Mittwoch, Oktober 9


Wir gratulieren

Der Sommer wird mit Aperol Spritz gefeiert. Was man früher skeptisch beäugte, ist heute ein Verkaufsschlager.

Schwierig zu sagen, wann genau es passiert ist, aber irgendwann in den letzten Jahren wurde die Welt geflutet von einer Welle oranger Aperitivi in bauchigen Gläsern mit zu viel Eis. Und sie erwartet uns jetzt angesichts der immer lauer werdenden Abenden einmal mehr: Es ist wieder Aperol-Spritz-Saison.

Erfunden wurde der Drink schon vor 105 Jahren; um genau zu sein, von zwei Brüdern mit dem Namen Barbieri in Padua. Sie erbten eine Spirituosenproduktion und tüftelten einige Jahre mit der Destillation von Rhabarber, Chinarinde, Gelbem Enzian, Bitterorange und aromatischen Kräutern.

Erst wurde die Mischung für Frauen und sportlich Ambitionierte beworben mit dem Slogan «Signora! L’Aperol mantiene la linea». Dies schien zwar bei einigen durchaus Anklang gefunden zu haben, jedoch nicht bei der breiten Masse. Fast hundert Jahre später war es aber genau das Argument, das den Drink so beliebt machte bei der zunehmend körperoptimierenden Gesellschaft der 2010er Jahre.

Ein Kind oder doch lieber mehr Aperol?

Gepaart mit der wachsenden Beliebtheit von bitteren Getränken nach Dekaden von zu süssen Cosmopolitans, zu starken Long Island Ice Teas sowie zu trockenen Martinis und einer auf den Italianità-Sweet-Spot ausgerichteten Marketingstrategie von Campari – die Gruppe kaufte Aperol 2003 auf, um die Apéritif-Vorherrschaft in Italien zu behalten –, stand dem Erfolgszug nichts mehr im Wege.

Ab 2016 taucht das Aperitivo-Getränk alljährlich zum Sommer hin Feierabende und Instagram-Feeds rund um die Welt in sein typisches sonnenuntergangfarbenes Orange.

Der Drink ist in den letzten Jahren so populär geworden, dass er in einigen Bars nicht nur einen eigenen Zapfhahn bekommen, sondern in seiner Heimat auch eine politische Dimension erreicht hat: Letzten Sommer erklärte die italienische Familienministerin die Demografiekrise des Landes damit, dass junge Paare heute eben die Wahl «zwischen einem Spritz und einem Kind» hätten. Steile These für die Ministerin der Chancengleichheit eines Landes, dessen Gleichstellungsindex unter dem europäischen Durchschnitt liegt.

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