Donnerstag, Oktober 3

«Dr. Copper» zeigt ein Lebenszeichen. Das liegt nicht nur an konjunkturellen Hoffnungsschimmern, sondern auch am immensen Metallbedarf, der mit der Umsetzung der Energiewende entsteht.

Als die Zentralbanken 2022 die Zinsschraube anzogen, setzte an den Börsen ein kleines Beben ein: Die Notierungen von Aktien und Obligationen sanken, aber auch der Preis für Kupfer brach vom vorangegangenen Höhenflug auf über 10’000 $ je Tonne auf fast 7000 $ ein.

Ein zentraler Grund: Mit dem Zinsanstieg wollen die Zentralbanken das Wirtschaftswachstum bremsen, um die Inflation wieder unter 2% zu bringen.

Angesichts des vielfältigen Einsatzes von Kupfer bewegt sich sein Preis in enger Korrelation zur Wirtschaftsleistung und gilt daher als sensibler Vorlaufsindikator für den Konjunkturverlauf. Diese Eigenschaft brachte dem Metall den Namen «Dr. Copper» ein.

Doch nicht nur die westlichen Zentralbanken stehen auf der konjunkturellen Bremse. In China ist der Immobilienmarkt unter Druck: Aus dem Bau kommt die mit Abstand grösste Nachfrage nach Kupfer – und China ist mit einem Anteil von 40% der weltweit wichtigste Abnehmer des Metalls.

Angesichts dieser kumulierten Negativmeldungen für Kupfer erstaunt es allerdings, dass die Notierung von Kupfer sich im vergangenen Jahr dann doch mehrheitlich in einer Spanne von 8000 bis 9000 $ hielt. Nun hat sie diesen Korridor sogar nach oben durchbrochen und strebt wieder in Richtung neuer Höhen.

Nur ein Strohfeuer?

Kurzfristig gibt es gute Gründe, warum der Kupferpreis in diesem Jahr wieder anzieht: Im Dezember 2023 ordnete die Regierung in Panama an, dass eine der weltweit grössten Kupferminen – die Cobre Panama der kanadischen Minengesellschaft First Quantum – nach Protestaktionen ihre Förderung einstellen müsse.

Der Angebotsausfall an Kupferkonzentraten und der steigende Preis für den Rohstoff führte im März 2024 dann dazu, dass chinesische Kupferschmelzen wegen Margendrucks seither die Produktion drosseln. Beides zusammen hält das Angebot an Kupfer gedrückt, während die Einkaufsmanagerindizes (Industrie-PMI) sowohl in den USA als auch in China im April seit langem erstmals wieder in die Wachstumszone vorstossen.

«Dr. Copper» wird grün

Das zeitgleiche Anziehen des Kupferpreises mit den steigenden PMI steht zwar im Einklang mit dem sensiblen Gespür für die Konjunkturentwicklung, das «Dr. Copper» zugeschrieben wird. Als Strohfeuer muss es sich aber nicht entpuppen.

Die Analysten der Bank of America führen die atypische Entwicklung des Kupferpreises im vergangenen Jahr – nämlich, dass er sich trotz Konjunkturabschwung und lahmendem chinesischem Baumarkt überraschend robust gehalten hat – primär darauf zurück, dass Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels die Nachfragestruktur nach Kupfer massgeblich verändert haben.

«Grüne Verwendung» überlagert Bauschwäche

Trotz dem ab 2022 massiv zurückgegangenen Bedarf an Kupfer für den Hausbau, ist die chinesische Nachfrage nach dem Metall jedes Jahr weiter gestiegen – um 1 bis 8% (vgl. rechte Skala in der Grafik).

Der Grund dafür war die enorme Expansion des Kupferbedarfs für grüne Technologien sowie die damit einhergehenden Investitionen in die Stromnetze.

Diese global beobachtbare Verschiebung der Nachfrage von Kupfer – weg von zyklischen Abnehmern in der Industrie und dem Wohnungsbau, hin zu Investitionen in die Netzinfrastruktur – sehen die Analysten von Bank of America als Grund dafür, dass die ausgeprägte Schwankungsanfälligkeit von Kupfer nachgelassen hat. Statt «Dr. Copper» in Sachen Konjunktur, sei das Metall zu «Dr. Green» geworden, meinen sie.

Der Bedarf an Kupfer für Elektrizität und Transport übersteigt global die Nachfrage nach dem Metall durch den Bau und die Maschinenindustrie, beobachten auch die Analysten der UBS:

Trotz der Rezession 2023 in den USA und der EU im Bereich der Investitionsgüter ist der Kupferbedarf dank der steigenden Nachfrage aus dem Bereich der erneuerbaren Energien weiter gestiegen. Das rasante Fortschreiten der Energiewende spreche auch mittelfristig für eine steigende und robuste Nachfrage, meinen die Analysten der UBS.

Gemäss der IEA dürfte sich die Nachfrage allein für den Netzausbau hin zu einer Netto-Null-Wirtschaft bis 2040 global verdoppeln. Das entspricht einem zusätzlichen Bedarf nach Kupfer im Ausmass von fast der Hälfte der heutigen chinesischen Nachfrage.

Investitionen werden hochgefahren

Den Minengesellschaften ist diese Entwicklung nicht verborgen geblieben. Nach Jahren mit tiefen Volumen fahren sie ihre Investitionen wieder deutlich hoch:

Investitionen der grossen Minengesellschaften in Mrd. $

Nicht nur das. Die Minengesellschaften lenken auch die Investitionsströme weg von Eisenerz hin zu grünen Metallen, besonders eben Kupfer:

Eisenerz verliert, grüne Metalle legen zu

Mit Blick auf den steigenden Bedarf an Industriemetallen, den die Energiewende erfordert, errechnen die Analysten von Bank of America, dass die Minengesellschaften die Investitionen auf mindestens 127 Mrd. $ jährlich hochfahren müssten, um mit der Nachfrage Schritt zu halten.

Darin enthalten ist die Annahme, dass eine Mine über 25 Jahre ausgebeutet werden kann und auf bereits bestehende Förderkapazitäten entsprechend jährlich 4% abgeschrieben werden muss.

Investitionen reichen nicht aus

Weil derzeit ein verhältnismässig hoher Anteil der Kapitalausgaben der Minengesellschaften statt in die Erschliessung neuer Vorkommen, in den Unterhalt bestehender Minen fliesst, müssten die Investitionen sogar auf mehr als 180 Mrd. $ jährlich steigen, meinen die Analysten von Bank of America. In jedem Fall seien die gut 100 Mrd. $, die die Branche insgesamt heute investiert, deutlich zu wenig, um die anziehende Nachfrage nach Metallen langfristig bedienen zu können.

Defizite erwarten sie vor allem bei Kupfer, Nickel und Lithium. Diese Unterinvestitionen der Minengesellschaften stimme sie bezüglich Rohmaterialien strukturell «bullish», besonders für Kupfer.

Strukturelle Defizite

Strukturelle Defizite im Kupfermarkt erwarten auch andere Analysten. Gemäss dem Kupfer-Modell der UBS zeichnet sich ein Angebotsmangel zudem nicht nur mittelfristig, sondern unmittelbar ab.

Mit dieser Einschätzung steht UBS nicht allein. Goldman Sachs erwartet für die nächsten Jahre sogar leicht höhere Angebotslücken im Bereich von jährlich rund 400 000 Tonnen, ebenso S&P Global. Zudem dürfte sich die Lage im Kupfermarkt über Jahre noch verschärfen, weil es ein Jahrzehnt dauern kann, bis neue Vorkommen erschlossen sind.

S&P Global erwartet, dass sich das Defizit bei Kupfer bis 2035 sogar auf mehr als 1 500 000 Tonnen ausweitet, ehe die bis dahin fälligen Investitionen der Minengesellschaften das Angebot wieder an die Nachfrage heranführen können.

All das spricht über den kurzfristigen Anstieg des Kupferpreises hinaus für einen lang anhaltenden Aufwärtstrend des Kupferpreises. Nicht vergessen werden darf aber auch, dass das inzwischen mehrheitlich grün gewordene Metall auch weiterhin konjunktursensibel bleibt, und grösseren Preisausschläge bei Rohstoffinvestments dazugehören.

Wie investieren?

Eine Möglichkeit, um vom Potenzial von Kupfer zu profitieren, ist der Kauf von Minenaktien. Zu den grössten Anbietern in diesem Bereich gehören Konzerne wie Codelco (befindet sich allerdings in Staatsbesitz), BHP, Freeport-McMoRan, Glencore und Southern Copper Corp. Sie fördern jährlich je zwischen 5 und 8% des globalen Angebots.

Alle Bergbaukonzerne besitzen aber ein gemischtes Portfolio. Glencore macht unter Ausklammerung des Handelsgeschäfts zwar rund 40% des Umsatzes mit Metallen, die für die Energiewende gebraucht werden. Ebenso gross ist aber auch ihr Kohlegeschäft. Zumindest jetzt noch. Das Unternehmen plant, diese Aktivitäten auszulagern.

Ein ähnliches Bild präsentiert sich bei anderen Branchengrössen: BHP nimmt rund ein Viertel mit Kupfer ein, die Hälfte des Umsatzes entfällt aber auf Eisenerz und ein Viertel auf Kohle. Unter den grossen Minengesellschaften ist einzig Southern Copper Corp mit einem Umsatzanteil von rund 75% mehrheitlich auf Kupfer ausgerichtet.

Wer aus Diversifikationsgründen nicht auf ein einzelnes Unternehmen setzen möchte, kann sich nach ETF umsehen, die in mehrere Minengesellschaften investiert sind.

Mit Blick auf Kupfer bietet sich beispielsweise folgender ETF an, der an der Schweizer Börse SIX in Franken gehandelt wird.

  • VanEck Global Mining UCITS ETF (Ticker: GDIG SE, ISIN: IE00BDFBTQ78, TER: 0,5%)

Seine grössten Positionen sind: BHP, Rio Tinto, Freeport-McMoRan, Glencore und Vale.

Alternativ gibt es einen kleinen Kupfer-ETF:

  • Global X Copper Miners UCITS ETF (Ticker: COPX, ISIN IE0003Z9E2Y3, TER: 0,65%)

Grösste Positionen: Antofagasta, Ivanhoe Mines, Lundin Mining, Zijin Mining und Southern Copper Corp.

Ganz neu – und mit einer Fondsgrösse von 16 Mio. Fr. noch sehr klein ist der ebenfalls an der SIX in Dollar gehandelte

  • iShares Copper Miners UCITS ETF (Ticker: COPM, ISIN IE00063FT9K6, TER: 0,55%)

Seine grössten Positionen sind: Antofagasta, Grupo Mexico, Southern Copper Corp, Freeport-McMoRan und BHP.

Eine Alternative ist der in New York kotierte

  • iShares MSCI Global Metals & Mining Producers ETF (Ticker: PICK US, ISIN: US46434G8481, TER: 0,39%)

Die grössten Positionen darin sind BHP, Rio Tinto, Vale, Anglo American, Freeport-McMoRan, Glencore und Fortescue Metals.

Wie bei Einzelaktien bleibt aber auch ein Investment in einen ETF keine reine Wette auf Kupfer, sondern ist ein Engagement in diversen Metallen und Energieträger.

Aus ESG-Sicht stellt sich zudem ein Dilemma: Die Umweltschäden, die der Bergbau verursacht und die sozialen Spannungen, die bei der Ausbeutung der Vorkommen entstehen, schliessen Investments in Minenaktien aus Nachhaltigkeitsüberlegungen eigentlich aus. Doch ohne zusätzliche metallische Rohstoffe geht es ebenfalls nicht: Genügend Industriemetalle sind eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Energiewende überhaupt umgesetzt werden kann.

Exit mobile version