Der Leiter der Filiale soll grundlos entlassen worden sein, hiess es Anfang Woche. Sein Team solidarisierte sich mit ihm. Am Freitag hätte der Konflikt eskalieren können.

Es dürfte selten vorkommen, dass Wädenswil in der grössten Zeitung Deutschlands für Schlagzeilen sorgt. Doch am vergangenen Dienstag passierte genau das: «Bild» berichtete darüber, dass das Personal der Lidl-Filiale in der Stadt am Zürichsee vorhabe, die Arbeit niederzulegen. «Filialleiter soll versetzt werden: Personal streikt für Supermarkt-Chef», titelte das Blatt in seiner Online-Ausgabe.

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Der «Blick» war schneller. Er hatte bereits am Montag davon erfahren. «Über 30 Verkäuferinnen streiken für ihren Chef», liess das Ringier-Medium seine Leser wissen. Der Boulevard hatte einen weiteren Skandal entdeckt, dieses Mal im Lokalen. So schien es zumindest. Der «Blick» verkündete: «Die Aufregung ist gross rund um den Lidl in Wädenswil ZH! Ab Freitag bleibt der Laden zu.»

Eine seltsame Vorstellung.

Ein roter Zettel und die Folgen

Aber zu diesem Zeitpunkt deuteten die verfügbaren Informationen darauf hin, dass der Laden der deutschen Discounter-Kette am Freitag tatsächlich geschlossen bleiben könnte. Eine Leserreporterin hatte dem «Blick» ein Foto von der Eingangstüre der Filiale zukommen lassen. Auf dieser prangte ein rotes Blatt Papier, und darauf stand von Hand geschrieben: «Achtung! Ab Freitag bleibt unsere Filiale geschlossen auf unbestimmte Zeit! Grund ist, dass unserem Filialleiter ohne Grund gekündigt wurde.»

In Umlauf gebracht hatte den Zettel ein Mitglied einer Facebook-Gruppe, die sich Wädenswil Forever nennt. Dort wurde die anonyme Ankündigung an der Glastür ebenfalls gepostet.

Dann nahm die Geschichte ihren Lauf. Eine Stammkundin meldet sich beim «Blick» und berichtet, dass der Filialleiter eine Versetzung nicht akzeptiert habe und deswegen einfach entlassen worden sei. Die Stimmung im Laden sei schlecht. Eine Kassiererin habe geweint, als sie mir ihr gesprochen habe.

In der Wädenswiler Facebook-Gruppe gehen die Emotionen ebenfalls hoch. Der Filialleiter habe immer sein Bestes gegeben, kommentiert eine Frau, die nach eigenen Angaben einst selber in der Lidl-Filiale gearbeitet hat. Eine andere Nutzerin schreibt: «Bester Laden, bestes Team.» Eine weitere: «Dass sich sein Team so für ihn einsetzt, spricht absolut für ihn.» In der Zürichsee-Ausgabe der Tamedia-Zeitungen wurde das Thema zur Titelstory.

Und alle fragen sich: Bleibt die Lidl-Filiale wirklich geschlossen, da die Angestellten für ihren Chef in Streik treten wollen?

«Der Filialleiter ist nicht entlassen worden»

Ein Augenschein in Wädenswil am Freitagmorgen um kurz vor halb acht Uhr zeigt: nein. Der Zettel am Eingang ist verschwunden, die ersten Kunden des Tages stehen bereits mit Einkaufswägelchen bereit. Der Laden öffnet pünktlich, wie jeden Tag. Eine Handvoll Journalisten ist ebenfalls vor Ort, ebenso ein Mediensprecher, eine Mediensprecherin und ein Compliance-Mitarbeiter von Lidl Schweiz. Die Tamedia-Zeitungen hatten am Mittwoch darüber berichtet, dass der Filialleiter einen anderen Lidl-Standort hätte übernehmen sollen. Als er dies ausgeschlagen habe, sei er offenbar entlassen worden, schrieb Tamedia. Der Artikel beruft sich auf Schilderungen von «eingeweihten» Personen.

Lidl Schweiz widerspricht dieser Darstellung. Mathias Kaufmann, der Mediensprecher des Konzerns, sagt: «Der Filialleiter ist nicht entlassen worden.» Lidl habe dem Filialleiter unter anderem offeriert, einen Laden zu führen, der näher an dessen Wohnort liege. «Solche Verschiebungen kommen immer wieder vor.» Man sei in Gesprächen. Und man sei zuversichtlich, eine gute Lösung für alle zu finden. Ob damit auch eine gute Lösung für den Filialleiter gemeint sei, konnte Kaufmann auf Nachfrage nicht bestätigen.

Ende gut, alles gut?

Weitere Fragen der Journalisten konnte der Lidl-Sprecher ebenfalls nicht beantworten. Auch zu den Gründen einer allfälligen Versetzung konnte Kaufmann nichts sagen. Die Pflichten als Arbeitgeber brächten es mit sich, dass Lidl keine weiteren Details kommunizieren könne. Nur so viel: Der Filialleiter sei vor Ort, er sei nicht freigestellt. Und: «Alle weiteren Angestellten sind ebenfalls zur Arbeit erschienen.»

Die meisten Lidl-Kunden in Wädenswil nehmen es gelassen. Aber sie äussern auch Kritik. Eine Dame sagt ins Mikrofon eines Video-Journalisten, dass sie sich bereits überlegt habe, Lidl zu boykottieren. Dann geht sie trotzdem einkaufen in dem Discounter. Eine andere Kundin meint, sie wäre nicht böse gewesen, wenn die Angestellten am Freitag tatsächlich gestreikt hätten.

Eine Mitarbeiterin im Laden sagt: «Wir sind zufrieden und im Dialog», bevor sie von der Mediensprecherin abgeschirmt wird. Gegenüber Tamedia hatte eine andere Verkäuferin Anfang Woche gesagt: «Wir sind sehr traurig, dass er gehen muss.» Der Filialleiter selber durfte am Freitag nichts sagen zu den Journalisten.

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