Dienstag, November 26

Die USA senden eines ihrer modernsten Raketenabwehrsysteme und rund hundert Soldaten nach Israel. Präsident Biden scheint im Umgang mit dem israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu damit weiter auf eine unterstützende Strategie zu setzen, obwohl er verärgert über ihn ist.

Eigentlich ist die Beziehung zwischen der amerikanischen und der israelischen Regierung derzeit ziemlich zerrüttet. Seit Monaten drängt Präsident Joe Biden den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu zu einem Waffenstillstand im Gazastreifen. Doch dieser eskaliert die Situation immer wieder im Alleingang, hat eine Offensive in Südlibanon eröffnet und plant einen heftigen Vergeltungsschlag gegen Iran.

Vor einem Jahr hatte Netanyahu dem amerikanischen Präsidenten versprochen, den Krieg bis Weihnachten zu beenden. Nun dehnt er sich immer weiter aus. Trotzdem scheint Biden an seiner Strategie festzuhalten: Auch wenn er seine Mühen mit Netanyahu bekundet, im Zweifelsfall hält er lieber die schützende Hand über Israel. So kündigte seine Regierung am Sonntag an, ein Raketenabwehrsystem des Typs Thaad (Terminal High Altitude Area Defense) gemeinsam mit rund hundert Soldaten nach Israel zu entsenden. Es wurde dazu entwickelt, ballistische Raketen von kurzer bis grösserer Reichweite in ihrer letzten Flugphase abzufangen.

Vorzeichen für einen schweren israelischen Angriff?

Vermutlich wird es mindestens eine Woche dauern, bis das Waffensystem und das notwendige Personal dazu in Israel eintreffen. Die Massnahme sei indes ein Zeichen dafür, dass der israelische Vergeltungsschlag gegen Iran so heftig sein werde, dass Teheran wiederum darauf antworten müsse, erklärte der amerikanische Nahost-Experte Aaron David Miller gegenüber der «Washington Post». Iran feuerte am 1. Oktober fast 200 ballistische Raketen auf Israel, die nicht alle abgefangen werden konnten. Teheran reagierte damit auf die gezielte Tötung des Hamas-Führers Ismail Haniya in der iranischen Hauptstadt im Juli und des Hizbullah-Chefs Hassan Nasrallah in Beirut im September.

Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant kündigte eine harte Vergeltung für den iranischen Raketenbeschuss an: «Unser Angriff wird tödlich, präzise und vor allem überraschend sein.» Biden verlangte von Israel hingegen eine «verhältnismässige» Reaktion, die weder Irans Atomanlagen noch seine Erdölinfrastruktur treffen soll. Gemäss einem Bericht des «Wall Street Journal» ist Washington frustriert, weil die israelische Regierung ihre Pläne für den Schlag gegen Iran nicht offenlegen möchte.

Kontroverse Debatte im Pentagon

Ohne seinen wichtigsten Verbündeten vorher zu informieren, liquidierte Israel im September bereits den Hizbullah-Chef Nasrallah. Als der israelische Verteidigungsminister seinen amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin darüber aufklärte, soll dieser überrascht geantwortet haben: «Entschuldigen Sie, was haben Sie gesagt?» Bei einem weiteren Telefonat am selben Tag meinte Austin angeblich zu Gallant, ob Israel bereit sei, sich «alleine» zu verteidigen.

Gemäss einem Bericht der «New York Times» debattieren hohe Beamte im Pentagon derzeit darüber, ob die Waffenhilfe für Israel und die verstärkte militärische Präsenz der USA im Nahen Osten den Konflikt eindämmen oder viel mehr schüren. Washington hat unter anderem die Schlagkraft seiner Luftwaffe in der Region verdoppelt. Dana Stroul, die bis vor wenigen Monaten für die Nahostpolitik im Pentagon zuständig war, meinte über Israels aggressives Vorgehen: «Wenn du Israel bist und wenn du ein militärischer Planer bist, willst du das alles jetzt machen, wenn die Dinge in der Region sind, nicht nach ihrem Abzug.»

Harrison Mann, ein ehemaliger Armeeoffizier, kündigte vor einem Jahr seine Stelle beim militärischen Nachrichtendienst DIA aus Protest über die amerikanische Nahostpolitik. Gegenüber der «Washington Post» stellte er nun eine kritische Frage: «Wenn dieses System vor Ort ist und Israel den Schutz amerikanischer Flugabwehrsoldaten geniesst, welchen Anreiz hat Netanyahu dann noch, sein Wort zu halten und die heiklen Ziele nicht anzugreifen, die er versprochen hatte, zu meiden?» Die Lieferung sei das jüngste Beispiel dafür, wie Biden die Israeli lieber mit Zuckerbrot statt mit Peitsche zu einer weniger aggressiven Strategie zu bewegen versuche.

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