Wer in der Schweiz authentisch griechisch, spanisch oder chinesisch speisen möchte, hält sich am besten an Klassiker aus der Hausmannsküche – und lässt die Hände von lahmen Kopien.
Man stelle sich ein Restaurant mit schweizerischer Küche in Peking oder Melbourne vor. Was soll der neugierige Kunde bestellen, wenn er sichergehen will, nicht nur authentische, sondern auch schmackhafte Speisen zu erhalten? Mit Saucisson vaudois wäre er vermutlich halbwegs auf der sicheren Seite, denn in diesem Fall dürfte die Grundzutat aus dem Waadtland importiert und anschliessend nur noch aufgewärmt worden sein.
Ähnlich geht es vielen jener Gäste, die in der Schweiz oder anderswo in Europa Restaurants mit chinesischer, thailändischer, spanischer oder griechischer Küche aufsuchen. Was ist empfehlenswert, wo sollte man lieber Zurückhaltung üben?
Moussaka, Lammkeule und manchmal Pasta
Im Falle der griechischen Gourmandise hierzulande läge die kulinarische Rettung bei der Hausmannsküche. Steht Moussaka auf der Karte, wendet sich der Wirt ganz offensichtlich auch an griechische Kundinnen und Kunden. Stehen zudem noch ungewohnt klingende Speisen à la Skioufichta auf dem Menu, die in Kreta zu Ruhm gekommene Pasta, heisst es zugreifen. Wer sich Mühe macht, regionale Rezepte herauszusuchen, wird auch bei der Zubereitung auf Sorgfalt achten. Meist zumindest.
Ähnlich herausfordernd kann die Situation in jenen Restaurants, die sich der türkischen oder libanesischen Küche widmen, sein. Mit der Bestellung von Hummus, dem Kichererbsen-Klassiker, bin ich oft gut weggekommen, und die Bitte um Geschmortes hat sich ausgezahlt. Wie wäre es mit Arayes in Form einer im Fladenbrot grillierten Lammkeule? Gibt es beispielsweise im «Le Cèdre». Im Zweifelsfall fährt man mit einer Vorspeisenauswahl – Mezze – mindestens akzeptabel, auch wenn der enthaltene libanesische Salat kaum die geschmackliche Intensität seiner Heimat aufweisen dürfte.
Auberginen des Imams und Kroketten nach Rezept der Mama
Für türkische Restaurants gilt, was auch bei griechischen zu beobachten ist: Hausmannskost ist Fleischstücken mit Pommes frites vorzuziehen. Vor allem Imam bayildi, in der wörtlichen Übersetzung «der Imam, der in Ohnmacht fiel», dürfte dank den enthaltenen Auberginen eine sichere Bank sein. Würde das Lokal da etwas falsch machen, bekäme es wohl stante pede Ärger mit anwesenden Landsleuten. Im «Gül», dem Zürcher Platzhirsch unter den türkisch orientierten Gastrobetrieben, gibt es übrigens wunderbare Auberginen – mit Tomaten und süssen Zwiebeln.
Den Ärger mit unzufriedenen Gästen ihres Ursprungslandes hätten sicher auch spanische Gastronomen, die es wagen würden, hierzulande unterdurchschnittlich schmackhafte Kroketten zu servieren. Dass sie ausnahmslos immer gut wären, die frittierten Röllchen mit cremigem Innenleben, behauptete niemand, aber ich würde das Risiko meist eingehen. Erst recht beim Chef des Küsnachter Restaurants «Zum Weinberg». Die nach Rezept der spanischen Mama zubereiteten Croquetas sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen.
Was spanische Desserts angeht: Orangensalat mit Moscatel würde ich immer einer caramelisierten Crema catalana vorziehen – da bedarf es frischer Früchte, wenig lässt sich über längere Zeit vorbereiten.
Stockfisch ist meist eine gute Wahl für Portugal-Fans
Apropos Kroketten: Auch die Portugiesen servieren gern Fettgebackenes, noch lieber aber Stockfisch. Ist der verfügbar (wie bei «D’Ouro»), sollte man zugreifen – im Wissen darum, dass die Rohware sowieso meist aus Norwegen stammt. Beim Stockfisch – vielleicht überbacken – würde man auch das Problem der Frischfischlieferung ausschalten: Der kann in der Schweiz kaum so perfekt sein wie in Lissabon oder Porto.
Was die nordafrikanische Küche angeht, so ist das Schmorgericht Tajine selten ein Reinfall, und mit kalten Vorspeisen wie Taboulé blamieren sich auch zweitklassige marokkanische Köche selten. In der indischen Küche habe ich mit Biryani-Varianten gute Erfahrungen gemacht; der Reis ist nur selten übergart, und selbst das Poulet, ein nicht unproblematisches, weil sensibel auf Garzeiten reagierendes Produkt, funktioniert hier oft gut – etwa im «Delhi House». Nicht nur hier gilt: Im Zweifelsfall lieber etwas klassisch Einfaches, nichts Kreatives oder Kompliziertes erbitten.
Nach Klassikern oder nach der Herkunft der Köche fragen
Bewährtes zu bestellen, ist auch in den meisten asiatischen Küchen das richtige Rezept gegen Enttäuschungen – allerdings mit Einschränkungen. Das vielerorts als Zutat beliebte Poulet kann auch in der chinesischen Küche trocken oder fade (manchmal beides) geraten. Rindfleisch ist weniger schnell zu ruinieren, und Schweinefleisch gelingt überdurchschnittlich häufig.
Sollte ein asiatisches Restaurant indes mit authentischen Regionalspezialitäten werben, ist vorsichtiges Herantasten an die Wahrheit das Mittel der Wahl. Stammt der Wirt oder der Küchenchef aus Zentralvietnam oder der chinesischen Provinz Sichuan? Ja? Dann (und nur dann!) wäre die Gelegenheit, sich nach Schweinehackfleisch mit grillierten Auberginen (im «Hang’s») zu erkundigen. Oder nach Entenblut mit Innereien, wie im «Lotus Garden». Sobald beim Vietnamesen das Rindfleischgericht Bo La Lot auf der Karte steht und das Vorrätigsein der als Zutat unentbehrlichen Betelblättern bestätigt wird, dann heisst es bestellen. Am besten gleich eine doppelte Portion!