Mittwoch, März 19

Das Land hat die Energiewende gemeistert und ist daher vor globalen Krisen besser geschützt. Auch die Migration leistet einen Beitrag zum Erfolg des Landes.

Jaime Fernández ist stolz auf die neue Solaranlage auf seinem Hausdach. 12 000 Euro hat sie ihn gekostet. Doch 3000 Euro bekam er bereits als Rückzahlung vom Finanzamt, und einen ähnlichen Betrag wird er vom EU-Förderprogramm Next Generation erhalten. «Unser Reihenhaus hat eine mit Strom betriebene Fussbodenheizung. Früher machte mir die Stromrechnung in den Wintermonaten Kopfzerbrechen, aber jetzt decken wir unseren Strombedarf selbst», sagt Fernández. Er lebt mit seiner Familie im Madrider Vorort Pozuelo.

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Spanien hat im letzten Jahr 55,8 Prozent seines Strombedarfs mit erneuerbaren Energien gedeckt. Der neue Rekord veranlasste die Regierung unlängst, das Ziel für Ökostrom im Jahr 2030 auf 81 Prozent hochzusetzen, während Deutschland laut dem Expertenrat der Bundesregierung seine Zielvorgaben wohl verfehlen dürfte.

Die Strompreise sind gesunken

Dank technologischen Fortschritten und sinkenden Preisen bei den Solarmodulen ist in Spanien Ökostrom billiger als konventioneller Strom aus Kohle oder Atomkraft. Laut dem spanischen Stromportal costeenergia.es ist der Durchschnittspreis von einer Kilowattstunde in den vergangenen vier Jahren von 0,22 Euro auf 0,14 Euro gesunken.

Davon profitieren nicht nur Privatkunden wie Fernández, sondern auch die Unternehmen. Die niedrigen Stromkosten locken ausländische Investoren wie Blackstone und Amazon an, die Milliarden in die Errichtung von neuen Rechenzentren stecken, die mit Ökostrom versorgt werden. Dank seiner schnellen Dekarbonisierung hat Spanien in Europa eine führende Position bei grünen Wasserstoffprojekten.

Der Ausbau von technologisch anspruchsvollen Sektoren zahlt sich aus. Die viertgrösste Volkswirtschaft in der Euro-Zone ist im letzten Jahr um 3,2 Prozent gewachsen. Deutschlands Wirtschaft schrumpfte dagegen um 0,2 Prozent, Italien musste sich mit einem Anstieg von 0,5 Prozent begnügen und Frankreich mit einem Anstieg von 1,1 Prozent.

Das britische Magazin «The Economist» kürte Spanien Ende 2024 zum Land mit der leistungsfähigsten Wirtschaft unter den 37 OECD-Staaten. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez versicherte nun, dass sein Land auch dieses Jahr die OECD-Rangliste anführen wolle. Die Rahmendaten sind positiv. Die Binnennachfrage treibt das Wachstum mit an.

Die privaten Haushalte können mehr konsumieren, weil die Regierung dank den sprudelnden Steuereinnahmen den Gaspreis deckelte und die Stromtarife subventionierte. Im öffentlichen Nahverkehr gibt es seit 2022 Rabatte zwischen 30 und 50 Prozent, und der Mindestlohn, der vor sieben Jahren noch bei 735 Euro lag, ist sukzessive auf fast 1200 Euro erhöht worden. Man habe das neoliberale Dogma, dass die Erhöhung des Mindestlohns mit der Schaffung von neuen Arbeitsstellen unvereinbar sei, widerlegt, sagte Sánchez.

Boomender Arbeitsmarkt

In der Tat wurden auf dem spanischen Arbeitsmarkt binnen eines Jahres 500 000 neue Stellen geschaffen, das waren dreimal so viele wie in Deutschland und Frankreich zusammen. Die Zahl der Beschäftigten stieg im Februar auf ein Rekordhoch von 21,5 Millionen. Für die Besetzung der neuen Stellen war das Land mehrheitlich auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Seit 2021 sind jährlich eine halbe Million Migranten nach Spanien gekommen.

«Das war ein weiterer Faktor für unser Konjunkturwachstum», sagte der Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo jüngst an einer Investorenkonferenz in Madrid. Dank der Migration ist die Bevölkerung trotz rückläufigen Geburtenraten seit 2019 um 1,7 Millionen auf 48,6 Millionen Menschen angestiegen. Die Mehrzahl der Neuankömmlinge stammt aus Lateinamerika. Ihre Integration ist aufgrund der gemeinsamen Sprache und Religion viel einfacher als jene der Migranten in Italien oder Deutschland, die auch deshalb weniger Berufschancen haben, weil sie die neue Sprache noch nicht beherrschen.

Angeschoben wurde das Wachstum auch durch den europäischen Corona-Wiederaufbaufonds. Dem Land wurden in Brüssel 160 Milliarden Euro zugesprochen, von denen bislang 45 Milliarden abgerufen wurden. Bis Ende 2026 bleibt ein Polster von 115 Milliarden. Die hohen öffentlichen Ausgaben sind mitverantwortlich für das überdurchschnittliche Wachstum des Landes.

Nach dem Ende der Pandemie ist auch der Tourismus wieder zu einer wichtigen Säule der Konjunktur geworden. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der ausländischen Besucher um 10 Prozent auf einen Rekord von 93,8 Millionen. Damit ist Spanien hinter Frankreich (100 Millionen Besucher) das zweitgrösste Reiseziel auf der Welt. Die Einnahmen aus dem Tourismus sind wegen des Preisanstiegs in der Branche gar um 16 Prozent auf 126 Milliarden Euro gestiegen.

Geringere Anfälligkeit für externe Erschütterungen

Spanien war und ist im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern nicht vom russischen Erdgas abhängig. Spaniens Hauptlieferant ist Algerien. Damit war nach der Invasion der Ukraine vor drei Jahren die Gasversorgung auf der Iberischen Halbinsel weiter gesichert, und der Preisanstieg blieb unter Kontrolle.

Auch der drohende Zollkrieg mit den Vereinigten Staaten dürfte Spanien weniger treffen als andere EU-Länder. Im vergangenen Jahr beliefen sich die spanischen Exporte in die USA gerade einmal auf 18 Milliarden Euro, das entspricht 1,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) und liegt deutlich unter dem Durchschnitt von 3,1 Prozent in der Euro-Zone. Der geringe Handel mit den USA entpuppt sich für Spanien nun als Vorteil.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet für Spanien dieses Jahr ein Wachstum von 2,3 Prozent. Damit hätte das Land erneut die robusteste Konjunktur in der Euro-Zone. Diese muss sich laut dem IWF mit einem Plus von nur 1 Prozent begnügen.

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