Donnerstag, Oktober 31

Die zehnte Ausgabe des Filmfestivals steht im Zeichen des Konflikts: Ein Filmverleiher boykottiert das «Yesh!». Zudem gibt es Sicherheitsvorkehrungen von nie gekanntem Ausmass.

Am 7. November startet in Zürich die zehnte Ausgabe des jüdischen Filmfestivals «Yesh!». Dies mit einer Deutschschweizer Premiere und einer grossen Party. Doch vom Jubiläum einmal abgesehen, dürfte es während der acht Festivaltage nur wenig zu feiern geben. Der Terroranschlag der Hamas auf israelische Bürger am 7. Oktober 2023 hat das jüdische Leben von Grund auf verändert – auch in Zürich, weit entfernt von den grossen Konfliktherden.

Michel Rappaport, der Festivaldirektor, erinnert sich noch genau an die schrecklichen Nachrichten vom vergangenen Jahr: «Die Meldungen des Attentats haben mich erschüttert. Und sie haben mir auch im Hinblick auf das Festival den Mumm genommen.»

Doch wie mit diesem Angriff auf die jüdische Gemeinschaft umgehen? Wie die Sprachlosigkeit überwinden? Das «Yesh!» steht seit seinen Anfängen für kulturellen Austausch und gelebte Vielfalt. Es wolle «vermitteln und verbinden», so Rappaport. Neben jüdischem Filmschaffen hat auch solches von Regisseurinnen und Regisseuren mit arabischem Hintergrund seinen Platz im Programm. Man habe sich stets für den Dialog eingesetzt.

Im vergangenen Herbst aber sah es auf einmal so aus, als sei der interkulturelle Austausch gescheitert – so, als hätte die rohe Gewalt obsiegt. Rappaport und seine Mitorganisatoren kamen ins Grübeln.

Ein Affront, mit dem das Festival nicht gerechnet hat

Erst nach und nach sei im Organisationskomitee die Entschlossenheit gewachsen. «Uns wurde klar, dass wir uns nicht verstecken dürfen. Wir haben einander Mut zugeredet und gesagt: Wenn wir uns für den Dialog starkmachen wollen, dann erst recht in diesen Zeiten.»

Dass das «Yesh!» nun auch in diesem Jahr stattfindet, ist also schon für sich genommen eine hoffnungsvolle Botschaft: Während im nahen Osten der Krieg um sich greift, sollen in Zürich Palästinenser neben Menschen mit jüdischem Hintergrund im Kino sitzen und zeigen, dass ein friedliches Miteinander weiterhin möglich ist.

Das ist ein hochgestecktes Ziel – und eines, zu dem offenbar nicht alle ihren Beitrag leisten wollen. So verhinderte ein Verleiher, dass der Dokumentarfilm «Bye, Bye Tiberias» von Lina Soualem in Zürich gezeigt wird. Michel Rappaport sagt, dass er den Film über eine palästinensische Familie schon im Frühjahr gesehen und für sein Programm ausgewählt habe. Doch dann habe sich die französisch-schweizerische Firma, die den Film hierzulande vertreibt, geweigert, den Film für einen dezidiert jüdischen Kontext freizugeben.

Für Rappaport war das ein Affront, mit dem er nicht gerechnet habe: «Es ist ein schöner und sehr persönlicher Film. Dass der Verleih nicht mit uns zusammenarbeiten wollte, halte ich für eine extreme Entscheidung», sagt er.

Welche Gründe den Verleih zu seiner Entscheidung bewogen haben, ist nicht bekannt. Eine Anfrage der NZZ liess das Unternehmen am Donnerstag unbeantwortet. Rappaport vermutet, dass der Verleih einen Konflikt mit den Produzenten des Films habe vermeiden wollen, die teilweise aus Katar und Saudiarabien stammten.

Es gibt auch eine «Antithese» zum Boykott

Es sei das erste Mal in zehn Jahren, dass ein Film aus politischen Gründen nicht gezeigt werden könne. Und: Wenn sich die Situation im Nahen Osten nicht entspannt, dürften sich diese Fälle in Zukunft häufen, sagt Rappaport.

Pessimistisch werden wolle er deswegen aber nicht. In den meisten Fällen funktioniere die Zusammenarbeit zwischen dem jüdischen Filmfestival und arabischen Produzenten weiterhin gut. Als Beispiel dafür nennt er den diesjährigen Eröffnungsfilm. «No Other Land» des israelisch-palästinensischen Regieteams um Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham und Rachel Szor beschäftigt sich unter anderem mit der Gewalt von extremistischen israelischen Siedlern gegenüber Palästinensern.

Für Rappaport ist dieser Film die «Antithese» zum Boykott und steht emblematisch für die Bemühungen des Festivals. Dass Israeli und Palästinenser gemeinsam einen Film machen, den sich Israeli und Palästinenser gemeinsam ansehen – dieser Gedanke stimme zuversichtlich.

Und diese Hoffnung braucht es: Das Sicherheitsdispositiv im Rahmen des Festivals ist in diesem Jahr so gross wie noch nie.

Das Filmfestival «Yesh!» beginnt am 7. und dauert bis zum 14. November. Die Filme werden in den Zürcher Kinos Riffraff und Houdini gezeigt. Am 10. November widmet sich ein Podiumsgespräch dem Thema «Film und Konflikt». Der Vorverkauf läuft bereits.

Exit mobile version