Die europäische Industrie dürfte 2025 auf den Wachstumspfad zurückkehren. Davon werden frühzyklische Schweizer Unternehmen profitieren, allen voran der Verbindungstechnikspezialist Bossard.

Die europäische Industrie befindet sich seit fast zwei Jahren in einer Rezession. Lager wurden abgebaut, Investitionen verschoben, eine abwartende Haltung dominierte, verstärkt durch die geopolitischen Spannungen rund um den Ukrainekrieg und zuletzt durch die US-Zollpolitik unter Präsident Donald Trump.

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Wenn der Maschinenbau, die Automobil- und die Elektronikindustrie in Europa schwächeln, spürt das traditionsreiche Familienunternehmen Bossard (gegründet 1831) dies besonders – im Geschäft und an der Börse. Der weltweit zu den Top drei gehörende Verbindungsspezialist gilt als Pulsmesser der Industrieproduktion.

Wenn sich die Einkaufsmanagerindizes (PMI) wieder verbessern, könnte Bossard an der Börse deshalb deutlich zulegen. Doch trotz eines leichten Aufwärtstrends seit Jahresbeginn halten sich die Aktien hartnäckig um die 200-Fr.-Marke. The Market geht daher der Frage nach, ob sich ein Kauf jetzt lohnen könnte.

Bossard ist kein Produzent, sondern ein Lösungsanbieter

Das von den Familien Bossard über die Kolin Holding – 56% der gesamten Stimmrechte – kontrollierte Unternehmen ist mit Niederlassungen in Europa, Nordamerika und Asien global präsent.

Die Gesellschaft entwickelt und beschafft in Zusammenarbeit mit rund 5200 Lieferanten über 1 Mio. verschiedene Verbindungselemente wie Schrauben und Muttern und vertreibt sie weltweit. Neben Standardkomponenten bietet sie massgeschneiderte Lösungen und technische Beratung zur Effizienzsteigerung in der Produktion.

Ein zentraler Bestandteil des Geschäftsmodells ist die Smart Factory Logistics, die Lager- und Produktionsprozesse durch digitale und automatisierte Lösungen optimiert. Besonders bekannt sind die SmartBins – mit Waagen ausgestattete Behälter, die eine Echtzeitüberwachung des Lagerbestands und eine effizientere Bestellung ermöglichen. Damit schafft Bossard Mehrwert für ihre Kunden, stärkt die Bindung zu ihnen und differenziert sich von der Konkurrenz.

Bossard navigiert in einem schwierigen Umfeld

Als Anbieter von Verbindungstechnik musste Bossard Ende 2024 nicht nur in Europa in einem schwierigen Umfeld navigieren. Die Industriekonjunktur schwächte sich weltweit ab, die Einkaufsmanagerindizes fielen unter die Wachstumsschwelle.

Diese Faktoren belasteten im Berichtsjahr den Umsatz und das operative Ergebnis des Unternehmens. Vor allem in Amerika lief es schlecht: Die schwache Nachfrage, insbesondere in den Bereichen Elektromobilität und Landwirtschaft, führte zu einem regelrechten Umsatzeinbruch. Zu den grössten Kunden in Übersee zählen der Elektroautohersteller Tesla und der Landmaschinenhersteller John Deere, die je 5 bis 6% zum Gesamtumsatz von Bossard beitragen.

Zusätzlich belasten der starke Franken und das laufende Rollout eines neuen ERP-Systems (Enterprise Resource Planning), das mit erheblichen Kosten verbunden ist. Angesichts der rückläufigen Geschäftsentwicklung wird die Dividende erneut gesenkt – auf 3.90 Fr.

Immerhin zeigten sich in der zweiten Jahreshälfte – insbesondere in Europa und Asien – Anzeichen einer Stabilisierung. So verzeichnet Bossard eine starke Nachfrage aus einzelnen europäischen Branchen wie der Luftfahrt- und der Schienenfahrzeugindustrie.

Trotz dieses Lichtblicks sieht CEO Daniel Bossard für die europäische Industrie, die sich seit fast zwei Jahren in einer Rezession befindet, insgesamt noch kein klares Licht am Ende des Tunnels. Eine Erholung in der zweiten Jahreshälfte sei aber möglich, weshalb er vorsichtig optimistisch bleibe, führt er im Gespräch mit The Market aus. Unabhängig vom Konjunkturzyklus liege die Visibilität bei etwa einem Monat.

Der Ausblick dürfte auch für andere Schweizer Frühzykliker gelten. Neben Bossard zählt der Befestigungstechniker und Werkzeugspezialist SFS zu den prominentesten mit ähnlicher Endmarktdynamik. Hinzu kommen Hersteller der verarbeitenden Industrie, etwa Georg Fischer aus dem Maschinenbau oder Sika und Geberit aus der Bauindustrie. Automobilzulieferer wie Ems-Chemie sind ebenfalls frühzyklisch, aber stark vom Konsumklima abhängig, das in Europa derzeit schwach ist.

Konjunkturelle Lebenszeichen in Europa, auch in China

Daniel Hartmann, Chefökonom des Vermögensverwalters Bantleon, rechnet im Jahresverlauf jedoch mit einer zunehmenden Wachstumsdynamik in der Eurozone. Er prognostiziert für das erste Quartal 2026 ein BIP-Wachstum von 1,5%, gegenüber derzeit 0,9%. Unterstützung kommt von der lockeren Geldpolitik der EZB, während Trumps Zollpolitik ein Unsicherheitsfaktor bleibt.

Dank Südeuropa hatte die Industrie bereits Ende 2023 die Talsohle durchschritten, doch ein kräftiger Aufschwung blieb aus. «Nun belebt sich auch Deutschland», sagt Hartmann. Für 2025 sieht er unter anderem dank steigender Reallöhne eine vielversprechende Ausgangslage. Ein steigender Auftragseingang bei niedrigen Lagerbeständen signalisiert bereits eine anziehende Produktion. Das angekündigte riesige Fiskalpaket von CDU/CSU und SPD dürfte für zusätzlichen Rückenwind sorgen.

Das Gleiche gilt in geringerem Mass für die Eurozone.

Auch die chinesische Wirtschaft zeigt neue Dynamik. Der industrielle Aufschwung ist bislang exportgetrieben, doch mit den angekündigten Stimulierungsmassnahmen – darunter Steuererleichterungen und höheren Transferzahlungen – dürfte auch die Binnennachfrage anziehen. Eine Konkretisierung der Wirtschaftspolitik wird im Rahmen des laufenden Volkskongresses erwartet.

«Ein Nachfrageumschwung kann schnell einsetzen – typischerweise folgt eine spürbare Verbesserung etwa sechs Monate nach einem Anstieg der PMI in Richtung 50», sagt Alexander Koller, Analyst bei Vontobel.

Auch CEO Daniel Bossard schliesst aufgrund der bereits abgebauten Lagerbestände eine V-förmige Erholung nicht aus, falls sich die geopolitische Lage stabilisiert: «Sobald die PMI-Indikatoren eine Bodenbildung zeigen oder steigen, spüren wir sofort eine höhere Nachfrage.» In solchen Phasen bestellten und investierten die Unternehmen oft gleichzeitig, was zu einer abrupten Erholung führe.

Bossard sieht Marktpotenzial

Die Zuger sind für die Zukunft breit aufgestellt – mit einer branchenübergreifenden Ausrichtung und einer diversifizierten Kundenbasis von 45’000 Unternehmen. Den weltweit adressierbaren Markt schätzt Bossard auf 35 Mrd. $. Zu den grössten internationalen Konkurrenten in einem stark fragmentierten Umfeld zählen Fastenal (USA), Würth (Deutschland, nicht kotiert) und Bufab (Schweden).

Auf Branchenebene sind für Bossard die verarbeitende Industrie, Schienenfahrzeuge und die Elektromobilität zentral. In Zukunft dürfte die Luftfahrtindustrie weiter an Bedeutung gewinnen und über 10% des Umsatzes ausmachen, schätzt Koller von Vontobel. Besonders wachstumsstark sind auch die Bereiche Schienenfahrzeuge und Elektronik.

Der Marktanteil in der Schweiz liegt bei rund 30%, in anderen europäischen Ländern bei 3 bis 5%, in Asien noch tiefer. Während in China bisher vor allem internationale Kunden beliefert wurden, rücken nun zunehmend lokale Unternehmen in den Fokus. Investitionen in Elektrofahrzeuge, Drohnentechnologie und humanoide Roboter nehmen zu. Auch Indien entwickelt sich mit zweistelligen Wachstumsraten für Bossard dynamisch. Weitere wichtige Märkte sind Malaysia, Vietnam und Südkorea, während Japan eine untergeordnete Rolle spielt.

Was für ein Investment in Bossard spricht

Mit den letzte Woche präsentierten Jahreszahlen hat Bossard die mittelfristigen Ziele bestätigt. So werden weiterhin ein durchschnittliches jährliches organisches Wachstum von über 5% und eine Ebit-Marge von 12 bis 15% angestrebt. Dabei legt das Unternehmen weiterhin Wert auf eine solide Bilanz mit einer Eigenkapitalquote von mindestens 40%. Die Dividendenquote soll trotz wachstumsbedingter Investitionen stabil bei rund 40% des Konzerngewinns liegen.

Manuel Bottinelli und Adrian Lechthaler von der Vermögensverwaltungsboutique Peter J. Lehner & Partner halten das mittelfristige Ebit-Margenziel für realistisch.

Ähnlich sieht es Stephan Sola, Manager des Plutos-Schweiz Fund. Die Tatsache, dass Bossard trotz der Krisenjahre die Marge innerhalb der Guidance halten konnte, zeige, welches Potenzial sie in einem besseren Marktumfeld habe.

Und die Ausgangslage ist gut: Mit zwei abgeschlossenen Akquisitionen im Jahr 2024 und einer weiteren 2025 hat Bossard den Umsatz um rund 110 Mio. Fr. erweitert. Die solide Bilanz mit einer Eigenkapitalquote von 46,5% (2023: 46,2%) und einer Nettoverschuldung von 1,9-mal Ebitda (2023: 1,7) erlaubt auch 2025 weitere strategische Akquisitionen.

Erfreulich ist zudem, dass der Return on Invested Capital (ROIC) trotz konjunktureller Schwäche über 10% liegt – ein Zeichen für die effiziente Nutzung des investierten Kapitals. «Mit mehr Wachstum und höherer Profitabilität wird sich der Wert wieder verbessern», ist Bossard überzeugt.

Die kontinuierliche Wertsteigerung ist auch auf das wenig kapitalintensive Geschäft ohne eigene Produktion zurückzuführen. Der Buchwert je Aktie steigt ebenfalls kontinuierlich, was die nachhaltige Wertschöpfung für die Aktionäre unterstreicht.

Bewertung liegt unter dem langjährigen Mittel

Die Bewertung stellt kein Hindernis für einen Kauf dar: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Konsensschätzungen für die nächsten zwölf Monate liegt derzeit bei 18, und der Unternehmenswert (EV) entspricht dem gut 12-Fachen des Ebitda – beides liegt unter dem Zehnjahresdurchschnitt.

Bottinelli und Lechthaler sehen im derzeitigen Aktienkurs keine übertriebenen Zukunftsfantasien, was auch die im Vergleich zu anderen Schweizer Frühzyklikern relativ hohe Free-Cashflow-Rendite von beinahe 6% unterstreicht. Sie setzt den freien Cashflow ins Verhältnis zum gegenwärtigen Unternehmenswert.

The Market teilt diese Einschätzung: Der sich andeutende industrielle Aufschwung in Europa birgt für Bossard grosses Potenzial. Steigende Aufträge führen zu höherem Materialbedarf, der Umsatz wächst – und dank operativem Hebel steigen die Gewinnmargen überproportional.

Schweizer Frühzykliker wie Sika und Ems-Chemie werden wieder an Attraktivität gewinnen – und Bossard könnte in diesem Umfeld eine besonders lohnende Investition sein.

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