Montag, Oktober 21

Wer trägt die Verantwortung für die dunkelste Stunde der Schweizer Bankengeschichte? Die Finma habe nicht «aus dem Vollen schöpfen» können, meint Marlene Amstad. Sie fordert Gesetzesänderungen.

Mehr als zwei Jahre vor dem Ende der Credit Suisse machte ihr die grösste Konkurrentin, die UBS, ein Übernahmeangebot. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es nicht besonders gut um die Bank stand. Hätte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht schon damals tätig werden sollen?

Die Finma-Präsidentin Marlene Amstad stellt in «NZZ Standpunkte» klar: «Diese Bank gehörte nicht dem Staat, nicht der Finma, nicht irgendeiner anderen Behörde, sie hatte private Eigentümer.» Für die Strategie und die Auswahl des Managements sei der Verwaltungsrat zuständig gewesen. Und die Finma dürfe nicht an dessen Stelle treten. Sie sei schliesslich «keine Kaskoversicherung für die Bankmanager und für Verwaltungsräte».

Tatsächlich habe aber auch die Finma frühzeitig erkannt, dass es bei der CS Probleme gegeben habe, und sie habe «sehr stark eingegriffen, über lange Jahre hinweg». Stets im Rahmen dessen, was ihr erlaubt gewesen sei, etwa in Form von Rügen und Strafanzeigen. «Man hat hier sicherlich die bestehenden Werkzeuge genutzt», so Amstads Fazit.

Gleichzeitig räumt Amstad ein, dass die Finma den Ermessensspielraum, den der Gesetzesrahmen ihr geboten habe, vielleicht noch weiter hätte ausnutzen können. Man habe dazugelernt und würde heute «nicht alles einfach genau so wiederholen». Letztlich sei dies aber unerheblich. Denn der Untergang der CS habe vor allem eines gezeigt: Die gültigen gesetzlichen Grundlagen reichten nicht aus, um einer solchen Krise gerecht zu werden.

Amstad fordert Senior-Manager-Regime auch für die Schweiz

Kurzum: Es müsse nun ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, wie er auch im Ausland Standard sei. So dass die Finma künftig «aus dem Freien schöpfen» könne, so wie dies den Aufsichtsbehörden etwa in den USA, in Europa und den meisten asiatischen Länder möglich sei.

Es gebe zum Beispiel immer noch zu wenige Möglichkeiten, Bankmanager für ihre Entscheidungen verantwortlich zu machen, so dass diese gegebenenfalls persönliche Konsequenzen spürten. «Wir können heute nur eingreifen, wenn wir einen direkten kausalen Bezug zu einer Rechtsregelverletzung herstellen können. Wir müssen zeigen, dass eine Person direkt involviert ist.»

Mit dem sogenannten Senior-Manager-Regime würde sich genau das ändern – und zwar nicht nur für zwei oder drei Personen, sondern für das gesamte Topmanagement einer Bank, «im Falle einer Credit Suisse vielleicht rund 600 Personen», sagt Amstad. Konkret würde dies so aussehen, dass das Organigramm einer Bank in eine juristisch verbindliche Form gegossen würde. Wenn dann auf einer bestimmten Ebene dieser Bank etwas passierte, stünde der Verantwortliche zum Voraus fest. «Und dieser Bankmanager muss das jedes Jahr unterschreiben: dass er oder sie sich bewusst ist über die entsprechende Zuständigkeit.»

«Ich würde heute früher an die Öffentlichkeit treten»

In anderen Staaten würden solche Modelle bereits angewandt, erklärt Amstad. Und es gebe weitere Werkzeuge, die sich bewährt hätten. Finma-intern sei das bekannt gewesen, lange vor der CS-Krise. «Wenn ich persönlich mir im Nachhinein eines sage, was ich jetzt anders machen würde: Ich würde heute früher an die Öffentlichkeit treten und sagen, dass wir entsprechende Werkzeuge benötigen.»

Umsetzen allerdings müsste dies die Politik. «Was uns erlaubt ist und wie unser Werkzeugkasten aussieht, das bestimmt das Parlament», sagt Amstad. Eindeutige Legitimation sei für massive Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit von Instituten aber unabdingbar, bis hin zum Entzug ihrer Lizenz. «Das ist sozusagen der Hammer in diesem Werkzeugkasten.»

Allerdings sei eine «Schattierung von Möglichkeiten» notwendig, «neue Instrumente, die frühzeitig erlauben, schon die gefährlicheren Geschäftsstrategien teurer zu machen. Bevor man dann wirklich zum Hammer greifen muss.»

«Wir wären bereit gewesen für eine Sanierung»

Im Übrigen habe die Finma auch im Fall der Credit Suisse anderen Optionen offen gegenübergestanden. «Wir haben immer an einem Set von Optionen gearbeitet», sagt Amstad. «Die Lösung bestand jetzt in dieser Fusion. Wenn das – aus welchen Gründen auch immer – nicht zustande gekommen wäre, dann wären wir bereit gewesen für eine Sanierung.»

Man sei juristisch darauf vorbereitet gewesen. Bereits im November 2022, nach dem massiven Bank-Run, habe die Finma die Sanierung geübt, gemeinsam mit allen involvierten Behörden. «Aber das ist kein Zahnarztbesuch. Das ist mehr eine Herzoperation.» Die Fusion sei letztlich die klar bessere Lösung gewesen, «weil wir dort schlicht und einfach kleinere Risiken hatten».

Schon dadurch, dass eine Sanierung vorbereitet gewesen sei, habe die Finma im entscheidenden Moment Einfluss nehmen können auf die Führung der CS. «Man hat ihr eine glaubhafte andere Option vor Augen geführt», sagt Amstad. «Und das hat dazu geführt, dass sie doch noch in die Fusion mit der UBS eingewilligt hat, die sie zwei Jahre zuvor strikt abgelehnt hatte.»

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