Freitag, September 20

Thema sind die Völkerrechte und der Schutz der Bevölkerung in den besetzten palästinensischen Gebieten. Die entsprechende Resolution wurde von Palästina eingebracht.

Vielleicht geht es nur um Symbolpolitik, vielleicht bringt es tatsächlich etwas: Die Schweiz soll eine Konferenz hoher Vertragsparteien der vierten Genfer Konvention einberufen. Die Uno-Generalversammlung hat ihr am Mittwoch in New York das Mandat dazu erteilt. Als Depositarstaat der Genfer Konvention bietet sich die Schweiz an, sie hat in der Vergangenheit bereits drei ähnliche Treffen durchgeführt.

Der Anlass soll innerhalb der nächsten sechs Monate stattfinden. Wo, steht noch nicht fest, eine Möglichkeit könnte Genf sein, wie Michael Steiner, Sprecher des Eidgenössischen Departementes für auswärtige Angelegenheiten (EDA), auf Anfrage sagt. Auf welcher Stufe eingeladen werden soll, wird noch geprüft. Im Vergleich mit der Konferenz für den Frieden auf dem Bürgenstock handelt es sich wohl eher um ein niederschwelliges Treffen. An der letzten ähnlichen Konferenz im Jahr 2014 nahmen die ständigen Vertreter der Uno-Mitglieder in Genf teil.

Die geplante Konferenz soll sich mit den völkerrechtlichen Grundlagen und Prinzipien zum Schutz von Zivilpersonen im besetzten palästinensischen Gebiet befassen, einschliesslich Ostjerusalem. Am 19. Juli hat der Internationale Gerichtshof (IGH) ein Rechtsgutachten veröffentlicht. Es wurde noch vor der Terrorattacke durch die Hamas am 7. Oktober 2023 in Auftrag gegeben, um die Besetzung palästinensischer Gebiete juristisch zu beurteilen.

Seit dem Sechstagekrieg 1967 besetzt Israel das Westjordanland, Ostjerusalem sowie den Gazastreifen. Seither sind im Westjordanland Hunderte von jüdischen Siedlungen entstanden. Ausserdem hat das israelische Parlament Jerusalem im Jahr 1980 zur unteilbaren Hauptstadt Israels erklärt und Ostjerusalem damit faktisch annektiert, ein Entscheid, der vom Uno-Sicherheitsrat für ungültig erklärt wurde.

Der Internationale Gerichtshof kam in seinem Gutachten im Juni zum Schluss, dass Israel das humanitäre Völkerrecht, die Menschenrechte und auch das allgemeine Völkerrecht verletze. Das Gericht rief Israel dazu auf, die Besetzung der Gebiete aufzuheben und die jüdischen Siedler zu evakuieren. Israel müsse zudem Palästinenser finanziell entschädigen, die durch die Besetzung Schäden erlitten hätten.

«Diplomatischer Terror»

Das Gutachten ist rechtlich nicht verbindlich, dennoch soll es Folgen haben, wenn es nach der Uno-Generalversammlung geht. Palästina hat eine Resolution vorgelegt, welche ebenfalls den Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten fordert. Es ist die erste Resolution aus Palästina: Seit diesem Mai hat es neue diplomatische Rechte innerhalb der Uno-Generalversammlung, ist aber nach wie vor kein Vollmitglied.

124 Mitglieder der Uno-Generalversammlung stimmten der Resolution am 18. September zu. Israel, die USA und 12 weitere Staaten waren dagegen, und 43 Staaten enthielten sich, darunter die Schweiz. Zwar unterstützt die Schweiz das Gutachten des IGH, wie das EDA am Mittwoch ausführte: «Die Illegalität der israelischen Besetzung des palästinensischen Gebiets» stehe «ausser Zweifel» und müsse «beendet werden».

Doch die Forderungen der Resolution, wonach sich Israel innert zwölf Monaten zurückziehen muss, gehen ihr zu weit. Angesichts der Hamas-Attacke im Oktober und des seither tobenden Kriegs ist das eine verwegene Bedingung, insbesondere, da die Resolution keinen Plan skizziert, wie die Sicherheit Israels gewährleistet werden soll. Israel reagierte mit drastischen Worten. Das sei «diplomatischer Terrorismus», sagte der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York.

Offenbar hat die offizielle Schweiz mit ihrer Enthaltung aus der Vergangenheit gelernt. Im Oktober 2023 hatte sie einer Resolution zugestimmt, die Jordanien eingebracht hatte. Diese verlangte unter anderem einen sofortigen humanitären Waffenstillstand, um Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen. Allerdings fehlte in der Resolution ein Hinweis auf den Terrorakt der Hamas am 7. Oktober. Die Unterstützung der Schweiz sorgte deshalb innenpolitisch für Kritik.

Eine Enthaltung ist diplomatischer – und könnte auch für die Rolle als Gastgeberin der geplanten Konferenz hilfreich sein. Ob das Treffen etwas bringen wird, ist allerdings fraglich. In der Vergangenheit hatten die Vertreter Deklarationen unterschrieben. Viel mehr war nicht passiert.

Marianne Binder, Ständerätin der Mitte und Präsidentin der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Israel, zweifelt auch jetzt an einem Erfolg. Die Resolution blende die Rolle der Hamas aus, auch was den Terror gegen die eigene Bevölkerung betreffe. Carlo Sommaruga wiederum hat Hoffnung. «Israel muss die seit Jahrzehnten andauernde illegale Besetzung so schnell wie möglich beenden», sagt der SP-Ständerat und Präsident der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Palästina. Jeder kleine politische Schritt, der Druck auf Israel ausübe, sei gut.

Für die Schweiz selbst ist das Treffen eine Gelegenheit, das eigene Engagement für das Völkerrecht und die Guten Dienste zu betonen. Der Schutz der Zivilbevölkerung ist einer der Schwerpunkte, die sich die Schweiz als nichtständiges Mitglied im Uno-Sicherheitsrat gegeben hat. Im August feierte Aussenminister Ignazio Cassis mit Mitgliedern des Uno-Sicherheitsrats den 75. Geburtstag der Genfer Konventionen. In seiner Rede auf der Place des Nations in Genf appellierte er an die internationalen Akteure: «Das humanitäre Völkerrecht kann nicht einfach ein Recht sein, das auf dem Papier unseres guten Gewissens steht.» Es müsse umgesetzt werden.

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