Samstag, Oktober 5

Indonesien hat rund 240 Millionen Muslime und knapp 30 Millionen Christen. Diese dürfen in mancherorts keine Kirchen bauen und werden diskriminiert. Doch es gibt auch positive Veränderungen.

Indonesien ist ein Land der Superlative. Es ist hat die viertgrösste Bevölkerung der Welt, ist die drittgrösste Demokratie, hat die zweitlängste Küste – und ist das Land mit den meisten Muslimen. Die rund 240 Millionen Gläubigen leben einen moderaten Islam, tolerant, respektvoll, modern. Andere Religionen, wie das Christentum mit knapp 30 Millionen Anhängern, der Hinduismus oder der Buddhismus, sind anerkannt. Der Regierung betont die religiöse Harmonie im Land. Alles in Ordnung, also?

Kopftuch im Trend – Christen werden benachteiligt

Der Besuch des Papsts vom Mittwoch erfolgt zu einem kritischen Zeitpunkt. Denn für die grösste religiöse Minderheit im Land, die zehn Prozent Christen, ist einiges im Umbruch. Auch in Indonesien wächst der Anteil jener, die den Islam konservativ auslegen, besonders bei den Jungen. Der Hijab, ein Schal, der Kopf und Hals bedeckt, liegt bei den indonesischen Frauen im Trend. Bis vor zwei Jahrzehnten war das Kopftuch vor allem auf dem Land verbreitet, doch dann hat die nahöstliche Tradition bei gut gebildeten Städterinnen Anklang gefunden.

Islamistische Gruppierungen gewinnen an Einfluss und Zulauf. Sie haben politische Parteien gegründet, ihre Anhänger patrouillieren in den Einkaufszentren in der Adventszeit und reissen die Weihnachtsdekorationen nieder. Immer wieder verübten sie Anschläge gegen Kirchen.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren das strenge und breit gefasste Blasphemie-Gesetz in Indonesien. Vor zwei Jahren wurde es von einem auf sechs Artikel erweitert. Dazu kommen die rechtlichen Bestimmungen für «religiöse Harmonie». Kleinste Verfehlungen könnten dahingehend interpretiert werden, die religiöse Harmonie zu stören, schreibt Human Rights Watch in einer Mitteilung. Diese nützten aber vor allem den Interessen der dominanten Religion, dem Islam, dem 87 Prozent der Bevölkerung angehören.

Die Gesetze können auch zur politischen Waffe werden. So wurde zum Beispiel 2017 der damalige Bürgermeister von Jakarta, ein Christ chinesischer Abstammung, zu zwei Jahren Haft verurteilt, nachdem er einen Koranvers in einer Kampagnenrede erwähnt hatte. Ein Video davon zirkulierte im Netz und brachte die konservativen Muslime gegen ihn auf.

Wer vom Islam zum Christentum konvertiert ist, gerate ins Visier, berichtet die weltweit aktive Organisation für Christenverfolgung Open Doors in einem Bericht zu Indonesien. In manchen Regionen warten Protestanten wie Katholiken seit Jahren auf die Bewilligung zum Bau einer Kirche. Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mussten um die Tausend Kirchen auf Druck von islamistischen Gruppen schliessen. Ein Brennpunkt ist die hauptsächlich muslimische Provinz Aceh, der einzige Ort in Indonesien, wo seit 2002 islamische Rechtssystem Scharia gilt. Die Christen dort versuchen, nicht aufzufallen.

Der Papst warnt vor religiösem Extremismus

Papst Franziskus› zwölftägige Reise nach Asien und Ozeanien hat ihn nun als erstes nach Indonesien geführt, er wird dort am Donnerstag in einem Stadion eine Messe für 70 000 Gläubigen halten. Es ist 25 Jahre her, dass ein Papst Indonesien besucht hat.

Zwar leben auf die Bevölkerung gerechnet nur wenige Katholiken im Land, acht Millionen, Protestanten gibt es 20 Millionen. Doch ihre Lage bewegt den Papst offensichtlich. Er warnte die politische Führung im Land, sich gegen religiösen Extremismus zu wappnen. Ein Weg, Extremismus vorzubeugen, sei interreligiöse Dialog, sagte der Papst in seinem Gespräch mit dem Präsidenten Joko Widodo in Jakarta. In einer Rede vor Beamten und Diplomaten sagte er danach: «Es gibt Zeiten, in denen der Glaube an Gott leider manipuliert wird, um die Menschen zu spalten und Hass zu schüren, statt Friede (…) zu schaffen.»

Regierung demonstriert Toleranz aller Religionen

Auf staatlicher Ebene haben die konservativen Kräfte aber nicht die Oberhand. Seit diesem Jahr sind Weihnachten, Karfreitag, Ostern und Auffahrt staatliche Feiertage in Indonesien, berichtete das Nachrichtenportal des Heiligen Stuhls in Rom, Vatican News, im April. Zudem wird die zentrale Figur des Christentums, Jesus, seit vergangenem Jahr in amtlichen Dokumenten als «Jesus Christus» bezeichnet. Zuvor war die offizielle Bezeichnung ein Begriff aus der islamischen Tradition: Isa Al-Masih, Messias.

Auch anderen religiösen Minderheiten räumt die Regierung mehr Rechte ein. Seit diesem Jahr haben Gläubige von Naturreligionen und spirituellen Strömungen in Indonesien auf ihrer Identitätskarte eine eigene Kategorie. Indonesier gaben bisher auf ihrer ID eine der sechs unter dem Blasphemie-Gesetz geschützten Religionen an: Islam, Protestantismus, Katholizismus, Hinduismus, Buddhismus oder Konfuzianismus. Indonesien kennt aber zusätzlich über 245 indigene Religionen mit insgesamt 400 000 Anhängern.

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