Sonntag, Februar 23

Die Künstlerin Monster Chetwynd hat einen Hang zum Absurden – das trifft auch auf so manchen Gesetzesparagrafen zu.

Bürokratie und Kunst – es sind zwei Gebiete, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Wenn ein Zusammenhang besteht, dann am ehesten in der Gegensätzlichkeit oder vielleicht auch darin, dass in der Kunst und in der Bürokratie eine gewisse Nähe zur Absurdität auszumachen ist.

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Manchmal ist die Verbindung auch weniger subtil, etwa wenn ein Kunstwerk eine Baubewilligung benötigt. Im Amtsblatt der Stadt Zürich findet sich derzeit ein solches Beispiel: ein Baugesuch für eine begehbare Skulptur, die ab dem Frühsommer im Garten des Chipperfield-Gebäudes des Kunsthauses stehen soll.

Nun, im Kanton Zürich, wo, zum Ärger der Bürgerlichen, auch ein «Gireizli» oder eine Pergola im eigenen Garten einer Baubewilligung bedürfte, sollte das eigentlich nicht überraschen.

Temporär, und doch braucht es ein Baugesuch

Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um eine temporäre Installation, die parallel zur Ausstellung von Monster Chetwynd entsteht.

Die Wahlzürcherin gab sich bis vor kurzem noch die Vornamen Marvin Gaye, davor nannte sie sich Spartacus. Sie ist bekannt für Installationen, die an überdimensionale Phantasiefiguren oder Masken aus Pappmaché erinnern. Bei ihrer Ausstellung in der Tate Britain flankierten riesige, aus Stoff gefertigte Nacktschnecken den Eingangsbereich.

Von Mitte Mai bis Ende August gibt das Kunsthaus Zürich Einblick in das 25-jährige Werk der Surrealistin.

Das Kunsthaus schreibt Ende Woche in einer Mitteilung, Chetwynds Skulptur sei die erste Auftragsarbeit für den Garten der Kunst des 2021 eröffneten Erweiterungsbaus. Sie wird voraussichtlich für zwei Jahre zu sehen – und zu erleben – sein. Ziel der Installation sei es, den Garten als öffentlichen Raum und Ort der Begegnung zugänglich zu machen. Ganz im Sinne von «Kunst für Alle».

Die im Baugesuch enthaltenen Visualisierungen zeigen eine Skulptur in Form eines riesigen, grotesken Kopfes. Das erinnert an die Figuren im «Sacro Bosco», dem mit überdimensionierten Steinskulpturen ausgestatteten Garten, den Prinz Orsini im 16. Jahrhundert in Bomarzo in Italien schuf.

Vonseiten des Kunsthauses heisst es, als Inspiration diene zudem die Tradition der sogenannten «Folly» – einer Art Zierbaute für den Garten, wie sie im 18. und 19. Jahrhundert in England und Frankreich Mode war. Ihre Architektur erinnerte beispielsweise an mittelalterliche Schlösser oder ägyptische oder römische Tempel.

Und es wird ein grosses Stück: Laut den Bauunterlagen wird der Kopf insgesamt gut neun Meter hoch und besteht aus 55 vorgefertigten Elementen. Im inneren Hohlraum sind ein Kletternetz, eine Rampe und Fallschutzmatten vorgesehen.

Ein Flair für Surrealismus, Nonsense und Ungehorsam

Ein bisschen Spielplatz, ein bisschen Kunst. Und halt eben auch ein bisschen Bürokratie. Wie das Hochbaudepartement der Stadt Zürich auf Anfrage schreibt, hat sich bei der Frage, ob ein temporärer Bau eine Bewilligung brauche, folgende Faustregel entwickelt: Bleibe etwas länger als 30 Tage stehen, ergebe sich ein Ortsbezug. Daraus folge, dass ein Baugesuch eingereicht werden müsse.

So lautet die nüchterne Erklärung für die planerische Extrarunde einer temporären Installation. Der formale Akt führt die aberwitzigen Performances der Künstlerin ad absurdum.

Und vielleicht erklärt das Hindernis in Paragrafenform auch, warum die knallbunte Chetwynd – die sich für ihre Darbietungen jeweils in kuriose, selbstgefertigte Kostüme wirft – und das biedere Zürich besser zusammenpassen, als man erwarten würde. So sagt Chetwynd von sich selbst: «Ich fühle mich zu Surrealismus, Nonsense und Ungehorsam hingezogen, als ob sie meine Realität widerspiegeln würden.»

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