Der Voyah Free von Dongfeng soll die Konkurrenz von BMW iX und Mercedes EQE SUV aufmischen. Der NZZ-Test zeigt: Noch fehlen ihm die Alleinstellungsmerkmale dazu.
Eine Automarke namens Voyah? Davon haben die meisten Menschen in Europa noch nie gehört. Doch seit Herbst 2023 ist der Hersteller in der Schweiz aktiv und hat bereits erste Fahrzeuge ausgeliefert. Es handelt sich dabei um eine Luxusmarke des chinesischen Autokonzerns Dongfeng Motor Corporation mit Sitz in Wuhan südwestlich von Schanghai.
Mit dem Einstieg in den europäischen Elektroautomarkt riskiert Dongfeng viel. Voyah soll auf Anhieb mit anderen Premiummarken wie Audi, BMW, Mercedes, Maserati, Range Rover, Genesis, Cadillac und Lexus auf Augenhöhe operieren. Begonnen hat der Europastart 2022 mit der Lancierung des mittelgrossen Elektro-SUV Free, zunächst im norwegischen Markt. Mittlerweile gibt es auch in der Schweiz verschiedene Vertriebspartner.
Der für den Test zur Verfügung gestellte Voyah Free ist ein Allradmodell, die einzige in der Schweiz verfügbare Antriebsvariante. Der Wagen erinnert vom Design her an den Maserati Levante, vor allem mit seinem auffälligen Grill. Die Gestaltung der Fahrzeugseiten kommt ohne Kanten oder Vertiefungen aus, was dem gegenwärtigen Trend des Autodesigns in Europa entspricht.
Der Testwagen wurde in der Basis-Ausstattungsstufe Design geliefert, die ab 69 990 Franken erhältlich ist. Enthalten war als einzige Option die Ausrüstung mit Winterrädern (2990 Franken), sonst aber ist das Basismodell bereits reichlich ausgestattet.
Interieur
Die für den Innenraum verwendeten Materialien wirken angenehm, die Sitze auch für längere Reisen bequem. Der Armaturenträger verfügt über drei gleich grosse Touchscreens. Allerdings ist die Bedienung des Infotainmentsystems nicht immer intuitiv. Käufer eines Voyah Free werden sich aber rasch daran gewöhnen.
Sonst aber entsprechen Ergonomie und Bedienbarkeit einem guten Standard, wenn man davon absieht, dass ein klassenübliches Head-up-Display, eine Lenkradheizung und eine Intervallschaltung für den Heckscheibenwischer fehlen. Auf den hinteren Plätzen gibt es genügend Kopf- und Beinfreiheit für Erwachsene. Für ein gutes Raumgefühl sorgt zudem ein grosszügig bemessenes Glaspanoramadach, das sich auf Knopfdruck abdunkeln lässt. Der Kofferraum ist mit nominal 500 Litern Fassungsvermögen für die Klasse gross genug, der Mercedes EQE SUV bietet allerdings 20 Liter mehr.
Set-up
Bei der Fahrwerkskonstruktion und -abstimmung bewegt sich der Voyah Free in der Premiumliga. Die hintere Mehrlenkerachse arbeitet ruckelfrei, die serienmässig adaptive Luftfederung sorgt für nur geringe Seitenneigung.
Erfreulich ist auch die angenehme Lenkung, die ausreichend direkt arbeitet und jederzeit eine gute Rückmeldung von der Fahrbahn liefert. Zur Wahl stehen die sechs Fahrprogramme Eco, Komfort, Performance, Off-Road, Schnee und Individual, die eine ausreichende Spreizung der Abstimmungsunterschiede liefern. So sollte moderner Fahrzeugbau sein.
Antrieb
Die beiden Elektromotoren sorgen für besonders gute Traktion und eine hohe Spurtreue. Dies auch aufgrund der höheren Drehmomente an den Hinterrädern, die eine sportliche Fahrweise in Kurven ermöglichen.
Dank einer hohen Leistung von 360 kW sorgt der Free für ausgezeichnete Beschleunigungswerte. Dies ist aufgrund der schweren Batterie nicht selbstverständlich. Selbst kurze Zwischensprints erledigt der Wagen so, wie man es von einem elektrischen SUV der oberen Mittelklasse erwarten würde.
Ökonomie
Aus einer 100-kWh-Batterie nicht mehr als 500 Kilometer Reichweite zu holen, ist aus heutiger Sicht eher durchschnittlich. Der Grund dürfte weniger in einer mangelhaften Aerodynamik als vielmehr in der Fokussierung des Herstellers auf möglichst sportliche Fahrleistungen zu finden sein.
Wir verbrauchten im Test bei moderater Fahrt mit hohem Stadtverkehrsanteil im Schnitt 23,1 Kilowattstunden je 100 Kilometer. Das sind gut 14 Prozent mehr als vom Werk angegeben. Damit liegt das elektrische SUV aus China im Bereich der Testwerte bei den Konkurrenten deutscher Hersteller.
Bei den Ladegeschwindigkeiten hinkt der Voyah Free allerdings etwas hinter der Konkurrenz her. Im Wechselstromnetz lädt die Batterie maximal mit 11 kW, was eine Aufladezeit von 20 auf 100 Prozent in rund 12 Stunden ergibt. Und an der Schnellladesäule beträgt die Ladeleistung maximal 100 kW, das ist eindeutig zu wenig im Premiumsegment. Das Aufladen am Schnelllader mit Gleichstrom von 10 auf 80 Prozent dauert mindestens 45 Minuten. Ein Mercedes-AMG EQE SUV 43 mit vergleichbaren Fahrleistungen erledigt dies in einer halben Stunde.
Fazit
Der Voyah Free beeindruckt durch sein gelungenes Design, die hohe Verarbeitungsqualität und den hohen Komfort auf allen Plätzen, selbst bei sportlicher Fahrt. Das Fahrwerk ist das Highlight im Gesamtpaket, die noch nicht besonders grosse Funktionalität ein Minuspunkt. Noch ist das E-SUV mit knapp 70 000 Franken für dieses Segment relativ preiswert, doch das allein dürfte die Kunden noch nicht zum Kauf eines Fahrzeugs eines recht unbekannten China-Herstellers bewegen. Der Voyah Free dürfte es auf dem Schweizer Markt nicht leicht haben.
Immerhin gibt es zwei gute Nachrichten von Voyah: Trotz der Einführung einer höheren Mehrwertsteuer und einer Importsteuer für Elektroautos (4 Prozent) sollen die Preise stabil bleiben. Und als Argument für den Kauf des grossen Unbekannten dienen die Garantieleistungen – fünf Jahre aufs Fahrzeug, acht Jahre auf die Batterie.