Donnerstag, März 6

Eine gute Bar ist mehr als nur ein Ort, an dem Getränke serviert werden. Sie ist Zufluchts- und Wallfahrtsort zugleich, ein Wohnzimmer inmitten der Stadt.

Ich stehe vor dem Eingang des BKK Social Club im Hotel Four Seasons in Bangkok und schwatze mit den beiden Damen, die den Eingang charmant, doch bestimmt bewachen. Ich möchte hinein, in die preisgekrönte Manege für unvergessliche Nächte. Die legendäre Bar, die laut «The World’s 50 Best Bars Academy» zu den 50 weltbesten Etablissements gehört, steht für grandiose Cocktails, einmalige Atmosphäre und herausragenden Service.

Nachdem ich mich im BKK Social Club als Hotelgast geoutet und mich vorgestellt hatte, stand wie aus dem Nichts heraus Philip Bischoff vor mir, der Mastermind hinter den Barkonzepten aller Four-Seasons-Hotels in Asien. «Keine unserer Bars ähnelt der anderen. Was sie vereint, ist die Atmosphäre. Betritt man eine grossartige Bar, soll jeder Gast sofort spüren, dass er sich an einem besonderen Ort befindet.»

Das Licht ist gedämpft, nicht zu grell, nicht zu dunkel, gerade so, dass es schmeichelnd auf die Gesichter fällt. Musik schwebt durch den Raum, sorgfältig ausgewählt, um die Stimmung zu unterstreichen, aber nie so laut, dass sie Gespräche erstickt. Die Einrichtung erzählt eine Geschichte: dunkles Holz und schwere Ledersessel in einer klassischen Cocktailbar, Beton und Stahl in einem modernen Loft-Ambiente oder Samt und goldene Akzente für eine luxuriöse Note. Eine Bar sollte wie eine Parallelwelt sein, ein Ort, an dem die Zeit langsamer vergeht und Sorgen draussen bleiben.

Alchemist, Geschichtenerzähler und Gastgeber

Philip Bischoff, gebürtiger Berliner, ein klassischer Quereinsteiger-Nerd, dem aus seiner Hipster-Bartender-Zeit noch der Bart geblieben ist, kommt ursprünglich aus dem Gesundheitsmanagement. Irgendwie trieb ihn die trockene Materie ins feucht-fröhliche Bargeschäft. «It’s all about Hospitality and People», erklärt er: Bischoff fällt immer wieder ins Englische. Verständlich, nach so vielen Jahren in Asien. «Ich komme von ganz unten, mein nie endendes learning von der Pike auf hat mir den Weg geebnet», so Bischoff weiter.

Der Mann hat den Job verinnerlicht, er weiss genau, der wahre Herzschlag einer Bar ist der Bartender, egal welchen Geschlechts. Er ist Alchemist, der mit Aromen spielt, ein Geschichtenerzähler, der mit seinen Gästen eine Verbindung aufbaut, und Gastgeber, der nicht nur sein Handwerk kennt, sondern auch die Gäste.

Er ist aber auch ein Psychologe, der Stimmungen liest. Er erkennt, ob jemand einen klassischen Old Fashioned will oder lieber eine Überraschung. Ein Blick auf die Körpersprache reicht aus, um zu wissen, ob man mit einer Geschichte oder mit Stille servieren sollte. Er beherrscht die Klassiker, aber kreiert auch eigene Meisterwerke. Die besten Bars haben oft eine kleine, feine Karte, ein Zeichen dafür, dass jeder Drink bis ins Detail perfektioniert wurde.

Die Drinks, so erklärt mir Bischoff, sind die Summe aus Handwerk, Präzision und Leidenschaft. «Der Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem herausragenden Martini liegt oft im Detail: in der Temperatur des Glases, der Art des Rührens, dem perfekten Verhältnis von Gin zu Wermut. Bei uns wird nichts dem Zufall überlassen. Eine Bar ist aber nur so gut wie ihre Gäste. In den besten Bars trifft sich eine bunte Mischung: Stammgäste, die mit dem Personal auf Augenhöhe plaudern, Reisende, die nach einer authentischen Erfahrung suchen, Künstler, Denker, Nachtschwärmer. Ein buntes Sammelsurium von Charakteren.»

Am Ende ist eine Bar nicht nur ein Ort, sondern ein Gefühl. Eines, das bleibt. Es ist der warme glow nach einem perfekt gemixten Negroni, das leise Lachen aus einer dunklen Ecke, die Melancholie, wenn man in den letzten Schluck seines Whiskys blickt. Eine wirklich gute Bar bleibt im Gedächtnis. Sie wird zum Schauplatz erster Dates, langer Gespräche, spontaner Abenteuer. Man verlässt sie immer ein wenig anders, als man gekommen ist, vielleicht glücklicher, vielleicht nachdenklicher. Aber nie gleichgültig.

Eine grossartige Bar ist eine kleine Welt für sich, eine, die ihre Gäste für ein paar Stunden dem Alltag entreisst und in eine Welt aus Geschmack, Klang und Geschichten entführt. Und genau das macht sie unvergesslich.

Richard Kägi ist Autor und Foodscout, schreibt Kochbücher und Kolumnen. Er findet, die Zürcher «Bar am Wasser» müsste auch in den 50 Best Bars vertreten sein. Seine Rezepte veröffentlicht er auf homemade.ch und richardkaegi.ch; Insta @richifoodscout.

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