Donnerstag, März 6

Der Kanton Neuenburg zahlt für eine neue Chip-Produktionslinie im Tech-Zentrum CSEM. Auch Genf und die Waadt unterstützen Firmen – und fordern eine schweizweite Debatte über Steuergeld als Fördermittel.

Die Kluft in der Schweiz wächst in Sachen Industriepolitik: Während die Deutschschweiz insbesondere direkte Subventionen für Firmen weitgehend ablehnt, befürworten Westschweizer Kantone staatliche Eingriffe in die Wirtschaft. In den vergangenen Tagen und Wochen haben drei Westschweizer Kantone entsprechende Investitionen angekündigt.

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Das jüngste Beispiel ist Genf: Die Wirtschaftsvorsteherin Delphine Bachmann (Mitte) stellte am Donnerstag einen «Leitplan für Innovation» vor. So baut Genf ein bestehendes Programm aus zu einem «kantonalen Innovationsfonds», der Kredite an Startups und KMU vergeben soll. Dafür sind bis 2027 insgesamt 8 Millionen Franken vorgesehen.

Am Montag hatte der Kanton Neuenburg mitgeteilt, dass er die Modernisierung einer Chip-Produktionslinie im Innovationszentrum CSEM mitfinanzieren werde. 3 Millionen Franken zahlt der Kanton, die restlichen rund 7 Millionen finanziert das CSEM aus Eigenmitteln und Stiftungsgeldern. Der zuständige Regierungsrat Alain Ribaux (FDP) spricht in Anlehnung an die milliardenschweren Subventionspakete in den USA und der EU – etwas augenzwinkernd – von einer «Chips Act» für Neuenburg.

Die Waadt zahlt direkte Subventionen

Bereits Mitte Februar hatte das Neuenburger Parlament einen «Industrialisierungsfonds» in Höhe von 25 Millionen Franken über fünf Jahre beschlossen. Firmen können zinslose Kredite erhalten, um ihre Maschinen zu modernisieren. Das Programm folgt auf den 2019 lancierten «Impulsfonds», der 7 Millionen Franken kleiner ist.

Die Waadt schliesslich reaktivierte im Dezember erstmals seit der Pandemie ihren «Industrie-Unterstützungsfonds», der von allen Beispielen am weitesten geht: Die Wirtschaftsvorsteherin Isabelle Moret (FDP) will Firmen insgesamt 23 Millionen Franken an direkten Subventionen zahlen, um etwa den Kauf neuer Produktionsmaschinen zu fördern. So will die Waadt den Anstieg der Kurzarbeit bekämpfen und Industriebetriebe fit machen für den weltweiten Wettbewerb.

Die spinnen, die Romands? Das sehen die Betroffenen natürlich anders. Ja, in der Schweiz sei «eine Politik der Unterstützung für die Industrie» ein grosses Tabu, sagte die Genfer Wirtschaftsvorsteherin Bachmann am Donnerstag vor Journalisten. Sie betonte, dass eine solche Politik nicht automatisch Subventionen bedeute. Die gewählten Instrumente seien «sehr unterschiedlich», sagte Bachmann und verwies auf die Direktsubventionen der Waadt.

Die Grossen verzerren den Wettbewerb

Bachmann und ihre Kollegen in der Waadt und in Neuenburg halten eine Industriepolitik für nötig. Die Begründungen dafür ähneln sich, ein Argument nennen die Romands immer wieder: Die Subventionspakete in den USA, der EU und China würden den Wettbewerb verzerren und Schweizer Firmen schaden.

Der Neuenburger Fall mit den Chips ist dafür ein Paradebeispiel. Das Innovationszentrum CSEM produziert sogenannte Mems-Chips, die etwa Bewegungen von Handys messen. Bis jetzt stanzt das CSEM die Chips aus Scheiben (Wafern) von 15 Zentimetern Durchmesser. Diese Technologie wird jedoch zunehmend obsolet, der neue Standard sind grössere Wafer mit 20 Zentimetern Durchmesser, mit denen sich mehr Chips produzieren lassen.

Das CSEM beliefert nach Angaben seines CEO Alexandre Pauchard rund fünfzig Kunden mit Chips. Zwei Drittel davon sässen in der Schweiz. Sie nutzten die Chips für Prototypen und Kleinserien, bevor sie gegebenenfalls grössere Mengen von Chip-Fabriken fertigen liessen, sagt Pauchard im Gespräch. Von vornherein zu den grossen Chip-Fabriken könnten diese Kunden kaum gehen, sagt Pauchard weiter. Dazu seien ihre Stückzahlen zu gering.

Die Stärke des CSEM ist laut Pauchard die Vielfalt der angebotenen Chips. So stelle das Zentrum etwa Chips aus besonders wärmeresistenten Materialien wie Siliziumkarbid her, die grosse Fabriken nicht unbedingt im Angebot hätten.

Die Konkurrenten – und auch Partner – des CSEM sind somit andere Institute für Technologietransfer, etwa die Fraunhofer-Gesellschaft in Deutschland oder Leti in Frankreich. Diese Institute modernisieren ebenfalls ihr Chip-Equipment – mit Geldern aus dem EU-Programm Digital Europe.

Forderungen an Bern

Was also tun? Für den Neuenburger Wirtschaftsminister Ribaux ist die Investition in die Produktionslinie des CSEM zwingend. Andernfalls würden die CSEM-Kunden sich im Ausland nach Alternativen umschauen.

Für Ribaux ist die Investition auch im Interesse der gesamten Schweiz. Bern könne etwa in Verhandlungen zu bilateralen Abkommen mit anderen Staaten geltend machen, dass die Schweiz mit ihren technologisch führenden Unternehmen ein wichtiger Akteur im Bereich der Mems-Chips sei.

Auch die Genfer Wirtschaftsvorsteherin Delphine Bachmann hat das gesamte Land im Blick, aber aus einem anderen Grund: Sie wünscht sich eine grundlegende Debatte darüber, wie die Schweiz auf die ausländischen Subventionspakete reagieren soll.

«Der Markt regelt das schon», heisse es laut Bachmann in der Schweiz oft. Dabei werde ignoriert, wie massiv die USA und Europa subventionierten. Umso besser sei es, wenn nun mehrere welsche Kantone gegensteuerten, sagte Bachmann am Donnerstag auf Nachfrage – und so die Deutschschweizer Kollegen zum Nachdenken anregen.

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