Samstag, September 28

Wer in diesem Sommer sicher in den Bergen unterwegs sein will, sollte sich entsprechend vorbereiten. Ein Bergführer und ein Sportwissenschafter geben Tipps.

Der Via Alpina entlang oder hoch zur Monte-Rosa-Hütte – im Sommer wird die Schweiz zum Wanderland. Wandern ist hierzulande Volkssport Nummer eins. 58 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren wandert regelmässig, wie die Baspo-Studie «Sport Schweiz light» 2022 ergeben hat.

Vielleicht ist Wandern so beliebt, weil es als sogenannte «Lifetime-Sportart» gilt. Als Sportart, die das ganze Leben und generationenübergreifend ausgeübt wird. Vielleicht wegen der in der Studie genannten Motive Gesundheit, Natur und Fitness. So werden dem Wandern positive Einflüsse auf die mentale und körperliche Gesundheit zugeschrieben, wie etwa mehr Gelassenheit, Verbesserung der Ausdauerleistung sowie Stärkung des Herz-Kreislauf- und des Immunsystems.

Doch Wandern ist nicht gleich Wandern. In der Schweiz wird unterschieden zwischen gelb signalisierten Wanderwegen, weiss-rot-weissen Bergwanderwegen sowie weiss-blau-weissen Alpinwanderwegen. Während die gelb markierten Wanderwege für alle leicht begehbar sind, erfordern Bergwanderwege mehr Kondition und Trittsicherheit. Die Wege sind teilweise steil und exponiert. Schneefelder, Geröllhalden, Gletscher und Klettersteige sind auf Alpinwanderwegen vorzufinden. Der Umgang mit ihnen erfordert Bergwissen und Kondition.

Neben den Signalisationsfarben gilt es, den Schwierigkeitsgrad zu beachten: Auf der Skala des Schweizer Alpenclubs (SAC) steigen mit jedem Grad die Anforderungen an Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und alpine Erfahrung.

Gezielt trainieren für den Wandersommer

Es liegt folglich auf der Hand: Wie bei jeder anderen Sportart gehört beim Wandern das Training dazu. Wer schon sportlich ist, der beginnt bei seinem Wandertraining nicht bei null. Das Betreiben anderer Sportarten ergänzt die Vorbereitung oder bildet zumindest eine Grund-Fitness. So verbessern Joggen, Velofahren und Trail-Running die Grundlagenausdauer und stärken die Beinmuskulatur; Yoga, Pilates und Slackline fördern das Gleichgewicht. Und Schwimmen ist ein gelenkschonendes Ganzkörpertraining.

Generell gilt bei den Vorbereitungen auf den Wandersommer: Das Training sollte sich nach dem Schwierigkeitsgrad der geplanten Wanderung richten. Das heisst: Wer auf einfachen, gelb markierten Wanderwegen unterwegs ist, trainiert vorab seine Ausdauer. Wer auf weiss-rot-weissen Wegen wandert, bereitet sich mit einer Kombination aus Ausdauer- und Kraft- sowie Bergtraining vor.

Mehrtägige Trekkings gelten als Königsdisziplin und sind der Traum vieler Wanderer. Wer hauptsächlich auf weiss-blau-weissen Wegen unterwegs sein wird, sollte ein paar Wochen vorher mit dem Training beginnen. «Trainingspläne sind sinnvoll. Bei einem Marathon rennt man schliesslich auch nicht einfach los», sagt Tobias Baumberger, Sportwissenschafter und Leiter Ausbildung J+S Outdoor beim Bundesamt für Sport. Aus sportwissenschaftlicher Sicht müssen für Alpinwanderungen Ausdauer, Kraft, Gleichgewicht und Trittsicherheit trainiert werden.

Das bedeutet drei bis vier Ausdauereinheiten pro Woche à 30 bis 60 Minuten mit Joggen, Velofahren oder Schwimmen. Dazu Übungen für die Bein- und Rumpfmuskulatur, zum Beispiel in Form von Kniebeugen, Ausfallschritten und Planks, sowie ein Training auf dem Balance-Board. Das höre sich nach viel Aufwand an, sei aber eine grundlegende Voraussetzung für eine sichere Alpintour, sagt Baumberger. «Unabhängig vom Schwierigkeitsgrad ist bei allen Wanderungen eine Grund-Fitness wichtig.» Ausserdem gehören Wanderungen zu dieser Vorbereitungsphase dazu. Es gilt, Dauer und Schwierigkeit stetig zu steigern, und dies möglichst in höher gelegenen Gebieten, um sich an die Höhenverhältnisse zu gewöhnen.

Fabian Bietenhader ist Bergführer mit Fachausweis und technischer Leiter bei der Alpinschule Berg+Tal. Er begleitet Gruppen auf hochalpinen Routen und auf Gletscher-Trekkings. Als Vorbereitung für Alpin-Trekkings empfiehlt Bietenhader einen Grundkurs im Alpinwandern. «Es muss zum Start nicht gleich die Via Alpina in ihrer ganzen Länge sein. Besser mit der Rigi oder dem Pilatus beginnen, und zwar mit der Ausrüstung im Rucksack, welche man auch für ein mehrtägiges Trekking einpacken würde», sagt er. Das habe einen doppelten Effekt: Man lerne, seine Ausrüstung zu optimieren, und könne gleichzeitig die Wanderschuhe einlaufen.

Mangelnde Vorbereitung birgt Gefahren

Wandern führt jedes Jahr zu vielen Unfällen und Verletzungen. 2023 sind gemäss der Bergnotfallstatistik des SAC in den Schweizer Alpen und im Jura 3501 Personen in eine Notlage geraten und mussten von der Bergrettung gerettet oder geborgen werden. 2040 davon waren beim Wandern oder auf Hochtouren unterwegs. Die Gründe für die Notlagen sind vielfältig: zu wenig Trittsicherheit, keine Schwindelfreiheit und eine zu wenig gute körperliche Verfassung. «Gleichgewichts- und Bewegungskoordination auf unebenem Gelände ist für viele schwierig. Zudem ist die Muskelbelastung beim Bergabwandern für viele Wanderer ungewohnt», sagt Tobias Baumberger.

Eine ungenügende körperliche Vorbereitung gehört zu den häufigsten Gründen für Verletzungen und Unfälle auf mehrtägigen Wanderungen. Verletzungsanfällig sind insbesondere Füsse, Knöchel und Knie. Meistens wegen falscher oder nicht eingelaufener Schuhe.

Viele Wanderinnen und Wanderer scheitern auch am Gepäck. Abgesehen davon, dass Rucksäcke passend sitzen und wasserfest sein müssen, sollten sie nicht schwerer sein als 8 bis 9 Kilo – und dies inklusive der technischen Ausrüstung wie Steigeisen, Anseilgurt und Pickel. Auf Mehrtagestouren gelten 6 bis 8 Kilo als ideal, wie Fabian Bietenhader sagt. «Zu schwere Rucksäcke machen nicht nur müde, sondern führen auch zu einer schlechten Balance auf schwierigen Passagen.»

Der Bergführer verrät seine Tipps für einen leichten Rucksack: «Nur die nötigsten Toilettenartikel in Kleinformat und Essen für eine Tagesetappe einpacken. Auf praktisch allen Hütten kann Proviant eingekauft werden.» Wer nicht ohne persönliche «Luxusartikel» sein könne, ob Feldstecher, Kamera oder E-Reader: Für mehr als einen sei nicht Platz. «Man sollte Ausrüstungsgegenstände auswählen, die mehrfach verwendet werden können.» Als Beispiel nennt er das Buff-Tuch, eine multifunktionale Kopfbedeckung. «Sie kann als Mütze gegen Kälte, als Sonnenschutz oder als Waschlappen dienen.»

Sorgfalt bringt Sicherheit in den Bergen

Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist laut Baumberger die sorgfältige Tourenplanung. «Länge, Höhenmeter und Schwierigkeitsgrad der einzelnen Tagesetappen müssen anhand von Wanderkarten abgeklärt werden. Kartenmaterial sollte offline oder in Papierform mitgeführt werden, da auch das Smartphone versagen kann.»

Ausserdem brauche es ein Bewusstsein dafür, dass bei Wetterwechsel auch auf einem einfachen Weg heikle Situationen entstehen könnten, sagt der Bergführer Fabian Bietenhader. Besonders Schneefelder nach schneereichen Wintern können für böse Überraschungen sorgen: Sie sind nicht auf Wanderkarten eingezeichnet und kommen in Lagen über 2000 Meter auch im Hochsommer vor. Um sie sicher zu überqueren, werde teilweise eine Ausrüstung wie auf einem Gletscher benötigt, sagt Bietenhader. «Wer darauf nicht vorbereitet ist, riskiert sein Leben oder muss umkehren.»

Die einfachste Regel, wie man unversehrt von einer Wanderung heimkehrt, lautet: auf markierten Wegen bleiben und die Route den eigenen Fähigkeiten anpassen. Tobias Baumberger rät, immer jemanden über seine Tour zu informieren und schwierige Routen mindestens im Zweierteam zu begehen. Zudem empfiehlt er, sich immer auf das Gefühl zu verlassen. «Nur weil die Tour bereits lange geplant ist, sollte man kein Risiko eingehen. Hat man ein komisches Bauchgefühl, sollte man die Tour absagen.»

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