Sonntag, Dezember 1

Die Aktien deutscher Wohnungsverwalter wie Vonovia und LEG bleiben eine Wette auf sinkende Zinsen. Nur Mutige steigen schon ein, auch wenn die Unternehmen langfristig am Versagen der Politik verdienen.

Deutschlands grösster Vermieter Vonovia ist ein Spielball der Notenbanken. Seit die Zinswende die beträchtlichen Schulden des Bochumer Dax-Konzerns zur Last machte, ist der Aktienkurs von mehr als 50 € auf zeitweise weniger als 20 € gefallen. Seit dem Tief vor rund einem Jahr hat er sich etwas erholt, auf zuletzt knapp 25 €. Das gilt ähnlich auch für Wettbewerber wie LEG oder TAG.

Ist die Zeit reif für den Einstieg bei den Immobilienunternehmen? Schliesslich müssten die doch von politischer Förderung profitieren, weil die Bundesregierung 400’000 Wohnungen pro Jahr bauen will?

Seit der zweiten Märzwoche wissen wir etwas besser, wie es den Betonspezialisten geht. Ausser dem bereits genannten Trio präsentierten auch der Wohnungsvermieter Grand City Properties und der Büroverwalter Alstria ihre Geschäftsberichte und stellten sich Fragen von Analysten und Journalisten.

Die Branche berichtete von einem Schreckensjahr. LEG hat den Wert seiner Immobilien seit dem Höchststand Mitte 2022 um 16% abgeschrieben. LEG-Chef Lars von Lackum wollte wenigstens mit seinem Ausblick für 2024 etwas Zuversicht verbreiten. «Nageln Sie mich nicht darauf fest, ob wir im ersten oder zweiten Halbjahr nochmals eine Abwertung sehen», sagte er, «aber 2023 war der Peak. Das war unser annus horribilis».

Spielball der Notenbanken

Anleger sollten jedoch nicht zu sicher sein, dass der Gipfel des Schreckens wirklich schon hinter der Immobilienbranche liegt. Branchenkenner warnen, dass die Bewertungen in Zeiten ähnlich hoher Zinsen wie aktuell meist 20 bis 30% niedriger waren als auf dem Höhepunkt von 2022. Da wäre also noch Raum nach unten vorhanden.

Der Chef des Büroverwalters Alstria, Olivier Elamine, brachte das Problem auf den Punkt. Die Immobilienmärkte würden durch die Zinsentwicklung getrieben, «die weiterhin einen übergrossen Effekt haben werde». Das heisst: Immobilienaktien bleiben eine Wette auf deutlich sinkende Zinsen.

Anders als zu Jahresbeginn erwarten die Investoren nun keinen drastischen Rückgang der Zinsen mehr. Zuletzt stellten die Anleger sich eher auf eine längere Zeit höherer Zinsen ein. Was zeigt, dass niemand allzu viel Geld auf Zinsprognosen verwetten sollte.

Langfristiger Werttreiber: Politikversagen

Sicher sind die Immobilienmanger dagegen, dass Wohnungen in Deutschland knapp bleiben werden – und somit teuer. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat ihr selbst gestecktes Ziel von 400’000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr klar verfehlt, 2023 sollen es nur 270’000 gewesen sein. 2024 würden es nach Schätzung der Ministerin eher etwas weniger.

Um ihrem Ziel näher zu kommen, sollte Geywitz die Immobilienunternehmen nach Kräften beim Bau bezahlbarer Wohnungen unterstützen. Davon war bei den Bilanz-Präsentationen der Branche jedoch nichts zu spüren, im Gegenteil.

LEG-Chef von Lackum berichtete mit Bedauern, dass er die Projektentwicklung eingestellt habe. Zu den herrschenden Bedingungen könne nur bauen, wer hernach Quadratmeter-Kaltmieten von 18 bis 21 € verlange. «Das passt nicht zu uns», sagte von Lackum. Die Durchschnittsmiete bei der LEG liegt unter 7 € je Quadratmeter.

Die Politik hat es in der Hand, die grossen Immobilienunternehmen wieder zum Bauen zu bewegen. «Wir brauchen grosse Flächen in der Nähe der Städte, wo wir auch mal tausend Wohnungen seriell bauen können», forderte der LEG-Chef. «Ohne Standardisierung wird es nicht gehen.»

Kosten in Höhe der Bundeswehr-Zeitenwende

Vonovia-Chef Rolf Buch bezifferte noch die finanzielle Dimension der Aufgabe: «Der Neubau von 400’000 Wohnungen kostet 100 Mrd. € jährlich.» Dazu kämen weitere 120 Mrd. € per annum für die Dekarbonisierung des Wohnungsbestands. Das werde der Staat kaum ohne die Hilfe privater Investoren stemmen können. Der Finanzierungsbedarf ist mehr als doppelt so gross wie das Sondervermögen für die Bundeswehr – und zwar pro Jahr.

Höchste Zeit also, dass die Politik die nötigen Bedingungen schafft, damit privates Geld die Wohnungsnot lindern kann. Skalenvorteile und Innovationskraft der Unternehmen können bezahlbare Mietwohnungen schaffen, anders als folgenlos proklamierte Ziele einer Bundesministerin.

Das ist jedoch vor allem eine gesellschaftspolitische Frage. Für die Aktionäre ist nicht Klara Geywitz entscheidend, sondern vor allem EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

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