Sonntag, April 27

Wer zur falschen Tageszeit trainiert, tut sich keinen Gefallen. So gelingt eine gesunde Morgen- und Abendroutine.

Direkt nach dem Aufwachen an die Klimmzugstange und vor dem Zubettgehen zwanzig Minuten Treppenlaufen. Klingt verrückt? Ist es auch. Denn der Körper und seine Funktionen folgen verschiedenen Biorhythmen. Darunter ist der zirkadiane Rhythmus, der sich über 24 Stunden erstreckt, mit der einflussreichste; er hat erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Wie erheblich, das zeigte vor zehn Jahren eine Studie der Universität Birmingham anhand von Eishockeyspielern. Gemäss dieser Studie beträgt die Differenz in der Fitnessleistung je nach Tageszeit bis zu 26 Prozent. Interessanterweise unterscheiden sich die Resultate je nach Chronotyp deutlich – also ob jemand eher Frühaufsteher oder Nachtmensch, eher Lerche oder Eule ist. Bei den Lerchen variiert die Fitnessleistung gemäss der Studie nur um 8 Prozent. Und sie erreichen ihr Leistungshoch schon sechs Stunden nach dem Aufstehen, die Eulen erst nach elf.

Frühmorgens eine Joggingrunde

Markus de Marées von der Fakultät für Sportwissenschaft der Universität Bochum verortet die Optimalzeit für körperliche Leistung je nach Veranlagung und Zeitpunkt des Aufstehens zwischen 8 und 13 Uhr beziehungsweise 16 und 21 Uhr. Am frühen Morgen hat dagegen niemand sein Leistungshoch. Darum ist für die Morgenroutine lockeres Ausdauertraining eine gute Wahl, also leichtes Joggen oder Radfahren im aeroben Bereich, sprich in einem Tempo, in dem man sich mühelos unterhalten kann.

Einige Forschende sehen darin spezifische Vorteile für die Gewichtsreduktion. In einer Studie der Universität von North Carolina von 2020 verlor eine Gruppe von Frühsportlern knapp viermal so viel Gewicht wie die Vergleichsgruppe, die am Abend trainierte, bei gleichem Kalorienverbrauch. Bei einer dritten Gruppe, die mal früh, mal spät trainierte, lag der Abnehmeffekt in der Mitte. «Morgentraining wird mit einer geringeren Kalorienaufnahme und einer besseren Appetitkontrolle in Verbindung gebracht», sagt de Marées. Für die Herzgesundheit spielt es hingegen keine Rolle, ob die Joggingrunde am Morgen oder später am Tag absolviert wird.

Ziemlich verkehrt ist es, vor dem Frühstück ein Intervalltraining zu absolvieren oder Gewichte zu stemmen. Denn der Griff ins Energiereservoir der Leber geht dann ins Leere, die Trainingseinheit wird zur Tortur und ist wenig effizient. Und schlimmer noch: Am Morgen ist der Cortisolspiegel hoch. Das als Stresshormon bekannte Cortisol wirkt katabol, begünstigt also den Muskelabbau. De Marées rät, frühestens eineinhalb bis zwei Stunden nach dem Aufstehen Kraftsport einzuplanen. Dann beginnt der Cortisolspiegel zu sinken. Zudem ist die Muskulatur besser durchblutet und die Körpertemperatur höher als direkt nach dem Aufstehen.

Der Sportwissenschafter relativiert allerdings: «Ich kenne mehrere Athleten, die morgens Krafttraining praktizieren, auch wenn es aus sportwissenschaftlicher Sicht nicht die beste Tageszeit dafür ist.» In diesem Fall rät er zu einem vorgängigen Frühstück. «Eine kleine Mahlzeit mit Kohlenhydraten wie Haferflocken und Bananen kann helfen, den Glykogenspeicher leicht aufzufüllen, Proteinquellen wie Joghurt oder Quark liefern Aminosäuren, um den katabolen Effekt von Cortisol zu kompensieren.»

Vorteile hat das frühe Training in motivationaler und praktischer Hinsicht. Am Morgen kommt einem nichts dazwischen, und wer seinen Sport gemacht hat, startet mit einem positiven Gefühl in den Tag. Auch der Kopf profitiert. So fand eine Studie der New York University von 2017 zwei Stunden nach dem Sport eine Verbesserung von Arbeitsgedächtnis, Problemlösekompetenz und verbaler Gewandtheit. Forschende aus Hongkong und Singapur stellten in einer 2021 publizierten Studie fest, dass Jugendliche, die am Morgen frühstücken und Sport treiben, in Prüfungen besser abschneiden.

Am Abend ist Timing alles

Kraft- und Intervalltraining plant man am besten während der Leistungshochs ein. Für Berufstätige bedeutet das in der Regel: am späten Nachmittag oder frühen Abend. Wer sich danach noch alles abverlangt, tut das auf Kosten des Schlafs. «Körperliche Aktivität ist ein Taktgeber für unseren Körper, und unsere innere Uhr richtet sich daran aus», sagt Carolin Reichert von den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, die auf Chronobiologie und Schlafforschung spezialisiert ist.

Je näher eine starke körperliche Belastung der Ausschüttung des Melatonins am Abend sei, desto eher verschiebe sich die biologische Nacht. Leichtes Yoga oder Stretching dagegen können entspannend wirken und sind vermutlich auch am fortgeschrittenen Abend folgenlos möglich.

Neben der reinen körperlichen Bewegung sei auch die Umgebungstemperatur wichtig, so Reichert: «Schwimmen in kaltem Wasser macht unseren Körper wach, während ein warmes Bad das Einschlafen fördern kann.» Bezogen aufs Einschlafen empfiehlt sie ritualisierte Abläufe. Aber nur, solange diese als angenehm empfunden würden. «Wenn ich mich zu sehr unter Druck setze, am Abend zwingend durch ein Ritual zu entspannen, ergibt sich eher ein konträrer Effekt.»

Generell rät Reichert, auf das Körpergefühl zu hören. «Man sollte zu Bett gehen, wenn man das Müdigkeitssignal spürt, nicht nach Uhrzeit. Schlafhygiene kann auch missverstanden werden mit zu rigiden Regeln.» Ohnehin kursieren falsche Vorstellungen. So beeinflusst etwa das Bildschirmlicht des Mobiltelefons oder E-Readers die Melatonin-Ausschüttung durchaus, aber der Effekt ist minimal. Reichert spricht von rund zehn Minuten.

Auch de Marées rät dazu, beim Blick auf den Biorhythmus die Relationen zu beachten. «Im Freizeitsport ist die Regelmässigkeit des Trainings sehr viel einflussreicher als der Tageszeitpunkt, zu welchem ich trainiere.»

Ein Artikel aus der «»

Exit mobile version