Die Idee des amerikanischen Präsidenten, zwei Millionen Palästinenser umzusiedeln, weckt im jüdischen Staat Begehrlichkeiten. Dennoch sind viele Israeli skeptisch – und fragen sich, was hinter dem Manöver steckt.
Ein paar wenige Sätze von Donald Trump reichten aus, um den Nahen Osten in Aufruhr zu versetzen. Die USA würden den Gazastreifen «übernehmen» und «besitzen», zwei Millionen Palästinenser permanent umsiedeln und eine «Riviera des Nahen Ostens» bauen, sagte der amerikanische Präsident am Dienstagabend während einer Pressekonferenz mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Seither schwankt die Region zwischen Erstaunen, Entsetzen und – vor allem in Israel – Euphorie.
Letztgenanntes trifft in erster Linie auf Netanyahus rechtsextreme Koalitionspartner zu, was kaum überraschen darf: Schon lange träumen sie davon, die Palästinenser aus Gaza zu vertreiben und dort jüdische Siedlungen zu bauen. Trumps Vorschlag scheint diesen Phantasien Flügel zu verleihen. Aus Sicht der Siedlerbewegung gibt es nur einen kleinen Schönheitsfehler: die amerikanischen Besitzansprüche. Das Land Israel soll laut der Bibel den Juden gehören.
Trumps Gaza-Pläne finden in Israel allerdings bis tief in die politische Mitte hinein Sympathien. Benny Gantz, ein erbitterter politischer Gegner Netanyahus, sagte am Mittwoch, Trump habe «kreative, originelle und interessante Gedanken» präsentiert, die geprüft werden müssten. Der zentristische Politiker Yair Lapid sprach derweil von einer «guten Pressekonferenz für den Staat Israel». Nun müsse man die Details des Plans genau studieren. Auf resolute Ablehnung stossen die Vorschläge des amerikanischen Präsidenten eigentlich nur im linken Lager, das allerdings nur rund zehn Prozent der Bevölkerung repräsentiert.
Permanente oder temporäre Umsiedlung?
Insgesamt fällt aber auf, dass sich kaum jemand in Israel uneingeschränkt hinter Trumps Gaza-Pläne stellt. Dies gilt nicht zuletzt für Benjamin Netanyahu, der am Dienstagabend selbst etwas überrumpelt schien. Mittlerweile hat Netanyahu zwar in einem Interview bei Fox News festgehalten, die Ideen seien «bemerkenswert» und müssten «geprüft, verfolgt und umgesetzt werden». Dennoch wollte er anders als Trump nicht von einer permanenten Umsiedlung sprechen: «Was ist falsch daran, den Menschen im Gazastreifen, die gehen wollen, die Ausreise zu ermöglichen? Sie können gehen, dann können sie zurückkommen.»
Selbst im Weissen Haus scheint keine wirkliche Klarheit über die Pläne von Donald Trump zu herrschen. Während dieser eindeutig von einer dauerhaften Umsiedlung gesprochen hatte, hielten sowohl die Pressesprecherin Karoline Leavitt als auch Aussenminister Marco Rubio fest, dass eine solche nur temporär wäre, um den Wiederaufbau des Gazastreifens zu erleichtern. Trotzdem bereitet man sich in Israel bereits darauf vor, Trumps Idee zumindest teilweise umzusetzen. Am Donnerstag verkündete Verteidigungsminister Israel Katz, er habe die Armee angewiesen, einen Plan auszuarbeiten, um die «freiwillige Ausreise» von Palästinensern zu ermöglichen.
Gleichzeitig hat Katz am Freitag klargestellt, dass Kritik an den Plänen des amerikanischen Präsidenten nicht erwünscht ist: Am Freitag wies er den Armeechef Herzl Halevi an, Shlomi Binder, den Chef des Militärgeheimdiensts, zurechtzuweisen. Dieser hatte öffentlich davor gewarnt, dass eine Umsiedlung der Bevölkerung des Gazastreifens zu einer Gewalteskalation im Westjordanland führen könnte. «Es wird keine Situation geben, in der sich Offiziere gegen den wichtigen Plan von Präsident Trump aussprechen», sagte Katz.
Israel will Trump nicht brüskieren
Allerdings haben nicht nur Militärs Skepsis gegenüber Trumps Ideen geäussert. Auch in den israelischen Medien wiesen zahlreiche Kommentatoren auf Risiken hin und nannten die Pläne, zwei Millionen Palästinenser umzusiedeln, unrealistisch. Dies dürfte der israelischen Regierung durchaus bewusst sein. Gleichzeitig scheint sie aber Donald Trump nicht vor den Kopf stossen zu wollen, weil sie sich viel von ihm verspricht. Mehrere israelische Beobachter gehen denn auch davon aus, dass es sich bei Trumps Vorschlag weniger um einen konkreten Plan als vielmehr um eine verhandlungstaktische Drohung handelt, mit der gegenüber arabischen Staaten und der Hamas Druck aufgesetzt werden soll.
Der Sicherheitsexperte Amos Harel von der linken Tageszeitung «Haaretz» spekuliert zudem, dass es den Amerikanern darum gehe, im Zusammenhang mit der Waffenruhe im Gazastreifen die israelische Regierung zu stabilisieren. Denn anders als Netanyahus rechtsextreme Koalitionspartner wünsche sich Trump, dass das Abkommen zwischen Israel und der Hamas vollständig umgesetzt und der Krieg beendet werde. Mit seinen Plänen schaffe Trump womöglich einen Anreiz für die extreme Rechte, das Abkommen mit der Hamas doch noch zu unterstützen.
Am Dienstag hatte Trump denn auch verkündet, dass er in vier Wochen die Position seiner Regierung zu einer möglichen Annexion des Westjordanlands – ein weiterer Wunschtraum der israelischen Rechten – bekanntgeben wolle. Diese Frist fällt mit dem Ende der ersten, 42-tägigen Phase der Waffenruhe zusammen. Es ist denkbar, dass Trump damit den Rechtsextremen ein weiteres Zuckerbrot vor die Nase hält, um sie auch für die zweite Phase des Abkommens zu gewinnen.