Montag, November 25

Die demokratische Präsidentschaftskandidatin nutzt einen symbolträchtigen Ort in der Hauptstadt, um den Wählerinnen und Wählern den Kontrast zu ihrem republikanischen Kontrahenten zu verdeutlichen.

In einer Woche steht für Amerika viel auf dem Spiel. So lautete am Dienstag die Kernbotschaft einer 30 Minuten langen Rede, die Kamala Harris in Washington hielt und mit der die demokratische Präsidentschaftskandidatin den Schlussspurt im Wahlkampf einläutete.

Dabei überliess die amtierende Vizepräsidentin nichts dem Zufall. So garantierte der Austragungsort ihrer Rede — eine Parkanlage auf der Südseite des Weissen Hauses im Stadtzentrum — grosse Aufmerksamkeit.

An einem traumhaft schönen Herbstabend strömten tatsächlich Zehntausende von Schaulustigen zur «Ellipse», wie der Park formal heisst. Der Wahlkampfstab sprach von 75 000 Zuschauerinnen und Zuschauern, wobei die meisten Menschen die Rede ausserhalb des abgesperrten (und schwer bewachten) Parks mitverfolgen mussten.

Auch war die Bühne, auf der Harris ihr Schlussplädoyer hielt, perfekt ausgerichtet. Im Hintergrund war während ihrer Rede ständig das beleuchtete Weisse Hauses zu sehen, in dem sich auch das Oval Office befindet, das Arbeitszimmer des Präsidenten.

Am gleichen Ort hatte Donald Trump, der Kontrahent von Harris, am 6. Januar 2021 zu seinen enttäuschten und aufgebrachten Anhängerinnen und Anhängern gesprochen, nachdem er die Präsidentschaftswahl 2020 verloren hatte. Er rief sie damals dazu auf, mit ihm zum Capitol zu marschieren, um gegen die Beglaubigung der Wahlresultate zu demonstrieren. «Friedlich und patriotisch», aber halt auch zu allem entschlossen. Der Rest ist bekannt. Die Trump-Anhänger stürmten das Parlamentsgebäude, während der abgewählte Präsident vom Weissen Haus aus mehr oder weniger teilnahmslos zuschaute.

Harris nennt Trump einen «Möchtegern-Diktator»

Harris rief diesen dramatischen Tag in Erinnerung, weil sie einen Kontrast zu Trump herstellen wollte. Der Republikaner sei ein «kleiner Tyrann» und ein «Möchtegern-Diktator», der sich nicht für die Probleme des einfachen Volkes interessiere — sondern immer nur seine eigenen Interessen verfolge. Dies würde sich auch in einer zweiten, «noch chaotischeren» Amtszeit, nicht ändern. Sie aber, sagte Harris, sei eine Konsenspolitikerin, die daran interessiert sei, das Land voranzubringen.

Trump, sagte die Demokratin, würde nach seinem Wahlsieg den Fokus darauf legen, seine angeblichen politischen Feinde zu bestrafen. Sie hingegen würde damit beginnen, die Liste mit den zu erledigenden Problemen abzuarbeiten. Dabei werde sie auch vor heissen Eisen nicht zurückschrecken, deutete Harris an. So erwähnte sie explizit die Einwanderungspolitik, ein heikles Thema für die Demokraten.

Das war der eine Teil der Rede, in dem Harris in scharfen Worten klar machte, dass sie Distanz zum aggressiven Politstil ihres Widersachers schaffen wolle. Das Land habe eine neue Generation von Führungskräften verdient, sagte die Demokratin.

Den anderen Teil hingegen widmete sie — rhetorisch recht geschickt — der eigenen Person. So sprach Harris direkt an, dass sie vielen Amerikanerinnen und Amerikanern immer noch fremd ist, obwohl die 60-Jährige doch seit dreieinhalb Jahren als Vizepräsidentin amtiert.

Also nahm sie einen weiteren Anlauf, um sich der Nation vorzustellen. Sie sei eine Kämpferin, sagte Harris. Sie könne es nicht ausstehen, wenn Menschen schlecht behandelt oder schikaniert würden. Auch räumte die Demokratin offen ein, dass sie Fehler mache und «nicht perfekt» sei.

Diese Aussagen verband sie mit konkreten Versprechen. Harris kündigte an, für tiefere Nahrungsmittelpreise zu kämpfen und den Bau von neuen Wohnungen und Häusern anzukurbeln. Die Bürokratie müsse endlich reduziert werden. Sie versprach zudem Steuersenkungen für die Mittelklasse und kündigte höhere Abgaben für reiche Amerikaner an.

Auch dank der imposanten Kulisse war das eine gute Mischung, mit dem Harris vielleicht auch den einen oder anderen unentschlossen Wähler in einem politisch umkämpften Gliedstaat überzeugen konnte — sofern es eine Woche vor dem Wahltag solche Menschen überhaupt noch gibt.

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