Modeversender Zalando will den Konkurrenten About You übernehmen. Damit unterstreicht das Unternehmen die Bedeutung eines Geschäftsbereichs, der zu Unrecht oft übersehen wird.
Rund 50 Millionen – so viele aktive Kunden hat Zalando. Nun dürften es bald deutlich mehr sein: Der deutsche Modeversender hat nämlich ein Kaufangebot für seinen Konkurrenten About You abgegeben, der rund 12 Millionen aktive Kunden hat. Ein Angebot, dass sich für Zalando-Anleger vor allem mit Blick auf die Geschäftskundensparte mittelfristig rechnen könnte. Doch von Anfang an.
Der Markt für den digitalen Einkaufsbummel wächst bekanntlich. Soweit, so gut. Doch mit Shein und Temu sind aggressiv investierende Konkurrenten auf den Plan getreten. Kein Wunder, dass Zalando sein Heil im Wachstum sucht und erklärt hat, einen europäischen Marktanteil von 15% anzupeilen. Derzeit sind es rund 3%. Bei dem ehrgeizigen Vorhaben kann die Übernahme von About You helfen.
Zalando will 6,50 € je Aktie bieten, in der Summe also rund 1,1 Mrd. €. Die Grossaktionäre von About You, die in der Summe rund 73% der Aktien halten, haben bereits ihr Einverständnis signalisiert.
Zalando peilt mit der Übernahme zweierlei an. Bei den Endkunden (B2C) will das Unternehmen mit einer Zweimarkenstrategie voran kommen. Der Name About You soll also erhalten bleiben. Zalando begründet das mit den unterschiedlichen Zielkunden. Während Zalando-Nutzer eher markenorientiert seien, richte sich About You eher nach dem «Style». Das Kannibalisierungsrisiko sei deshalb überschaubar.
Das verkannte Geschäft als Grosshändler
Zum anderen gibt es noch das Geschäftskundenbusiness von Zalando. Das wuchs in den ersten neun Monaten des Jahres um 11,5%. In diesem Zeitraum lag der Umsatz bei 689 Mio. €. Dabei hilft Zeos (das Kürzel steht für Zalando E-Commerce Operating System). «Zeos ist der Drehpunkt für das B2B-Geschäft», sagte der Baader-Bank-Analyst Volker Bosse in einer Zalando-Analyse von The Market. Verkürzt gesagt bietet das System die Möglichkeit für Unternehmenskunden, von der Logistikexpertise Zalandos zu profitieren.
About You wiederum arbeitet bei seinem Programm Scayle durchaus mit ähnlicher Zielrichtung wie Zeos. Scayle ermöglicht es Unternehmen, ihren Onlinehandel quasi in Eigenregie zu betreiben. IT-Probleme erwartet man beim Zusammenspiel der beiden Ansätze nicht, im Gegenteil: Im Analystencall von Zalando wurde deutlich, dass man mit About You bereits zusammenarbeitet. In den Worten von Zalando: Man könne so das Multichannel E-Commerce-Geschäft europaweit über eine einheitliche Plattform mit Logistik-, Software- und Service-Funktionen abwickeln. In Zahlen gegossen rechnet Zalando damit, auf Ebene des Gruppen-Ebit langfristig signifikante Synergien in Höhe von rund 100 Mio. € pro Jahr heben zu können, etwa mit Blick auf Logistik oder Marketing.
Mit der Übernahmen beschreitet Zalando also den Pfad, den es mit seiner Softwarelösung bereitet hat – es erweitert ein bereits geschaffenes Ökosystem. Auf die Frage im Call, ob Zalando eines Tages eine Art Modeholding werden würde, gab es keine klare Antwort. Denkbar wäre es auf jeden Fall – etwa wegen des Drucks, den Shein und Temu machen.
Nach Handelsstart am Mittwoch verloren die Zalando-Titel zeitweise fast 10%. Im Tagesverlauf erholten sie sich jedoch und schlossen mit einem Plus von 1,6%. Die Aktien von About You legten um 66% zu, bis knapp unter den gebotenen Übernahmepreis von 6.50 €. Auf Jahressicht sind sie nun 50% im Plus. Die Zalando-Valoren konnte seit Silvester sogar um mehr als 60% zulegen. Die Bewertung liegt mit einem Kursgewinnverhältnis von gut 32 aber immer noch deutlich unter dem langjährigen Schnitt.
Ohne das Übernahmeangebot läge der About-You-Kurs weiter tief im Minus. Seit dem Börsengang im Sommer 2021 mit einem Ausgabepreis von 23 € verloren die Titel zeitweise fast 90% bis zum Tief von 2.68 € Mitte September 2024. Das macht About You aus Anlegersicht zu einem der verheerendsten Marktdebüts seit langem. Immerhin machten damals nicht vor allem die Alteigentümer Kasse, stattdessen floss das Gros des Emissionserlöses dem Unternehmen zu.
Es folgte die Versender-Flaute nach dem Corona-Hoch. Der Umsatz lag daher 2023 zwar bei 1,9 Mrd. €, doch die operative Marge (Ebit) bei -11%. Erst für 2027 rechnen die von S&P Capital IQ gebündelten Analysten mit einer knapp positiven Ebit-Marge.
Ein Gewinnbringer ist About You derzeit also noch nicht. Spannend für Zalando sind aber die Synergien, etwa in Logistik und Zahlungsabwicklung. Spannend dürfte aber vor allem das Zusammenspiel der beiden Plattformen Zeos und Scayle sein.
Was der strategische Kauf die Zalando-Aktionäre kostet
Zalando bietet dafür 6,50 € je Aktie, was einem Aufschlag von mehr als 100% zum Dreimonatsschnitt des Kurses von About You entspricht. Allerdings war der Kurs zuvor wie beschrieben stark eingebrochen. Die Schätzungen der bei Bloomberg erfassten Analysten ergeben folgendes Bild zur Bewertung: Zum Kaufpreis kostet About You das 0,6-Fache des für 2025 geschätzten Umsatzes. Zalando wird mit dem 0,7-Fachen des Umsatzes gehandelt. Beim Kurs-Buchwert-Verhältnis von 5 ist About You deutlich teurer als Zalando (3). Anhand des Verhältnisses von Unternehmenswert und Ebitda für 2026 ist About You (20) fast dreimal so hoch bewertet wie Zalando (7). Allerdings handelt es sich bei About You ja wie beschrieben um einen Turnaround-Kandidaten, so dass der Blick auf den Gewinn bis 2026 nicht ausschlaggebend sein dürfte. Es geht um Marktanteilsgewinne und Synergien.
Analysten signalisieren Zustimmung. Er begrüsse den Deal, schreibt Baader-Bank-Analyst Bosse in einer Einschätzung. Gerade mit Blick auf das B2B-Geschäft ergäbe die Übernahme Sinn. Immerhin sei Scayle eine der am schnellsten wachsenden Software-as-a-Service-Handelsplattformen weltweit und bereits hochprofitabel. Beide Unternehmen zusammen sollen mit Blick auf ihren Umsatz bis 2028 um jährlich 5% wachsen. 2028 soll die Ebit-Marge zwischen 6 und 8% liegen. Dabei hilft es, dass Zalando inzwischen eine negative Nettoverschuldung aufweist, also Geld in der Kasse hat.
Zalando gewinnt mit der Übernahme das Potenzial, weitere Endkunden zu gewinnen, um seine Marktposition auszubauen. Vor allem aber erweitert das Unternehmen sein stark wachsendes digitales Ökosystem, mit dem es Geschäftskunden gewinnen und binden kann, um so besser und effizienter vom Grosstrend zum Sofa-Shopping zu profitieren. Keine schlechte Nachricht also für Anleger und Interessenten.