Bald wird die Migros bekanntgeben, was mit Melectronics, SportX und anderen Ladenketten passiert. Doch der Grossumbau geht viel weiter. Eine Orientierungshilfe in vier Punkten.

Bei der Migros geht es ans Eingemachte. Wohl noch im Juni wird die Detailhändlerin wichtige Entscheidungen zur Zukunft des Unternehmens präsentieren. An wen verkauft sie die Elektronikkette Melectronics und den Sporthändler SportX? Trennt sich die Migros womöglich auch von der Möbelkette Micasa, vom Velohändler Bike World und von den Baumärkten Obi und Do it + Garden?

Mit diesen Entscheidungen konkretisiert die Migros ihre Umbaupläne, die sie Anfang Jahr bekanntgegeben hat. Doch es ist nur ein erster Schritt. Der Grossumbau ist so weitreichend, dass er tief in den Migros-Kosmos eingreift. Zahlreiche weitere Verkäufe und Reorganisationen werden folgen. Selbst Insider verlieren leicht den Überblick. Was steht beim orangen Riesen an? Eine Orientierungshilfe in vier Punkten.

Grossumbau bei der Migros

1. Abschied von Elektronik und Sportartikeln

Am sichtbarsten wird der Migros-Umbau bei den Fachmärkten werden. Die Non-Food-Ladenketten gehören seit mehreren Jahren zu den Sorgenkindern des Unternehmens. Sie leiden darunter, dass die Menschen Elektronik, Sportartikel oder Möbel zunehmend im Internet bestellen.

Zwar profitiert die Migros davon auf der einen Seite, weil sie mit Digitec Galaxus den grössten Online-Händler der Schweiz besitzt. Auf der anderen Seite leidet sie aber bei den Läden. Dem Vernehmen nach haben die Fachmärkte im vergangenen Jahr einen Verlust von 100 Millionen Franken gemacht, dies bei einem Umsatz von 1,5 Milliarden Franken.

Klar ist seit Anfang Jahr, dass die Migros die Elektronikkette Melectronics verkaufen will. Womöglich schon kommende Woche wird sie bekanntgeben, wer den Zuschlag erhält.

Der Kreis der Interessenten ist überschaubar. Der Konkurrent Coop, dem die Elektronikketten Interdiscount und Fust gehören, hat bereits abgesagt. Unter den ausländischen Anbietern gelten Media Markt oder Fnac als Interessenten.

Der Chef von Media Markt Schweiz hat unlängst darüber sinniert, zusätzlich zu den grossen Märkten kleinere Geschäfte an Hochfrequenzlagen in Innenstädten zu eröffnen. Für das Unternehmen könnte es also attraktiv sein, einen Teil der Melectronics-Standorte mit dem dortigen Personal zu übernehmen und sie in Media-Markt-Geschäfte umzuwandeln.

Die ganze Kette mit derzeit noch 37 eigenständigen Melectronics-Filialen wird jedoch kaum ein Käufer übernehmen wollen. Die übrigen Ladenflächen müsste die Migros dann anderweitig vermieten. Der Name Melectronics verschwindet auf jeden Fall.

Die Migros wird ebenfalls bald bekanntgeben, an wen sie den Sporthändler SportX veräussern will. Als Interessent gilt der französische Riese Decathlon. Er hat in den letzten Jahren in der Schweiz expandiert, betreibt derzeit 38 Filialen und ist auf der Suche nach weiteren Ladenflächen.

Gut möglich, dass Decathlon sein Netz zumindest mit ein paar SportX-Standorten arrondieren und diese in eigene Geschäfte umwandeln will. Ein Kauf der ganzen Kette hätte allerdings eine andere Dimension; SportX führt 54 Filialen in der Schweiz.

Ein möglicher Interessent ist zudem der Konkurrent Ochsner Sport. Er betreibt 77 Filialen und gehört – zusammen mit dem Schuhhändler Dosenbach – zur deutschen Deichmann-Gruppe. Der Chef von Deichmann wollte jüngst im NZZ-Interview keine Stellung zu Kaufabsichten nehmen.

2. Ein Kahlschlag bei den Fachmärkten?

In der Schwebe hängt die Zukunft der weiteren Migros-Fachmärkte, also der Möbelkette Micasa, des Velohändlers Bike World und der Baumärkte Obi und Do it + Garden. Anfang Jahr kündigte die Migros an, man prüfe einen Verkauf dieser Töchter sowie andere Optionen.

Womöglich noch im Juni wird kommuniziert, was passieren soll. Dem Vernehmen nach ist die Migros-Führung beispielsweise nicht glücklich mit dem Möbelgeschäft. Micasa könnte also verkauft werden. Hingegen dürften die Obi-Baumärkte, die die Migros als Franchise des deutschen Obi-Konzerns führt, bei der Gruppe verbleiben.

Selbst wenn die Migros einzelne Fachmärkte behält, wird sich die Organisation hinter den Kulissen ändern. Die Formate sollen künftig jeweils von einer der zehn Regionalgenossenschaften geführt werden. Damit würde das Konstrukt der Fachmarkt AG hinfällig. Es wurde erst Anfang 2021 ins Leben gerufen als Gemeinschaftsprojekt des Migros-Genossenschafts-Bundes (MGB) und der Regionalgenossenschaften, um besser zwischen Zentrale und Regionen zusammenzuarbeiten und die Fachmärkte zukunftsfähig zu machen. Dieses Projekt ist gescheitert.

3. Der Hotelplan-Verkauf braucht mehr Zeit

Anfang Jahr liess die Migros ebenfalls verlauten, dass sie Hotelplan verkaufen will. Die traditionsreiche Reisetochter war 1935 von Gottlieb Duttweiler gegründet worden.

Doch der Hotelplan-Verkauf braucht mehr Zeit. Die Migros rechnet damit, dass sie den neuen Eigentümer erst gegen Ende 2024 nennen kann. Das Gleiche gilt für die Kosmetiktochter Mibelle, die zur Migros-Industrie gehört und die ebenfalls veräussert wird.

In der Branche wird gerätselt, wer Hotelplan kaufen könnte und ob die Firma allenfalls in Teile aufgespalten wird. Zur Hotelplan-Gruppe gehören nicht nur das gleichnamige Reisebüro in der Schweiz, sondern auch der europäische Ferienwohnungsanbieter Interhome oder Reiseveranstalter in Grossbritannien und Deutschland. Wenig hilfreich für den Hotelplan-Verkauf dürfte sein, dass mit der deutschen FTI-Gruppe jüngst der drittgrösste Reiseanbieter Europas Insolvenz angemeldet hat. Dies könnte Käufer abschrecken oder ihr Interesse auf die Reste der FTI-Gruppe lenken.

4. Der grösste Umbau betrifft die Supermärkte und die Migros-Industrie

Dass die Migros mehrere Fachmärkte und Hotelplan verkauft, ist nach aussen das sichtbarste Zeichen des Konzernumbaus. Allerdings stehen diese Tochterfirmen insgesamt nur für 10 Prozent des Umsatzes der Migros-Gruppe.

Der bedeutendste Umbau findet tief im Innern des Migros-Kosmos statt: Er betrifft die Supermärkte, das Kerngeschäft der Migros, sowie die Migros-Industrie, die viele Eigenmarken für die Supermärkte herstellt. Diese Segmente machen rund 60 Prozent des Umsatzes des orangen Riesen aus.

Im Supermarktgeschäft hat die Migros in den vergangenen zehn Jahren Marktanteile gegenüber den Konkurrenten Coop, Aldi und Lidl verloren. Nun will sie mit der «Supermarkt AG» gegensteuern. Die neue Einheit ist ein Gemeinschaftsprojekt des MGB und der Regionalgenossenschaften und hat ihren Betrieb Anfang Jahr aufgenommen. Sie soll das Supermarktgeschäft künftig zentraler steuern und Doppelspurigkeiten zwischen Zentrale und Regionen verringern.

Der Umbau im Rahmen der Supermarkt AG wird sich über mehrere Jahre hinziehen. Bereits entschieden worden ist, dass die Regionalgenossenschaften künftig keine eigenen IT-Systeme mehr verwenden werden, sondern dass es nur noch ein zentrales System für das Supermarktgeschäft geben wird.

In vielen anderen Bereichen müssen Zentrale und Regionen erst noch aushandeln, wie sie zusammenarbeiten wollen. Wird es künftig etwa nur noch ein nationales Ladenbaukonzept geben, und werden Kühlgeräte und Kassen gemeinsam eingekauft? Wird die Logistik für Frischprodukte zentralisiert? An solchen Fragen dürften sich in nächster Zeit noch viele Konflikte entzünden.

Zur Stärkung des Supermarktgeschäfts wird sich auch die Migros-Industrie fit trimmen müssen. Die Produktionsbetriebe mit insgesamt rund 6 Milliarden Franken Umsatz haben sich in den letzten Jahren verzettelt. Migros-Chef Mario Irminger sagte jüngst im NZZ-Interview, die Industriebetriebe seien in der Vergangenheit zu oft der Versuchung erlegen, ein internationaler Markenhersteller wie Nestlé oder Unilever sein zu wollen. «Die Industriebetriebe müssen im Dienst unserer Food-Formate stehen. Sie sollen hochwertige Eigenmarken zu einem wettbewerbsfähigen Preis produzieren.»

Der Verkauf der Kosmetiktochter Mibelle ist nur ein Puzzleteil in der Reorganisation der Migros-Industrie. Bereits am kommenden Dienstag wird die Migros intern weitere Eckpunkte bekanntgeben, die auch mit einem Abbau von einigen hundert Stellen verbunden sein dürften.

Insgesamt will die Migros im Rahmen des Konzernumbaus 1500 Stellen streichen. Zusätzlich werden über die bereits angekündigten Verkäufe von Tochtergesellschaften weitere 6500 Mitarbeiter den Migros-Kosmos, der derzeit rund 100 000 Angestellte umfasst, verlassen. Falls in den kommenden Wochen weitere Verkäufe dazukommen, wird sich die Zahl der Abgänge noch erhöhen.

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