Donnerstag, Oktober 10


Stilkritik

Die britische Königin wurde für ihr Engagement bei der Stiftung Women of the World ausgezeichnet – mit einer Barbiepuppe. Warum das seltsam anmutet.

Was bekommt man als 75-Jährige, wenn man in der Stiftung Women of the World als Präsidentin eine gute Falle macht, anlässlich des Frauentags? Keinen Orden, kein Denkmal, keinen Wein, auch keinen Blumenstrauss. Man bekommt eine Puppe. Eine Barbie, genauer gesagt. Am 12. März 2024 wurde Camilla, die neben Präsidentin der Hilfsorganisation auch noch Königin von England ist, in einer feierlichen Zeremonie im Buckingham-Palast eine Miniaturausgabe von sich selbst überreicht.

Eine feministische Ikone?

Damit ist sie in guter Gesellschaft: Von der Forscherin Jane Goodall gibt es auch eine. Und von Deutschlands Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Vergleichbar mit dem Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud, gilt es als grosse Ehre und Beweis der Wichtigkeit, als Puppe verewigt zu werden. Kaufen kann man diese Versionen oft nicht. Hier zählt die Geste, nicht der Kommerz – zumindest nicht der direkte.

Denn natürlich gehört das Vermarkten von Ebenbildern erfolgreicher Frauen, die nicht in erster Linie für ihr Aussehen bekannt sind, auch zur Verkaufsstrategie der Mattel-Gruppe, die sich schon seit Jahrzehnten, jüngst höchst erfolgreich mit dem Film «Barbie» von der Regisseurin Greta Gerwig, davon distanzieren will, dass es bei dem Spielzeug mit den überkandidelten Körpermassen nur um die Optik geht. Stattdessen sei Barbie ein wichtiges Role-Model, wenn nicht gar eine feministische Ikone.

Hauptsache jung und schlank

Das geht auch hier nur so halb auf. Denn egal ob Merkel oder Camilla: Die Puppe ist rank und schlank. Immerhin, Camilla ist das älteste Vorbild, nach dem je eine Barbie lanciert wurde. Dennoch merkt selbst sie bei aller Freude über die Puppe an, dass diese fünfzig Jahre jünger aussehe; das sind immerhin zwei Drittel Altersreduktion. Nicht nur Kinder, die mit Barbies spielen, sondern so ziemlich alle wissen: Auch wenn sie Astronautin wird, Präsidentin, Wissenschafterin, die Garderobe der Puppe spielt immer eine wichtige Rolle. So erleben es allerdings auch echte Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen; denken wir an die vielbesprochenen Blazer von Angela Merkel.

Wo bleibt Ken Charles?

Camilla und ihr Mini-Me tragen zum Entzücken vieler genau das gleiche patriotische Outfit. Vom Kleid von der britischen Couture-Designerin Fiona Clare über das Cape von der ebenfalls in Grossbritannien beheimateten Modekreateurin Amanda Wakeley bis hin zu den Schuhen des Londoner Labels Eliot Zed. Ein wenig fühlt man sich an die Puppen erinnert, mit denen seit dem 14. Jahrhundert Couturiers aus Paris an Königshöfen weltweit Werbung für ihre Mode machten. Klar ist: Im Zuge der Gleichberechtigung – und im Interesse der Spielmöglichkeiten der royalen Enkel – erwarten wir möglichst bald eine Ken-Puppe von König Charles III.

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