Dienstag, April 1

Florale Muster waren bis anhin eher Frauensache. Das ändert sich gerade: Outfits mit Blumenmustern sind derzeit auf den Laufstegen der Herrenmode omnipräsent.

Im Zweifelsfall war immer der Gärtner der Mörder. Nicht die Gärtnerin. Wer sich um das grosse Ganze kümmert, die Heckenschere ansetzt und bestimmt, was wo angepflanzt wird, ist traditionell männlich konnotiert. Die Freude an der ganzen Pracht, vor allem wenn sie als hübsch arrangierte Schnittblumen in der Vase landen, wird dagegen immer noch vor allem mit Frauen assoziiert. Deshalb soll man ihnen ja regelmässig einen Strauss schenken, während die meisten Männer angeblich nicht einmal eine Lieblingsblume nennen können. Wahrscheinlich aus Angst, sich mit Stiefmütterchen oder Strelitzien sofort in irgendeinen tiefenpsychologischen Fettnapf zu setzen.

Aber allmählich kommt Bewegung in die Sache. Vor zwei Jahren verkündete der Pop-Star Miley Cyrus in ihrer Emanzipationshymne «Flowers», dass sie das mit dem Blumenkaufen gut selbst erledigen könne, woraufhin selbst bei Lidl die Eigenkäufe durch die Decke gingen. Was machen Männer jetzt, wo sie von dieser ohnehin veralteten Bringschuld quasi freigesprochen sind? Sie tragen es mit Fassung und fangen dafür offensichtlich an, sich anderweitig für Blumen zu interessieren: etwa in Form von Flower-Prints in ihrer eigenen Garderobe.

Mehr als Hawaiihemden

Florale Muster waren bekanntlich ebenfalls eher Frauensache. In wirklich jeder Frühlingskollektion finden sich Kleider, Röcke und Tops mit Blüten aller Art, und obwohl diese Form saisonaler Assoziationsmode spätestens seit dem niederschmetternden Spruch aus dem Film «Der Teufel trägt Prada» («Flowers for spring? Groundbreaking») zum Klischee verkommen ist, bahnt sich die Natur stur weiter ihren Weg. Die Sonne, die Pollen, die Hormone, und schon liegt die Bluse mit den Maiglöckchen im Einkaufskorb.

In der Männermode wiederum passiert in den letzten Jahren das Gegenteil. Hier soll endgültig mit jedem Klischee gebrochen werden und alles, was angeblich nur für Frauen gedacht war, nun an sie weitergereicht werden. Männer trugen jüngst also viel Rosa, viel Schmuck, manchmal Rock und gelegentlich Schuhe mit Absätzen. Dass sie das meiste davon vor langer Zeit, etwa in der Renaissance, schon einmal anhatten – egal, das ist lange verjährt und vergessen.

Der Chefgärtner der Mode

Die nächste feminine Grenze, die es einzureissen gilt, sind nun offensichtlich Blumen. Florale Muster und Applikationen waren in den Herrenkollektionen von Marken wie Gucci, Simone Rocha, Paul Smith oder Dries Van Noten zwar schon häufiger zu sehen. Virgil Abloh schickte in der Sommerkollektion 2020 von Louis Vuitton sogar einmal ein Model mit Blumengirlande in Form eines Halfters über den Laufsteg. Aber in diesem Frühling schlägt der Trend sozusagen voll durch.

Bei Dior sind Jacken mit grossen, blauen Blüten bedruckt, bei Dolce & Gabbana werden Hemden und passende Hosen aufwendig floral bestickt, bei Gucci sind die seidenen Blumenshirts so knallbunt, dass sie wie eine Kreuzung von Pyjama- und Hawaiihemd daherkommen. Letzteres war seltsamerweise ja immer schon ein reines Männerding, aber so gut gelaunt und grell durften sie sich bislang nur in den Ferien oder auf Mottopartys zeigen.

Die schönsten Blumen-Designs kommen diese Saison von einer Frau, Grace Wales Bonner, die Anoraks mit Anemonen zu Lederhosen kombiniert, und die interessantesten vom Chefgärtner der Mode: Dries Van Noten legte in seiner Abschiedskollektion die Blumenmuster unter eine glänzende PVC-Schicht. Das Künstliche nimmt dem Natürlichen jeglichen Kitsch, die Kombination wirkt beinahe subversiv.

Die Muster-Männer

Einer der prominentesten neuen Blumenfans ist der Schauspieler Jeff Goldblum, der ohnehin selten vor grossen Mustern zurückschreckt. Bei den Oscars trug er unter der weissen Smokingjacke ein Hemd mit leicht psychedelischen Blüten in Braun und Türkis. Dazu steckte keine einsame Nelke im Knopfloch, sondern gleich ein halbes Gesteck am Revers. Ein Mauerblümchen zu sein, ist wirklich das Letzte, was man diesem Mann vorwerfen kann.

Auch Timothée Chalamet war auf der Promotour für seinen Film «A Complete Unknown» nicht nur in Babyrosa unterwegs, sondern trat bei einem Festival mit einem quietschgrün-gelben Bouquet in Form eines Prada-Hemdes auf. Die Bilder davon gingen sofort viral. Eine Frau mit dem gleichen Muster wäre wahrscheinlich nicht einmal eine Randnotiz wert gewesen.

Mutige Männer dürfte das motivieren, es auch einmal mit Blumen zu probieren. Und für Nachschub ist bereits gesorgt: Im nächsten Herbst gibt es von Prada noch mehr Florales in Form von Siebzigerjahre-Blumenmustern auf Unterhemdchen und – ganz frisch: auf Cowboystiefeln.

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