Montag, November 18

In San Francisco haben sie die linke Bürgermeisterin, in Los Angeles den linken Bezirksstaatsanwalt abgewählt, auf Diebstahl stehen nun strengere Haftstrafen. Auch die Kalifornier wollen mehr Recht und Ordnung.

«California politics» ist ein Schimpfwort in republikanischen Kreisen, gemeint ist damit eine ausufernde Linkspolitik. Doch nach den diesjährigen Wahlen müssen die Republikaner den Ausdruck überdenken, denn auch der «Golden State» ist bei den Wahlen vergangene Woche bemerkenswert nach rechts gerückt.

Selbst in der San Francisco Bay Area gewann Trump dazu

Das zeichnet sich zum einen bei der Präsidentenwahl ab. Zwar siegte die Demokratin Kamala Harris in ihrem Heimatstaat klar, doch nach derzeitigem Stand – bis Dienstagabend waren 76 Prozent der Stimmzettel ausgezählt – unterstützten deutlich mehr Bezirke Donald Trump als noch 2020 und auch als 2016. Selbst in der liberalen San Francisco Bay Area konnte der Republikaner in allen neun Counties Stimmen dazugewinnen. Setzt sich der Trend fort, gewinnt Harris in ihrem Heimatstaat weniger deutlich, als es Biden 2020 und Clinton 2016 taten.

Auch auf lokaler wie gliedstaatlicher Ebene straften die Bürger linke Politiker ab und sprachen sich für strengere Ahndung von Straftaten aus. So nahmen die Bürger ein Kalifornien-weites Referendum namens «Proposition 36» mit deutlicher Mehrheit an, das härtere Strafmasse für Diebstahl und Drogenbesitz vorsieht.

Derzeit ist es so, dass viele Gemeinden in Kalifornien über offenen Drogenkonsum hinwegsehen, auch bei starken und tödlichen Substanzen wie Fentanyl und Heroin. Ladendiebstahl gilt seit einem Volksreferendum 2014 nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit, wenn das Diebesgut weniger als 950 Dollar wert ist. Das schafft Anreize: Viele Drogenabhängige finanzieren ihre Sucht als Hobbydiebe, aber auch organisierte Banden plünderten in den letzten Jahren systematisch Kaufhäuser. Die Zahl der Ladendiebstähle in Kalifornien stieg allein 2023 um fast 40 Prozent.

In der Folge schlossen Luxusboutiquen, aber auch Drogerieketten wie CVS und Walgreens Dutzende Filialen, und die Innenstädte verwaisten. Zudem gingen zahlreiche Geschäfte dazu über, «teure» Produkte hinter Glasscheiben wegzusperren. Kunden müssen inzwischen jedes Mal einen Mitarbeiter rufen, wenn sie in einer Drogerie ein Deodorant oder Zahnpasta kaufen wollen. Das ändert sich mit «Proposition 36»: Ladendiebstahl und Drogenbesitz werden nun wieder als Straftat geahndet, was mit härteren Mindeststrafmassen einhergeht.

Bei Kriminalität seien weniger die Statistiken als vielmehr die gefühlte Wahrnehmung entscheidend

Die Entwicklung ist besonders bemerkenswert im Vergleich zu vor vier Jahren, als im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste ein Linksruck durchs Land und auch durch Kalifornien ging. Zahlreiche Politiker hatten einen nachsichtigen Umgang bei gewaltfreien Straftaten versprochen. Nun spricht praktisch niemand mehr von «progressiver Strafverfolgung».

Die Stimmung sei dieses Jahr «sehr negativ im Hinblick darauf, in welche Richtung sich das Land, aber auch der Gliedstaat entwickelt», sagte Mark Baldassare, Vorsitzender der Denkfabrik Public Policy Institute of California. «Die Wähler sorgen sich sehr wegen der Wirtschaft, der Lebenshaltungskosten und der öffentlichen Sicherheit.» Speziell beim Thema Kriminalität komme es weniger auf die Statistiken und mehr auf die gefühlte Wahrnehmung an, sagt Baldassare. «Wir haben in unseren Umfragen gesehen, dass die Bürger sich mehr und mehr um die Sicherheit vor ihrer Haustür sorgten.»

Auch bei anderen Vorlagen zeigte sich der Rechtsruck: Die Wähler lehnten es ab, den kalifornischen Mindestlohn von 16 auf 18 Dollar anzuheben. Ebenso scheiterten eine Ausweitung von Mietpreisbremsen und ein Verbot, Gefängnisinsassen zur Arbeit zu zwingen. Gewerkschaften und progressive Gruppen hatten all diese Vorlagen unterstützt.

In mehreren Städten wählten Bürger Lokalpolitiker ab, die ihnen zu links erschienen: In Oakland und Los Angeles etwa müssen die Bezirksstaatsanwälte gehen, die als Verkörperung einer neuen Generation «progressiver Staatsanwälte» gegolten hatten und gelobt hatten, Polizisten statt Straftätern auf die Finger zu schauen. In Los Angeles ist der künftige Bezirksstaatsanwalt ein früherer Republikaner, der nun als Parteiloser kandidierte. Vor vier Jahren wäre es undenkbar erschienen, einen solchen Politiker zum «Top Cop» zu wählen.

In San Francisco wurde die seit 2018 amtierende Bürgermeisterin London Breed abgewählt, die 50-Jährige war die erste schwarze Frau in dem Amt. Viele Wähler gaben Breed die Schuld daran, dass die Innenstadt zunehmend von Drogensucht und Obdachlosigkeit gezeichnet ist. Zwar hatte Breed frühzeitig den Unmut der Wähler gespürt und angefangen, das Stadtzentrum von Zeltsiedlungen zu befreien. Doch die Bürger wollten einen Neuanfang: Breeds Nachfolger ist Daniel Lurie, ebenfalls ein Demokrat, aber ein politischer Neuling und Aussenseiter – er zählt zu den Erben des Levi-Strauss-Jeanskonzerns. Lurie versprach unter anderem «saubere und sichere Strassen für alle» – eine Perspektive, die vielen Bürgern bereits reichte.

Auch in Oakland muss die Bürgermeisterin nach nur zwei Jahren gehen, auch dort glaubt eine Mehrheit der Wähler angesichts ausufernder Verbrechensraten, dass die Dinge in der Stadt ausser Kontrolle geraten sind.

Interessant ist auch eine Entwicklung in der südkalifornischen Stadt Santa Ana. Acht von zehn Bürgern sind dort Latinos, die «New York Times» nannte die Stadt einmal «das Gesicht eines neuen Kaliforniens». Doch diese neuen Bewohner Kaliforniens sind politisch nicht so links, wie man gemeinhin glaubte. Eine Vorlage scheiterte nun, die es Personen ohne Staatsbürgerschaft erlaubt hätte, bei lokalen Wahlen mitzustimmen.

Entsprechende Möglichkeiten gibt es bereits in San Francisco, New York City, Washington DC und einigen Städten in Maryland und Vermont. Befürworter argumentieren, dass diese Bewohner in den Gemeinden lebten und dort Steuern zahlten und somit auch ein Mitspracherecht verdienten. In Santa Ana sah man das anders. Der Wahlausgang passe zu dem, was er in Umfragen in Latino-Gemeinden beobachte, sagt der Politologe Jon Gould gegenüber der Nachrichtenagentur AP. «Die Hispanics sind beim Thema Zuwanderung zunehmend konservativ.» Es ist eine Entwicklung, die sich landesweit in grosser Unterstützung der Latinos für Trump ausdrückte.

Kalifornien hatte jahrelang überfüllte Gefängnisse

Es wird sich zeigen, ob das Pendel in der Verbrechensbekämpfung in Kalifornien wieder ins andere Extrem ausschlägt. Der «Golden State» hatte seit den siebziger Jahren eine rigorose «Tough on crime»-Politik. Die «Three strikes»-Gesetze sahen strenge Mindeststrafmasse für Wiederholungstäter vor, die zu völlig überfüllten Gefängnissen geführt hatten.

Das Problem war derart ausgeufert, dass der Supreme Court 2011 Kalifornien aufforderte, die Zahl seiner Inhaftierten radikal zu reduzieren und seine Strafmasse zu senken. Die Folge dessen wiederum waren einige der Entwicklungen, die die Bürger in diesem Wahljahr revidiert haben.

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