Sonntag, November 24

Die überraschend zahlreichen Stimmen der Schwarzen und Latinos waren mitverantwortlich für Trumps Sieg. Im Gespräch erklären einige von ihnen, warum sie mit den Demokraten gebrochen haben und nicht mehr über Rassismus reden mögen.

Es ist paradox: Kaum ein Präsidentschaftskandidat hat sich so oft so abschätzig über Schwarze geäussert wie Donald Trump, und trotzdem war er so erfolgreich bei den afroamerikanischen Wählern wie kein anderer Republikaner seit 1964. Er hat sowohl bei schwarzen Männern wie auch bei Frauen zugelegt. Dasselbe gilt für die Latinos, ob männlich oder weiblich. Dieser Trend ist umso bemerkenswerter, als mit Kamala Harris eine Kandidatin mit einem jamaicanischen Vater zur Wahl stand. Sie hätte also insbesondere schwarze Wähler ansprechen können – und die Frauen sowieso. Zwar muss man die Relationen wahren – immerhin stimmte immer noch eine klare Mehrheit der Schwarzen demokratisch –, aber die Verschiebungen sind doch auffällig.

Die Tendenzen sind auch ein Schlag ins Gesicht der Identitätspolitik. Entgegen dem linken Zeitgeist verlieren Kategorien wie Hautfarbe und Geschlecht an Bedeutung im Wahlverhalten. People of Color wählen nicht automatisch Nichtweisse, und Frauen wählen nicht automatisch Frauen. Das ist eigentlich eine gute Nachricht. Denn entscheidend in einer Demokratie sollte die individuelle politische Überzeugung sein und nicht die kollektive Gruppenzugehörigkeit. Um das Schlagwort Diversität gegen sich selbst zu wenden: Es bedeutet, dass die Afroamerikaner als Gruppe diverser geworden sind und politisch-weltanschaulich keinen homogenen Block bilden. Die Frage ist natürlich, ob umgekehrt die Weissen und die Männer ebenso offen und vorurteilslos für Nichtweisse und Frauen stimmen, wenn sie deren Überzeugungen teilen.

Trump verkörpert Freiheit

Joyce Drayton zum Beispiel, eine schwarze Ärztin in Atlanta, die Trump wählte, äussert sich in der Wahlnacht kritisch über die Demokraten. «Ich habe die Demokratische Partei vor vier Jahren nicht verlassen; die Partei hat mich verlassen», sagt sie im Gespräch. Besonders hat sie gestört, dass Kamala Harris, als «Grenz-Zarin», nichts gegen die ungebremste Einwanderung unternommen habe. In den grossen Städten wie New York und Chicago sei das Chaos bei den illegal eingereisten Immigranten auch auf Kosten der schwarzen Gemeinschaft gegangen.

«Es hat mich zunehmend genervt», sagt sie, «dass Leute wie ich, die finden, man müsse wissen, wer die Grenze überquere, von den Medien als Rassisten dargestellt werden. Oder als rechte Extremistin, weil ich nicht will, dass die Kinder schon in der ersten Klasse mit sexuell explizitem Material konfrontiert werden.» Man müsse jemanden nicht mögen, um ihn zu wählen, sagt sie. Entscheidend sei seine Politik, und hier habe Trump zum Beispiel mit dem Platinum Plan zur Förderung der afroamerikanischen Ökonomie viel Konkretes getan.

Für Lisa Kinnemore, eine schwarze Marketingfachfrau in Atlanta, verkörpert Trump Freiheit. Damit meint sie Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit, aber auch im Besonderen die freie Schulwahl. Die Demokraten sind für sie die Partei der ideologischen Gängelung, der Redeverbote, der weltanschaulichen Bevormundung.

«Trump hat den Afroamerikanern mehr genützt»

Azad Ahmadi ist Gründer und CEO des Bauunternehmens Construction in Atlanta. Auch er hat für Trump gestimmt. «Ich stimme mit seiner Wirtschaftspolitik überein», sagt er. «Während seiner Präsidentschaft entstanden hier massenhaft Hochhäuser. Dieser Boom hörte vor vier Jahren auf.» Ob Trump persönlich Schwarze möge oder nicht, sei ihm egal. Unterm Strich habe er als Präsident den Afroamerikanern mehr genützt als Biden. Das sei das Einzige, was zähle.

«Seit 1964 haben die Schwarzen für die Demokraten gestimmt», sagt er. Gebracht habe es ihnen ausser schönen Worten nicht viel. Man müsse die ganze Fixierung auf Rassismus, Diskriminierung und Opferstatus hinter sich lassen, wenn man es zu etwas bringen wolle, sagt er.

Er verweist auf die Asiaten in den USA. «Die sind inzwischen erfolgreicher als die Weissen. Wir Schwarzen haben immer den Verdacht, dass die Weissen hinter allem stecken. Aber die haben ja die Asiaten sicher nicht so manipuliert, dass sie sie überholen.» Nein, der Unterschied sei, dass sich die Asiaten auf ihre eigenen Angelegenheiten konzentrierten und der Verachtung oder dem Respekt der andern nicht zu viel Beachtung schenkten.

Zurück zur Farbenblindheit

«Wir sollten uns nicht von den Medien und Intellektuellen sagen lassen, wann wir uns empören müssen.» Dieser linke Mindset bringe die Schwarzen nicht weiter, sondern sperre sie in einen gedanklichen Käfig ein. «Hört auf mit diesem linken Hate-Speech, der uns auf der Stelle treten lässt», sagt er. «Rassismus hat keine Macht über mich in meinem Haushalt hier in Atlanta mit seinen 11 000 schwarzen Millionären. Den Unterschied zwischen den Habenden und den Habenichtsen macht aus, ob du all die emotional aufgeladenen Kontroversen loslassen kannst und einfach schaust, was hinhaut und was nicht.»

Eigentlich plädiert er für Farbenblindheit, die unter Liberalen und Linken lange als Ideal galt, bis sie vom jüngeren Antirassismus als naiv und verlogen gebrandmarkt wurde. Aber vieles deutet darauf hin, dass viele Afroamerikaner selbst mit all den «progressiven» Diskursen darüber, wie sehr sie immer noch versklavt und kolonisiert werden, wenig anfangen können, sondern sie im Gegenteil als bevormundend empfinden. Als sich der Sieg von Trump abzeichnete, sagte eine schwarze Republikanerin bei der Feier im Grand-Hyatt-Hotel in Atlanta zu ihren Kolleginnen: «Jetzt steigt die Anti-Sklaverei-Party. Wir sind nicht mehr auf der Plantage.»

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