Sonntag, September 29

Nach dem Angriff des Mullah-Regimes auf Israel am Wochenende gibt es in der Bundesrepublik immer mehr Stimmen, die eine radikale Abkehr von der bisherigen Iran-Politik fordern. Doch die Beziehungen beider Staaten haben schon viele Höhen und Tiefen durchlebt.

Deutschland und Iran pflegen eine Beziehung wie ein älteres Paar: Es geht auf und ab, gute und schlechte Zeiten, aber beide haben sich stets die Treue gehalten. Spätestens seit dem Wochenende dürfte das nun endgültig vorbei sein. Nach dem iranischen Angriff mit Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen auf Israel mehreren sich die Stimmen in der deutschen Politik, die ein Ende der bisherigen Iran-Politik fordern.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth, forderte ein grundsätzliches Umdenken in der deutschen Iran-Politik. Der Iran sei die grösste Bedrohung im Nahen Osten, sagte der Sozialdemokrat. Bijan Djir-Sarai, Generalsekretär der FDP, schrieb auf X (vormals Twitter), es sei Zeit für eine andere EU-Strategie gegenüber dem Iran. Die Revolutionsgarde, der militärische Arm des Revolutionsführers Ayatollah Ali Khamenei, müsste endlich als Terrororganisation eingestuft werden.

Aus dem von den Grünen geführten Aussenministerium in Berlin heisst es jedoch, dies sei nicht ohne weiteres möglich. Es bestünden sanktionsrechtliche Hürden, die Anforderungen für eine entsprechende Einstufung seien bisher nicht gänzlich erfüllt.

Es ist jedoch der bayrische Ministerpräsident Markus Söder von den Christlichsozialen, der in seiner Reaktion auf den iranischen Angriff auf einen Hauptaspekt der bisherigen deutschen Iran-Politik abhob. Es sei jetzt zwingend notwendig, darüber zu diskutieren, wie dem Iran Einhalt geboten werden könne, sagte Söder. Dies gehe nur mit einer völlig anderen Wirtschafts- und Handelspolitik, die künftig auf Sanktionen ausgelegt sein müsse. Dies sei das Gebot der Stunde.

Deutschland als zeitweilig wichtigster Wirtschaftspartner

Deutschland und Iran pflegen seit Jahrzehnten enge wirtschaftliche Beziehungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte Deutschland eine wichtige Rolle bei der Industrialisierung des Landes. In den siebziger Jahren entwickelte sich die Bundesrepublik zum wichtigsten Wirtschaftspartner Irans. Maschinen «made in Germany» geniessen bis heute einen exzellenten Ruf in Iran. Das politische Verhältnis damals war trotz den massiven Menschenrechtsverletzungen unter dem Schah-Regime weitgehend ungetrübt, zumal die USA und Iran zu jener Zeit enge Verbündete waren.

Das änderte sich mit der Revolution gegen Schah Reza Pahlavi 1979, als Ayatollah Khomeini eine islamische Republik mit klar antiwestlicher Ausrichtung formte. Doch selbst nach der Geiselnahme durch iranische Studenten in der amerikanischen Botschaft in Teheran im November 1979 und dem gescheiterten Befreiungsversuch des amerikanischen Militärs im April 1980 bemühte sich die deutsche Regierung in Bonn, die diplomatischen Kanäle offen zu halten und die wirtschaftlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten.

Viele Jahre lang gehörte das Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche zur westlichen Politik gegenüber dem Iran. Während die Amerikaner eine härtere Gangart bevorzugten, waren die Europäer, besonders Deutschland, darauf bedacht, die Kommunikation mit dem Mullah-Regime nicht abreissen zu lassen.

Obwohl sich die weltpolitische Lage nach der deutschen Wiedervereinigung entspannte, geriet das Verhältnis der Bundesrepublik zu Iran zunehmend unter Druck. Da war zunächst die Ermordung von vier iranisch-kurdischen Exilpolitikern in einem griechischen Restaurant 1992 in Berlin (Mykonos-Attentat), die der Geheimdienst des Regimes in Teheran in Auftrag gegeben hatte. Anfang der zweitausender Jahre mussten die Mullahs dann zugeben, dass sie ein bereits fortgeschrittenes Atomprogramm unterhielten.

Das Atomprogramm verschlechtert die Beziehungen

Die daraufhin vom Uno-Sicherheitsrat und von der EU verhängten Sanktionen führten zu einer deutlichen Reduzierung des Warenaustauschs zwischen Deutschland und Iran. Während die Bundesrepublik Mitte der zweitausender Jahre noch Produkte im Wert von fünf Milliarden Euro nach Iran geliefert hatte, betrug der Wert der deutschen Ausfuhren im Jahr 2013 nur noch 1,8 Milliarden Euro.

Mit dem internationalen Atomabkommen im Jahr 2015 wurden die Sanktionen gegen Iran weitgehend aufgehoben. Es war Konsens der führenden Staaten, mit Iran auch wieder wirtschaftliche Beziehungen aufzunehmen. Doch wie schon gegenüber dem Regime in Moskau verfolgte ganz besonders die deutsche Regierung nun auch gegenüber dem Regime in Teheran eine Politik, die durch Handel und Annäherung einen Wandel in dem Land erzeugen sollte. Als der damalige sozialdemokratische Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel als erster hochrangiger westlicher Politiker nach dem Abkommen in den Iran reiste, liess er sich von hochkarätigen Wirtschaftsvertretern begleiten.

Auf iranischer wie deutscher Seite waren die Hoffnungen gross, nach den jahrelangen Sanktionen wieder an frühere ökonomische Beziehungen anknüpfen zu können. Gleichzeitig hoffte die damalige Regierung von Angela Merkel, durch Handel und ökonomische Verflechtung die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Iran beeinflussen zu können.

Geschäfte mit dem Westen helfen bei Finanzierung des Terrors

Dabei war schon damals deutlich sichtbar, wohin die Mullahs in Teheran ihr Land führen wollten. Iran strebt nach der Hegemonialmacht in der Region. Über die von ihm teilweise aufgestellten, ausgerüsteten und finanzierten (schiitischen) Milizen im Libanon (Hizbullah), Irak, Syrien und Jemen (Huthi) sowie weitere islamistische Terrorgruppen wie die Hamas zog Iran einen «ring of fire» um Israel. Das Regime in Teheran erklärte den jüdischen Staat immer unverhohlener zum Hauptfeind, den es zu vernichten gelte.

Als sich die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump vor gut sechs Jahren aus dem Atomabkommen zurückzogen und harte Sanktionen gegen Iran verhängten, machten viele deutsche Firmen einen Rückzieher. Trump hatte ihnen mit empfindlichen Strafen gedroht, sollten sie ihre Geschäftsbeziehungen mit Iran aufrechterhalten. Das traf nicht nur die deutschen Unternehmen, sondern auch das Regime in Teheran. Es waren nicht zuletzt die milliardenschweren Geschäfte mit Deutschland und die zahlreichen anderen westlichen Staaten, die es dem Iran über Jahre ermöglichten, seine «proxies» wie die Hamas und andere Terrorgruppen in der Region zu finanzieren.

Doch die guten Geschäftsbeziehungen hatten noch einen weiteren Effekt. Im Schatten des Atomprogramms finanzierte Iran auch ein Raketen- und Drohnenprogramm. Dabei halfen nicht nur die Einnahmen aus den Geschäften mit westlichen Staaten, sondern auch westliche Technologie. Diese Waffen hat das Regime nun zwar erstmals gegen Israel eingesetzt. Ihre verheerende Wirkung aber bekommt seit geraumer Zeit vor allem die Bevölkerung in der Ukraine zu spüren. Es sind auch Raketen und Drohnen aus Iran, die das russische Regime gegen ukrainische Städte einsetzt – und die teilweise durch von Deutschland gelieferte Flugabwehrsysteme (Patriot, Iris-T) abgewehrt werden.

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