Freitag, Januar 10

Rings um Los Angeles brennen Wälder, Häuser und ganze Stadtteile. Bei der Feuerbekämpfung spielen Löschflugzeuge und Helikopter nun eine entscheidende Rolle. Eine Typologie.

In den unzugänglichen Regionen der USA und Kanada sind Löschflugzeuge und Helikopter meist die einzige Chance, einen Brandherd einzudämmen und die Feuerwehren am Boden effektiv zu unterstützen. Welche Typen sind in Kalifornien im Einsatz und was zeichnet sie aus?

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Canadair 415

Die am häufigsten gebauten Löschflugzeuge sind die zweimotorigen Flugboote des Typs Canadair 215 T oder 415. Sie wurden fast 50 Jahre lang vom kanadischen Hersteller Bombardier hergestellt. Seit 2016 werden diese Spezialflugzeuge von Viking Air ebenfalls in Kanada produziert.

Diese in ihren Grundzügen bereits Ende der 1960er Jahre entwickelten Flugboote haben heute zwei Propellerturbinen. Die 415 hat als modernste Version, anders als die 215-T-Variante, vier statt zwei Löschtanks. Die Canadair 215T/415 ist zudem das einzige Flugzeug der westlichen Welt, das speziell für die Feuerbekämpfung aus der Luft konstruiert wurde. Durch ihr Amphibienfahrgestell kann sie sowohl auf Land als auch auf Wasser starten und landen.

Nach dem Abwurf von etwa 6000 Litern Wasserballast über dem Feuer setzt eine Canadair auf dem nächstmöglichen See oder im Meer auf und tankt Löschwasser. Dabei gleitet die Maschine auf dem Wasser vergleichbar einem Tragflächenboot.

Die Flüssigkeitsaufnahme dauert bei der Canadair nur zwölf Sekunden, ist aber anspruchsvoll für die Piloten. Ds Flugboot ist immer noch etwa 130 Kilometer in der Stunde schnell. Bei dieser Geschwindigkeit wird das Wasser durch eine Luke am Rumpf in die Löschtanks gepresst.

Air Tractor AT-802 Fire Boss

Das derzeit am meisten verwendete einmotorige Löschflugzeug ist die in den USA gebaute Air Tractor AT-802 Fire Boss. Sie ist ein Turboprop-Löschflugzeug, das auf Grundlage eines Agrarflugzeugs vom Hersteller Air Tractor entwickelt wurde.

Diese Einmotorige besitzt entweder ein normales Radfahrwerk oder aber Schwimmer mit einziehbaren Rädern. Sie kann in dieser Version sowohl von Land als auch von Wasser aus operieren und ist speziell zur Bekämpfung von Feuer aus der Luft entwickelt.

Die Fire Boss auf Schwimmern kann bereits auf einem kleineren See oder Fluss Löschwasser aufnehmen, während sie über die Wasseroberfläche gleitet. Dadurch muss nicht zeitraubend eigens auf einem Flugplatz zur Löschmittelaufnahme gelandet werden. Die Fire Boss ist deutlich wendiger und preiswerter als eine zweimotorige Canadair-Maschine. Sie kann aber mit 3000 Litern je Flug nur die Hälfte der Löschmittelmenge abwerfen. In der Fire Boss ist nur Platz für einen Piloten, während eine Canadair von zwei Piloten geflogen wird.

Lockheed Martin LM-100J Fire Herc

In den USA und Kanada sind nicht nur die Waldbrände grösser als in Europa, auch die eingesetzten Löschflugzeuge spielen in einer anderen Liga. Das gilt vor allem für die Lockheed-Martin Hercules.

Vor sechs Jahren hat der US-Hersteller eine spezielle Löschvariante seiner seit Jahrzehnten bewährten Hercules-Transportflugzeuge mit der Bezeichnung LM-100J Fire Herc vorgestellt. Diese viermotorige Turboprop-Maschine wird seit mehr als 60 Jahren produziert und ist in den Baureihen C-130 Hercules, Super Hercules und L-100 in rund 2500 Exemplaren im Einsatz. Es existieren auch mehrere nachträglich zum Löschflugzeug umgebaute Versionen.

Zwar wird die Hercules überwiegend als militärisches Transportflugzeug eingesetzt, es gibt aber auch eine zivile Variante. Um die zunehmende Zahl von Wald- und Buschbränden bekämpfen zu können, wurde die Fire-Herc-Version entwickelt. Die neue Maschine kann bei jedem Einsatzflug bis zu 20 000 Liter Löschmittel auf zweierlei Weise abwerfen. Entweder mit Hilfe der Schwerkraft oder durch ein Druckluft-System. Damit sind punktgenaue Einsätze über dem Brandherd möglich.

Turboprop-Maschinen wie die Hercules LM-100J können auf Gras, Schotter und anderen unbefestigten Pisten von weniger als 1000 Metern Länge aufsetzen und abheben. Dadurch können diese Flugzeuge näher am Brandherd und ohne Flugplatzanbindung operieren und die zeitraubenden An- oder Abflüge verkürzen.

Zudem ist die Fire Herc das weltweit einzige Flugzeug, das auch nachts löschen kann. Denn: Einsätze über Waldbränden werden immer im Sichtflug geflogen. Die Fire Herc hat daher verschiedene Multispektral-Sensoren sowie eine synthetische Darstellung des Geländes als sogenanntes Head-up-Display im Cockpit. Damit wissen die beiden Piloten computergeneriert, wo sie sind und wie das Terrain unter ihnen aussieht. Mit Hilfe dieser Darstellung können sie selbst nachts, in Wolken oder im Rauch nach Sichtflugregeln ihre Einsätze fliegen.

Umgerüstete Linienflugzeuge

Es gibt sogar noch grössere Löschflugzeuge als die Hercules LM-100J. So wurden auch zwei Boeing 747 Jumbo-Jet und andere ehemalige Airliner wie auch mehrere Dash-8-Propeller-Verkehrsflugzeuge in den USA zu Löschflugzeugen umgebaut.

Derartig modifizierte ehemalige Passagier- oder Frachtmaschinen haben zwei bedeutende Nachteile: Sie müssen konstruktionsbedingt deutlich schneller und auch höher über dem Brandherd fliegen als eine Turbopropeller-Maschine (kurz Turboprop). Dadurch ist ihre Zielgenauigkeit beim Löscheinsatz geringer und es verdunstet mehr Löschwasser über dem Feuer.

Der zweite Nachteil wiegt noch schwerer: Diese Lösch-Airliner benötigen immer die Infrastruktur eines Flughafens mit einer langen und betonierten Piste zum Starten und Landen. Dadurch erfordert jeder Flug eine deutlich längere Zeitspanne durch die meist grössere Distanz zum Einsatzgebiet als bei der Verwendung einer Turboprop.

Bei den verheerenden Waldbränden in Los Angeles kommen aber auch umgebaute betagte Propeller-Militärflugzeuge zum Einsatz. Ehemalige Bomber wie die zweimotorige Douglas Invader wurden in den 1960er Jahren zu Löschflugzeugen umgebaut und sind bis heute im Einsatz.

Chinook CH-47 Helitanker

Die markanten Helikopter des Typs Chinook CH-47 vom kanadischen Löschflug-Spezialisten Coulson Aviation sind ebenfalls über Los Angeles im Dauereinsatz. Der Lastenhubschrauber mit gleich zwei Rotoren kann eine für einen Helikopter grosse Löschwassermenge aufnehmen und zielgenauer als Flugzeuge in nur drei Sekunden exakt über dem Brandherd abwerfen. Sein Nachteil: Der Helikopter hat nur eine kurze Einsatzdauer und muss oft landen, um seine Löschtanks zu füllen.

Riskante Einsätze für Piloten

jse. Egal welches Löschflugzeug bei Waldbränden zum Einsatz kommt, das Risiko ist immer hoch. 2023 ist eine AT-802 Fire Boss aus noch unbekannten Gründen im Waldbrandeinsatz in Portugal abgestürzt. In der Türkei crashte vor mehr als zwei Jahren ein gechartertes russisches Löschflugzeug vom Typ Beriew 200 bei der Feuerbekämpfung. Und in Australien stürzte 2020 eine nachträglich zum Löschflugzeug umgebaute Lockheed Hercules ab. Bei diesen Unfällen kamen alle Crew-Mitglieder an Bord ums Leben. Beim Crash einer zum Löschflugzeug umgebauten Boeing 737 in Australien überlebten wie durch ein Wunder beide Piloten an Bord.

Warum sind diese Einsätze so gefährlich? Für Piloten sind Löschflüge, wie sie derzeit über Los Angeles stattfinden, sehr herausfordernd. So schütteln heftige Turbulenzen den Flugzeugführer in seiner Maschine durch, sobald er das Brandgebiet überfliegt. Die Sicht über dem Feuer ist durch Rauch und Qualm schlecht. Zudem herrschen in Kalifornien derzeit starke böige Winde. Dazu kommt eine hohe Anspannung über Stunden hinweg, die der Crew zu schaffen macht. Die Piloten steuern in den Löschflugzeugen und den Helikoptern rein nach Sicht und haben kaum Zeit zum Entspannen. Löscheinsätze werden manuell geflogen, also ohne Unterstützung eines Autopiloten. Nur so kann die Besatzung im Tiefflug das Löschmittel zielgenau abwerfen.

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