Eher unerwartet hat die Migros mit Media Markt für einen Teil ihrer Elektronik-Fachmärkte einen Interessenten gefunden. Der deutsche Händler sieht darin eine Chance, seine Strategieanpassung rascher voranzubringen. Kann die Rechnung aufgehen?

«Ich bin doch nicht blöd» war ein Werbespruch von Media Markt, der auch Jahre später noch in den Köpfen steckt. Vielleicht fiel der Spruch diese Woche dem einen oder anderen Beobachter wieder ein, als Media Markt die Übernahme von 20 von 37 Melectronics-Läden ankündigte. Was für die Mitarbeiter der Migros-Elektronikkette erfreulich ist, hat Brancheninsider überrascht. Einen Ausbau des Filialnetzes würde man im gegenwärtigen Umfeld nicht erwarten. Im Gegenteil.

Denn: Bei keiner anderen Warengruppe haben sich die Umsätze so stark vom stationären Handel ins Internet verlagert. Der Online-Anteil bei der Unterhaltungselektronik hat mit der Corona-Pandemie einen Schub erhalten und betrug vergangenes Jahr in dieser Kategorie laut dem Marktforschungsinstitut GfK 53 Prozent, Tendenz steigend.

Tiefe Preise, gesättigter Markt

Nicht nur der Online-Trend erschwert die Situation, sondern auch andere Faktoren spielen eine Rolle: Anders als die meisten Waren ist Unterhaltungselektronik in der Schweiz günstiger als im angrenzenden Ausland. Das mag die hiesigen Händler zwar vor Umsatzabwanderung durch Einkaufstourismus bewahren, doch der Preiskampf drückt auf die Margen.

Dazu kommt eine Marktsättigung. In den Corona-Jahren haben sich viele Leute mit neuen Geräten eingedeckt und brauchen erst einmal keinen Ersatz. Zudem kann wieder ein grösserer Teil des Haushaltsbudgets für Reisen und andere Freizeitaktivitäten eingesetzt werden. All das lässt für die nächsten Jahre eher stagnierende oder gar rückläufige Umsätze erwarten.

Warum also investiert Media Markt in einer solchen Ausgangslage in neue Geschäfte? Immerhin verdoppelt die Firma damit beinahe die Anzahl ihrer Standorte von 25 auf 45. Ironischerweise liegt eine Begründung für den Schritt gerade im veränderten Kundenverhalten hin zum Einkauf im Internet. Genauer: in der Verzahnung von Online- und stationärem Handel.

Die riesigen Läden sind zu gross

Oft informieren sich Kunden erst im Internet und möchten ein Gerät im Laden anschauen oder abholen. Andere lassen sich vor Ort beraten und bestellen ein Produkt danach online. Viele machen das lieber in der Mittagspause, nach Feierabend oder wenn sie sowieso für den Lebensmitteleinkauf in den Supermarkt gehen. Immer weniger wollen dafür extra in ein Gewerbegebiet am Stadtrand fahren – selbst wenn dort ein riesiger Media Markt steht.

Während beispielsweise Interdiscount die Anzahl seiner XXL-Filialen in den letzten Jahren von 25 auf unter 10 verringert hat, besteht das Filialnetz von Media Markt hierzulande ausschliesslich aus grossflächigen Märkten – bis jetzt.

Diese überholte Filialstrategie spiegelt sich in den Umsätzen des Unternehmens. Seit 2016 sind sie in der Schweiz laut GfK um 20 Prozent gesunken, von 754 auf 601 Millionen Franken. Der Versuch, die Schwestermarke Saturn zu etablieren, ist gescheitert. Dass die Ländergesellschaft in dieser Zeit mehr als ein halbes Dutzend verschiedene Chefs und Interimsleiter hatte, dürfte dem Geschäftsgang nicht geholfen haben.

Weisse Flecken auf der Landkarte füllen

Seit April leitet Jan Niclas Brandt, der Österreich-Chef von Media Markt, zusätzlich das Schweizer Geschäft. «Mit der Übernahme der Melectronics-Standorte können wir weisse Flecken in unserem Filialnetz füllen», sagt er. Insbesondere in der Ost- und der Zentralschweiz kann der Händler seine Präsenz ausbauen und dürfte generell einen Teil der Melectronics-Kundschaft übernehmen können.

Der Ausbau ist aber nicht nur geografischer Natur. Media Markt kommt dank Melectronics auch an eine andere Art von Läden: kleinere Geschäfte an gut frequentierten Lagen, viele davon in Einkaufszentren. Dies sei wichtig, um sich als Marke bei der Kundschaft in Erinnerung zu rufen und Anknüpfungspunkte für den Onlinehandel zu bieten.

Im letzteren Bereich lag Media Markt in den vergangenen Jahren hinter der Konkurrenz zurück. Das war mit ein Grund, weshalb das Unternehmen weniger als andere vom Boom in der Branche während der Pandemie profitieren konnte. Heute liegt der Online-Anteil des Händlers zwischen 20 und 25 Prozent.

Der auf den ersten Blick antizyklische Schritt von Media Markt kann somit als Versuch gelesen werden, Defizite aus der Vergangenheit zu korrigieren: Verknüpfung des Onlinehandels mit dem stationären Geschäft und Mangel an kleineren Läden.

In anderen europäischen Ländern hat das Unternehmen, das zum börsenkotierten deutschen Konzern Ceconomy gehört, längst auch kleinere Ladenformate etabliert. Statt den 1300 bis 3700 Quadratmetern eines klassischen Media Markts haben diese dann nur noch 100 bis 1000 Quadratmeter Fläche.

Das Problem der zu grossen Filialen hat Media Markt Schweiz allerdings schon vor der Melectronics-Übernahme angepackt und ist weiter daran, dort die Ladenflächen zu reduzieren.

Arbeitsplätze und Mieter behalten

Zu den Konditionen des Melectronics-Deals ist Brandt nicht mehr zu entlocken, als dass die Sache «wirtschaftlich attraktiv» sei und man schon seit einigen Monaten mit der Migros im Austausch sei.

Es liegt aber auf der Hand, dass die Migros einerseits ein Interesse hat, möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern, und andererseits froh um jede Fläche in ihren Einkaufszentren ist, die nicht leer steht – zumal mit dem geplanten Verkauf der übrigen Fachmärkte vermutlich noch einiges in Bewegung kommt.

Bei aller Plausibilität der einzelnen Argumente für die Melectronics-Teilübernahme stellt sich dennoch die Frage, wie viele der neuen Läden längerfristig überlebensfähig sind. Brandt räumt selber ein, dass das Marktumfeld weiter volatil sei und noch keine Entspannung in Sicht sei. «Der Schritt war keine Kurzschlusshandlung», sagt er. Und: «Ich bin zuversichtlich, dass ich in einem Jahr sagen kann, dass sich der Ausbau des stationären Handels gelohnt hat.»

Konkurrenten gehen über die Bücher

Angesichts des angespannten Umfelds bleibt auch die Konkurrenz nicht untätig. So hat Coop den Online-Shop Microspot eingestellt und ihn in die Interdiscount-Plattform integriert. Bei Fust, der zweiten Elektronik-Tochter von Coop, die nach wie vor separat geführt wird, wurden Ende 2023 ein Stellenabbau von 90 Personen und eine Überprüfung des Filialnetzes angekündigt.

Selbst beim grossen Gewinner der letzten Jahre, der Migros-Online-Tochter Digitec Galaxus, waren die Umsätze mit Elektronikware nach dem Pandemiesprung in den letzten Jahren wieder rückläufig. Und das internationale Geschäft steht auf dem Prüfstand.

Es wird interessant sein zu sehen, wer von den übrig gebliebenen Akteuren sich wie viel vom Melectronics-Kuchen sichern kann.

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