Freitag, November 22

In Kenya ist das Auto ein Statussymbol. Das zeigt man gerne – neuerdings in besonderen Bars.

Das Café ist hip. Der Soundtrack: ein Geräusch von Hochdruckreinigern und spritzendem Wasser. Die Klientel: schicke Kenyaner in Anzug und Krawatte. Ein warmer Morgen im Café Geco in einem wohlhabenden, zentralen Viertel der Hauptstadt Nairobi. Mark Ngugi, 40 Jahre alt, geniesst an einem Hochtisch sein Frühstück und beobachtet, wie sein Nissan X-Trail blitzsauber geschrubbt wird.

Ngugi, wochentags Buchhalter, am Wochenende orthodoxer Priester, lässt hier zweimal die Woche sein Auto waschen. Nachdem er am Wochenende über Schotterwege zu seiner Kirchgemeinde auf dem Land gebraust ist, muss der Nissan am Montagmorgen bürofein gemacht werden. Am Ende der Woche muss der Wagen noch einmal in die Waschanlage, um vor den Gläubigen einen guten Eindruck zu machen. Doch für Mark Ngugi geht es um mehr als ein blitzblankes Gefährt. Er sagt: «Während mein Auto gewaschen wird, nehme ich mir immer Zeit für mich. Es ist ein guter Ort, um zu sein.»

Das «Geco» ist Café, Bar und Autowaschanlage gleichzeitig. Tagsüber trinken Mittelklasse-Kenyaner und Expats einen Latte mit Freunden, während ihr Toyota Prado nebenan auf Vordermann gebracht wird, abends kommen sie für Live-Musik und einen Cocktail in das angesagte Lokal. Das «Geco» ist eine Institution – und Vorreiter. Inzwischen eröffnen überall in der boomenden kenyanischen Hauptstadt neue Autowasch-Bars. Sie sind ein Symptom des gesellschaftlichen Wandels.

Kenya hat trotz Schocks wie der Corona-Pandemie, politischen Achterbahnfahrten und zeitweise hohen Lebenskosten eine stark wachsende Wirtschaft. Dadurch ist auch die Mittelschicht in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen. Das kann man vor allem an einem sehen: den Autos auf den Strassen.

Unterhaltung für die Mittelschicht

Wurden 2002 noch 33 000 und zehn Jahre später 173 000 neue Fahrzeuge in Kenya registriert, waren es 2022 bereits um die 235 000. Beneah Mutsotso, Professor für urbane Soziologie an der Universität von Nairobi, sagt: «In Kenya ist der Besitz eines Autos ein Statussymbol.» Viele Einwohner der Hauptstadt sind aus ländlichen Regionen zugezogen, wo nur wenige ein Fahrzeug besitzen. Daher gelte für die Stadtbewohner: «Du kannst alles Geld haben, alle Häuser, aber wenn du kein Auto hast, hast du es noch nicht geschafft.»

Den Autos folgen die Autowaschanlagen. Lange bestanden sie aus ein paar Männern mit Eimern und Schwämmen, die die Fahrzeuge am Strassenrand für 200 Shilling (etwa 1 Franken 40) putzten. Waren sie bis vor wenigen Jahren noch an abgelegene Orte verbannt, finden sich die Anlagen heute auch in wohlhabenden Gegenden wieder.

Ibrahim Shisia und Patrick Sabula leiten zusammen mit Kollegen einen solchen informellen Betrieb an einer wichtigen Verkehrsader in Nairobi. Als sie vor sechs Jahren anfingen, konnten sie nur ein Auto auf einmal putzen, nun finden fünfzehn Wagen gleichzeitig bei ihnen Platz. Die meisten ihrer Kunden seien App-Taxifahrer, sagt Sabula. «Das Auto ist ihr Büro, und du kannst nicht in einem dreckigen Büro sitzen.»

Aus einer Rinne fliesst Wasser, das für das Geschäft aus einem nahe gelegenen Sumpf abgeschöpft wird. Daneben stehen Stühle und Tische, darüber eine einfache Überdachung. In diesem Kibandaski – eine Wortschöpfung aus Kibanda, einem einfachen Strassenrestaurant, und dem Hotel Kempinski – werden kenyanische Gerichte wie Sukuma Wiki und Ugali serviert.

Die Waschanlagen sind auch ein sozialer Treffpunkt. «Hier sehe ich meine Freunde, hier esse ich gutes Essen, hier kriege ich mein Koffein», sagt der Uber-Fahrer Ian Thuo, der manchmal zweimal täglich in der Waschanlage einkehrt. In Nairobi mit seinen sechs Millionen Einwohnern ersetzen die Waschanlagen auch die fehlenden öffentlichen Plätze und Parks.

Mit ihrem steigenden verfügbaren Einkommen verlangt die wachsende Mittelschicht ein gehobeneres Angebot. Anstelle von Kibandaskis entstehen schicke Cafés und hippe Bars wie das «Geco» oder andere. Anstelle von Tee oder einfachem Bier werden Cappuccini und ganze Flaschen Brandy konsumiert. Und anstelle von kleinen Toyota Vitz oder Suzuki Wagon R rollen Toyota Prados oder Porsche Cayennes über den Parkplatz.

Der neue Lebensstil der Wohlhabenden in Nairobi

«Die Menschen lieben ihre Autos sehr, und noch wichtiger: Die Menschen lieben es, mit ihren Autos anzugeben», sagt Mateus Finato. Er gründete «Geco» vor sieben Jahren, um den Kunden der Waschanlage einen Kaffee beim Warten anzubieten. Heute lockt das Café mit seinem Ambiente und mit der Live-Musik. Es sei ein Upgrade der gängigen Autowaschstation, angepasst an den neuen Lebensstil der wohlhabenderen Menschen in Nairobi.

Viele kämen in den ersten Monaten, nachdem sie ein neues Auto gekauft hätten, ständig in die Waschanlage, sagt Finato. Und die wirklich Reichen kommen täglich. Der Soziologe Beneah Mutsotso sagt: «Die Menschen sind sich ihres eigenen sozialen Status bewusster und erwarten, dass andere das erkennen.»

Neben dem richtigen Publikum, dem guten Autoservice, leckerem Essen und einer sicheren Umgebung bieten die Lokale vor allem eins: Wohlgefühl. «Es geht mir nicht ums Auto, sondern um die soziale Interaktion», sagt Caroline, die abends mit einer Freundin und einem Glas Wein im «Geco» sitzt. Afrobeats und Reggae dröhnen aus den Lautsprechern, die Kundschaft sitzt an den aus alten Fahrrädern, Tuk-Tuks oder Vespas gebauten Tischen. Hier fühle sie sich wohl, weil sie ihresgleichen antreffe, sagt Caroline. In einer einfachen Waschanlage am Strassenrand wäre es für sie nicht komfortabel. Die sozialen Schichten mischen sich eben ungern.

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