant. Per 2024 wurde für die AHV die Mehrwertsteuer angehoben, eine weitere Erhöhung ist für die 13. Rente geplant. Allein dies macht 4 Milliarden aus. Hinzu kommen Erhöhungen der Treibstoff-, Automobil- oder Tabaksteuern sowie die neue OECD-Steuer für internationale Konzerne.
Insgesamt ist laut einer Liste der Finanzverwaltung per 2028 mit einer Mehrbelastung der Einwohner und Firmen von 7,5 Milliarden Franken zu rechnen. Man könnte auch die Erhöhung der AHV-Beiträge von 2020 dazuzählen, die Angestellte und Firmen jährlich 1,3 Milliarden kostet. Zählt man all dies zum Entlastungspaket hinzu, sieht das Verhältnis zwischen Ausgabenkürzungen und Mehreinnahmen mit 4 zu 9 Milliarden ganz anders aus.
Irrtum 2: Die Schweiz schickt «Abermilliarden» ins Ausland
Armee oder Entwicklungshilfe? Dies ist einer der grossen Gegensätze der Finanzdebatte. SVP, FDP und Mitte wollen das Armeebudget deutlich schneller erhöhen, wissen aber nicht, woher sie das Geld nehmen sollen. Sparvorschläge sind dringend gesucht. Früh haben sie die Entwicklungszusammenarbeit ins Visier genommen. Nun steht im Nationalrat eine Kürzung der Auslandhilfen um 250 Millionen Franken zur Debatte.
«Wenn der Bund Abermilliarden ins Ausland schickt, muss man sich nicht wundern, wenn die Leute für den AHV-Ausbau stimmen»: So hat der SVP-Präsident Marcel Dettling jüngst in der NZZ erklärt, weshalb ein Teil seiner Basis für die 13. AHV-Rente stimmte.
«Abermilliarden ins Ausland»? Allein die 13. Rente kostet mehr, als der Bund gesamthaft für Entwicklungshilfe ausgibt, vom weiteren Anstieg der AHV-Ausgaben ganz zu schweigen. Die jährlichen Kosten der 13. Rente betragen anfänglich 4,2 Milliarden Franken und steigen danach stetig an. Für Entwicklungshilfe gibt der Bund zurzeit 3 Milliarden aus (inklusive Kohäsionsbeiträge an EU-Staaten). Von der Jahrtausendwende bis 2015 nahmen die Entwicklungshilfeausgaben von 1,6 auf 3 Milliarden zu, seither haben sie sich kaum mehr verändert.
Irrtum 3: Der Bundesrat budgetiert bewusst pessimistisch
Die Meldung hat alle Vorurteile bestätigt: Im Oktober wurde bekannt, dass das Defizit 2024 «nur» 0,9 statt 2,6 Milliarden betragen dürfte. Stimmt es also, dass Finanzminister notorische Schwarzmaler sind und die Lage gar nicht so schlimm ist? Leider hat der Grossteil der Abweichung einen lapidaren Grund: Eine Finanzspritze an die SBB, die mit 1,1 Milliarden budgetiert war, konnte noch nicht ausbezahlt werden. Nun sollen nächstes Jahr 0,9 Milliarden fliessen.
Gleichzeitig ist offenkundig, dass die Verwaltung vorsichtig budgetiert. Man will nicht mit Nachtragskrediten negativ auffallen. Oft bleiben «Kreditreste» von etwa 1 Milliarde übrig, was bei Gesamtausgaben von 82 Milliarden Franken entschuldbar scheint.
Zudem hat der Bund die Einnahmen in den letzten vier Jahren nicht etwa zu tief, sondern zu optimistisch eingeschätzt. Die Abschlüsse sind zweimal besser ausgefallen als budgetiert und zweimal schlechter, was auch mit Corona zu tun hatte, aber nicht nur. Kurzum: Wer jetzt einfach die angeblich so pessimistischen Budgets schönt, geht ein extrem hohes Risiko ein.
Irrtum 4: Der Bund müsste einfach beim Personal sparen
Die Verwaltung wächst und wächst, in den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Vollzeitstellen von 34 800 auf knapp 39 000 zugenommen. Trotz Sparrhetorik kamen auch vergangenes Jahr etwa 540 Stellen hinzu. Die Personalausgaben stiegen von 2012 bis 2022 von 5,1 auf 6,1 Milliarden Franken. Dass der Durchschnittslohn inzwischen fast 130 000 Franken brutto beträgt, macht Kürzungen in dem Bereich nicht unpopulärer.
Tatsächlich sind die bürgerlichen Parteien entschlossen, beim Personal und den weiteren Verwaltungskosten den Rotstift anzusetzen. Die Dimensionen aber sind eindeutig: Die Gesamtkosten der Verwaltung machen lediglich 15 Prozent aller Ausgaben aus. Bei der Bundeskasse handelt es sich um einen Transferhaushalt, der Geld in alle Richtungen verteilt: an die Sozialversicherungen, die Kantone, die Hochschulen, die Landwirte. Das unterscheidet den Bund von Kantonen und Gemeinden. Folglich lässt sich die Schieflage nicht primär mit Kürzungen beim Personal beheben – aber sie können einen Beitrag leisten.
Irrtum 5: Die Bauern gewinnen immer
Es ist der Evergreen jeder Budgetdebatte: Die Agrarlobby verlangt mehr Geld – und bekommt es (meistens) auch. Auch dieses Jahr haben die Finanzkommissionen bereits beschlossen, mehrere landwirtschaftlich relevante Budgetposten um gesamthaft 45 bis 50 Millionen Franken aufzustocken.
Aber das Bild, das oft kolportiert wird, ist zumindest irreführend. Man mag die protektionistische Agrarpolitik kritisieren, aber sie für die Finanzlage des Bundes verantwortlich zu machen, ginge zu weit. Oft besteht der Sieg der Bauern im Parlament primär darin, Kürzungen zu verhindern. Gesamthaft hat sich das Landwirtschaftsbudget schon lange nicht mehr verändert. Vor zwanzig Jahren betrug es 3,8 Milliarden, heute sind es 3,7 Milliarden. Gleichzeitig sind die anderen Ausgaben stark gestiegen. Weil gleichzeitig aber auch die Zahl der Bauernbetriebe deutlich abgenommen hat, bleibt für jeden einzelnen mehr übrig.
Und ein Lichtblick: Verfassung schützt Schuldenbremse
In den meisten Ländern ist klar, was die Parlamente in finanzieller Not machen: neue Schulden. Um weder unpopuläre Kürzungen noch Steuererhöhungen beschliessen zu müssen, überlassen sie die Lasten den künftigen Generationen. Auch in der Schweiz war dies früher üblich, seit 2003 aber greift die Schuldenbremse. Sie versperrt den bequemen Ausweg der Neuverschuldung. Kein Wunder, gerät sie nun politisch unter Druck.
Allerdings steht neben SVP und FDP auch die Mitte-Partei weitgehend hinter der Schuldenbremse in der heutigen Form. Ihre Bundesrätin Viola Amherd möchte sie zwar gemeinsam mit der SP lockern, die Mehrheit der Mitte-Parlamentarier aber macht da nicht mit. Kommt hinzu, dass die Hürden für eine Lockerung hoch sind. Dies hat der Bundesrat soeben bekräftigt: Möchte man wie die SP die Schulden nicht mehr absolut (in Franken), sondern nur noch relativ (in Prozent des BIP) fixieren, erfordert dies entgegen anderslautenden Meinungen eine Verfassungsänderung und folglich eine obligatorische Volksabstimmung.
Das ist der Lichtblick: Die Schuldenbremse dürfte ihren ersten grossen Härtetest bestehen. Mit schmerzhaften, aber notwendigen Entscheiden in die eine oder andere Richtung ist zu rechnen.