Donnerstag, Januar 30

Nach dem Verkauf der Marke Christian Lacroix Anfang Jahr ist eine alte Hoffnung der Modewelt wieder da: dass der einstige Couturier zurückkehren werde. Warum eigentlich?

Besucht man heutzutage das Instagram-Profil des Designers Christian Lacroix, wird man mit einer Textwand konfrontiert. Nicht mit Bildern von Kleidern oder Kostümen. Nicht einmal mit den leuchtenden Farben, die man von ihm kennt. Nur mit Buchstaben, schwarz auf weiss. Sie sollen in Französisch, Spanisch und Englisch für Klarheit sorgen. Denn als Anfang Jahr bekanntwurde, dass Christian Lacroix, die Marke, an eine spanische Firma verkauft wurde, war schnell die Rede von einem Comeback von Christian Lacroix, dem Designer. Hoffnungsvolle Storys wurden gepostet, euphorische Tweets abgesetzt. Edina Monsoon aus der Neunziger-Jahre-Sitcom «Absolutely Fabulous», die wohl leidenschaftlichste Lacroix-Trägerin aller Zeiten, wurde zitiert.

«Ich möchte betonen, dass ich nicht persönlich an dieser Transaktion beteiligt bin», schrieb aber Christian Lacroix, der Designer, am 13. Januar in Grossbuchstaben, «und dass diese Ankündigung in keinster Weise meine Rückkehr auf den Laufsteg bedeutet!» Er werde sich mit den neuen Besitzern treffen und sich austauschen. Seither hat man nichts mehr darüber erfahren.

Doch die begeisterte Reaktion auf die mögliche Rückkehr eines 73-jährigen Modedesigners, der sich ab 2009 auf Bühnenkostüme fokussiert hat und schon zu seinen Blütezeiten leicht aus der Zeit gefallen war, zeigt einmal mehr dessen nachhaltigen Einfluss.

Designer der Superlative

Man kann über Christian Lacroix nicht ohne Superlative schreiben. Er war oft der Phantasiereichste, der Überschwänglichste. Er nutzte die prächtigsten Stoffe und schneiderte sie zu den üppigsten Silhouetten. Für manche war er gar der letzte Couturier. Zunächst einmal war er aber der Erste: Der erste Designer, der zusammen mit dem Unternehmer Bernard Arnault und dessen Firma Financière Agache (später der Luxuskonzern LVMH) sein eigenes, gleichnamiges Modehaus lancierte. 1987 war das, als der Mann aus Arles in seinen Mittdreissigern schon in Montpellier und Paris Kunstgeschichte studiert und beim Couture-Haus Jean Patou seine Vision gefestigt hatte.

Die traditionsreiche Disziplin der Haute Couture war damals längst auf dem absteigenden Ast. Aber Lacroix, mit seinem Faible für historische Vorbilder und seinem totalen Mangel an Zurückhaltung, galt als ihr Retter. Couture solle «fun, foolish, almost unwearable» sein, sagte er bei seinem Debüt dem «Time Magazine», und er lieferte über die kommenden Jahrzehnte genau das.

Ein Kreuz mit Juwelen

Mit Seidentaft, der seine Farbe bei jeder Bewegung magisch zu wechseln schien, formte er Skulpturen am Körper. Seine üppig bestickten Mieder glitzerten wie Kronjuwelen. Der Einfluss aus dem Süden kam in Roben, rot wie die Umhänge spanischer Stierkämpfer, und in Tupfen, die wie beim Flamenco über Kleider tanzten. Ballonröcke, die perfekte Silhouette für die Dekadenz der späten achtziger Jahre, erinnerten an die Krinolinen des 19. Jahrhunderts. Getragen wurde das alles von Ivana Trump, Prinzessin Gloria von Thurn und Taxis und Prinzessin Diana.

Eine Jacke mit einem juwelenbesetzten byzantinischen Kreuz aus der Couture-Kollektion für Herbst 1988 von Christian Lacroix landete gar auf dem ersten «Vogue»-Cover von Anna Wintour. Ihr Prunk wurde von der blauen Jeans gebrochen, die das Model dazu trug. Die lässige Hose sollte eine Vorbotin sein für die kommende Dekade.

Denn als die neunziger Jahre fortschritten und alles minimaler wurde, entsprach die Mode von Lacroix nicht mehr dem Zeitgeist. Jüngere Designer wie John Galliano konnten ähnlich theatralisch sein und produzierten gleichzeitig Accessoires, die sich gut verkauften. Lacroix’ Label hingegen schrieb laut dem «Wall Street Journal» während seiner Existenz nie schwarze Zahlen, trotz zahlreichen Kooperationen, einer Prêt-à-porter-Linie und Parfums. 2005 verkaufte LVMH es an eine amerikanische Investmentfirma.

«Christian Lacroix forever»

2009 zog diese den Schlussstrich unter die Couture-Linie von Christian Lacroix. Die meisten Mitarbeitenden wurden entlassen, Lizenzen wurden verkauft. An der letzten Show, finanziert durch Spenden von Freunden und Bewunderern, flossen Tränen. «Christian Lacroix forever» stand in geschwungener Schrift auf einem Banner, das die Angestellten des Couturiers auf dem Laufsteg hochhielten. Nur Christian Lacroix selbst weinte nicht: Für ihn habe gleichzeitig ein neues Leben begonnen, erklärte er später.

Hatte er schon zuvor gelegentlich Kostüme für Oper und Ballett entworfen, konzentrierte er sich nun voll darauf. Die Bühne fütterte seine Faszinationen und nahm seine Opulenz und sein historisches Wissen dankend an. Er habe immer ambivalente Gefühle gegenüber der Modebranche gehegt, sagte Lacroix in Interviews, und sich nie wirklich als Modedesigner gesehen. Nur seinen Namen hätte er gerne zurück, und den Zugriff auf sein Archiv.

Die neuen Besitzer

Vielleicht gewähren ihm die neuen Besitzer Letzteren. Schliesslich tauchen heute wieder Stars wie Rihanna und Jennifer Lawrence in seinen alten Kollektionen auf dem roten Teppich auf. Doch noch ist über die Pläne für Christian Lacroix, das Label, nichts bekannt. Die Sociedad Textil Lonia scheint limitierte Erfahrungen mit Luxusmode zu haben: Die beiden anderen Marken der spanischen Textilfirma, Purificación García und CH Carolina Herrera, bewegen sich beide im mittleren Preissegment. «Wir werden alles Mögliche tun, um sicherzustellen, dass das einzigartige Talent des Gründers und sein unschätzbarer Beitrag zur Modewelt ihr volles Potenzial erreichen», liess sich das Unternehmen nach dem Kauf zitieren.

Der letzte Tag in der Mode

Trotzdem scheint eine Rückkehr von Christian Lacroix, dem Designer, für viele nicht gänzlich abwegig. Vielleicht, weil es sie schon einmal gab: 2019 lud der belgische Designer Dries Van Noten ihn zu einer gemeinsamen Kollektion ein. Hätte sie ein Clash zweier unvereinbarer Ästhetiken werden können, war sie stattdessen eine Verschmelzung zweier ungleicher Modeseelen. Die strahlenden Farben und sorgfältigen Rüschen von Lacroix waren da, doch dank der Lockerheit von Van Noten schienen sie gewappnet für die Zukunft. Und für den Moment wirkte diese damit irgendwie zauberhafter.

«Es war wunderbar», sagte Lacroix damals gegenüber der «New York Times», «aber dies ist mein letzter Tag in der Mode.»

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