Freitag, November 29

Der Kupferpreis scheint einen Konjunkturaufschwung zu signalisieren. Dazu kommt das Kaufangebot von BHP Billiton für Anglo American. Das Gesamtbild ist jedoch weniger eindeutig: Diesmal spricht Dr. Copper vor allem für sich.

Die grösste Frage, die sich Konjunktur- und Börsenexperten in den vergangenen Monaten gestellt haben, war, ob sich die stärkste und schnellste monetäre Bremsung der internationalen Notenbanken mit längerer Verzögerung als üblich doch noch negativ auf Konjunktur und Börse auswirken wird oder nicht. Inzwischen haben sich 80% der Beobachter für fehlende Auswirkungen der monetären Bremsung bzw. für den Beginn eines neuen Konjunkturaufschwungs ausgesprochen.

Untermauert wird diese Meinung zuletzt durch Dr. Copper. Kupfer wird als einer der besten Konjunkturfrühindikatoren angesehen, da Aufschwünge in der Vergangenheit frühzeitig von einem steigenden Kupferpreis signalisiert wurden. Nachdem Kupfer in den letzten Wochen stark gestiegen ist, scheint die Konjunkturfrage positiv beantwortet zu sein.

Spektakuläre Übernahme bei Minenbetreibern

In der letzten Woche wurde auch noch die spektakuläre (seit Jahrzehnten grösste) Übernahme im Rohstoffbereich bekanntgegeben: BHP (Australien) will Anglo American (Südafrika) übernehmen. Hintergrund dieser angestrebten Transaktion ist eindeutig der Wunsch, sich die umfangreichen wertvollen Kupfervorräte von Anglo American in Südamerika zu sichern.

BHP ist der weltweit führende Rohstoffproduzent und verfügt im Bergbausektor über die grössten (nicht erschlossenen) Kupferressourcen. BHP will die Übernahme in Aktien bezahlen und bietet 0,7097 BHP-Aktien je Anglo Anteilsschein. Das aktuelle Gebot bewertete Anglo American damit mit 25.08 £ je Aktie oder rund 31 Mrd. £. Das Anglo Management hat diese Offerte bereits als zu niedrig zurückgewiesen und BHP prüft derzeit eine Aufstockung des Gebots.

Nachdem der Aktienkurs von Anglo American 2023 stark unter Druck kam, bedingt durch eine deutliche Reduzierung der kurz- und mittelfristigen Produktionsziele im Kupferbereich sowie dem – von vielen Investoren angezweifelten – Festhalten am Düngemittelprojekt Woodsmith (erfordert hohe Investitionen in den kommenden Jahren) steht das Management von Anglo American unter grossem Druck, Wert zu schaffen. Auch der mit rund 1 Mrd. $ an Anglo American beteiligte Hedgefonds Elliot übt verstärkt Einfluss in diese Richtung aus.

Die vereinte Gesellschaft wäre der weltgrösste Kupferproduzent und würde zu je rund 45% ihren Gewinn aus Kupfer und Eisenerz beziehen. So verständlich das BHP-Streben nach Kontrolle über mehr Kupferproduktion ist, so ist es keineswegs sicher, dass die Übernahme stattfindet, da nicht nur die Anglo-American-Aktionäre zustimmen müssen, sondern vor allen Dingen auch die südafrikanische Regierung. Das aktuelle BHP-Angebot basiert auch auf der Prämisse einer kompletten Abspaltung der Anteile an den Tochterunternehmen Anglo Platinum (zu 78% im Besitz von Anglo American) und Kumba Iron Ore (70%). Gelingt die Übernahme – also wird ein höheres Angebot angenommen – bekommen bestehende Anglo American Aktionäre somit Aktien von BHP sowie Anteilsscheine von Anglo American Platinum und Kumba Iron Ore eingebucht.

Eine höhere Offerte von BHP gilt als wahrscheinlich (dann vermutlich auch mit einer Cash-Komponente) und dürfte dann vermutlich auch vom Management von Anglo American angenommen bzw. empfohlen werden. Der Anstieg des Kupferpreises seit Februar in die Nähe des Hochs von 2022 spiegelt die wachsende Kupfernachfrage (hauptsächlich aus China) in einem Markt, der sonst durch wenig Vorräte oder nicht zu hohe Anlegerpositionierungen gekennzeichnet ist.

Wer von einer Kupferpreisrally bis 12’000 $ profitieren würde

Viele Marktbeobachter halten Kupferpreise im Bereich von bis zu 12’000 $ pro Tonne in den nächsten Jahren für realistisch. Ein Erreichen dieses Preisniveaus wäre für die Gewinnentwicklung des Sektors unterstützend.

Gut positionierte Bergbaukonzerne mit hohem Kupfer- Exposure sind neben BHP und Anglo American bspw. auch die amerikanische Freeport-McMoRan, Antofagasta aus Chile, Teck Resources aus Kanada und Sumitomo Metal Mining aus Japan. Ferner ist Rio Tinto zu nennen, deren Kupferproduktion mit dem Hochfahren der Förderung an der Oyu-Tolgoi-Mine in der Mongolei stärker wachsen wird. In Europa hat die schwedische Boliden ein nennenswertes Kupferexposure.

Widersprüchliche Signale zur Konjunkturentwicklung

Wie aber passt das Signal von Dr. Copper zu den übrigen Konjunkturindikatoren? Das Bild in Sachen zukünftiger Konjunktur (in den USA, aber auch international) ist angesichts der widersprüchlichen Einflussfaktoren unübersichtlich. Dass der wichtige S&P Global ISM-Manufacturing-Frühindikator, der im Vormonat erstmals leicht über die 50er-Expansionsgrenze gestiegen war, jetzt unter 50 zurückfiel, ist nicht gerade ein Zeichen für eine Konjunkturaufhellung. Das Gleiche gilt für die europäischen Frühindikatoren, die zuletzt überraschend negativ waren.

Die extremen Einbrüche in der chinesischen Immobilienkonjunktur (gedrittelte Nachfrage nach Neubauten) sprachen eigentlich nicht für eine Rohstoffhausse. Die chinesische Nachfrage war bisher immer extrem entscheidend über die Preistendenzen am Rohstoffmarkt. Im Produktionssektor steht China in mehreren Bereichen von Stahl bis Zement für mehr Nachfrage beziehungsweise Produktion als der Rest der Welt.

Schulden, Aufrüstung und Energiewende als Preistreiber

Woher kann ein grösserer Konjunkturaufschwung international, wie Dr. Copper ihn zu signalisieren scheint, also kommen? Im Gegensatz zur US-Notenbank war die US-Regierung mit ihren Rekordraten bei der Neuverschuldung bis zuletzt äusserst expansiv. Die extreme US-Staatsverschuldung könnte also eine Erklärung für die steigenden Rohstoffpreise sein.

Auch China treibt die Staatsverschuldung nach oben, allerdings nicht in einem so starken Ausmass wie in der Finanzkrise. Eine Konjunkturbelebung versucht China auch über eine grössere Stimulierung des Exports zu international sehr wettbewerbsfähigen Preisen (zum Beispiel bei Elektroautos und Solar).

Eine Erklärung für steigende Rohstoffpreise könnte auch die internationale Forcierung um Investitionen in regenerative Energien (Wind, Sonne) und der Bau von Elektroautos und Datenzentren (wo viel Kupfer verwendet wird) sein. Möglich ist auch, dass die Rohstoffnachfrage vorangetrieben wird durch die massive internationale Aufrüstung.

Vielleicht ist die Kupferhausse ganz einfach ein Spiegelbild aus steigender Nachfrage (grüne Energieerzeugung, Krieg) und sehr begrenztem Angebot der Kupferminen, wo es auch aus Umweltgründen Verzögerungen im Angebot gibt. Im Verhältnis zum Angebot an Kupfer überwiegt jedenfalls die in den nächsten zehn Jahren erwartete Nachfrage.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.

Jens Ehrhardt

Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.

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