Montag, November 18

Seit zwei Jahren bremsen die USA den Rivalen mit Exportkontrollen für Halbleiter aus. Doch nur bei den modernsten Computerchips funktioniert das.

Vor zwei Jahren haben die USA den Export modernster KI-Chips nach China verboten. Ein Jahr später weitete das Land die Einschränkungen nochmals aus und untersagte auch die Ausfuhr in 43 andere Länder, die China für Umgehungsgeschäfte genutzt haben soll.

Die Biden-Regierung will damit den technologischen Fortschritt Chinas stark verlangsamen und verteuern. Vor allem soll das chinesische Militär nicht mehr von amerikanischer Hochtechnologie profitieren.

Seither ringen die beteiligten US-Behörden – das Handelsministerium, Sicherheitsbehörden und die Exportkontrolle des Finanzministeriums – oft im Einzelfall mit den einheimischen Technologiefirmen darum, wer wem welche Chips verkaufen darf. Die Exporte in die Vereinigten Arabischen Emirate oder nach Vietnam schienen jüngst ein besonderer Zankapfel zu sein.

Erst diesen Dienstag berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass die USA nun erwögen, die Lieferungen von KI-Chips in gewisse Länder nicht komplett zu untersagen, aber zu deckeln. Nvidia, AMD und weitere amerikanische Chiphersteller dürften also nur noch bis zu einer gewissen Limite Geschäfte mit diesen Ländern betreiben.

Zwei Jahre nach der Lancierung lassen sich die entscheidenden Fragen stellen: Was haben diese Sanktionen bisher gebracht? Konnten die USA den Fortschritt von China bei der Entwicklung moderner Halbleiter tatsächlich einschränken?

Wie es zu den Sanktionen kam

China hat über Jahrzehnte versucht, sich einen wichtigen Platz in diesen Lieferketten zu sichern, scheiterte aber trotz Milliardeninvestitionen im Wesentlichen daran. Als Absatzmarkt für die Halbleiterbranche wurde das Land jedoch immer wichtiger. Nach 2014 setzte China dieses Gewicht ein, um westliche Chiphersteller und -designer zum Technologietransfer zu zwingen – ähnlich, wie es China in anderen als strategisch wichtig geltenden Branchen getan hatte. Auch vor klassischer Spionage und dem Raub von Geschäftsgeheimnissen schreckte es nicht zurück.

Unter Präsident Barack Obama sahen die USA diesem Vorgehen noch eher passiv und hilflos zu. Erst während der Regierung von Donald Trump setzte sich in den amerikanischen Behörden wieder die Einsicht durch, dass die Position Chinas in der Halbleiterentwicklung nicht bloss als handelspolitische, sondern auch als eminent wichtige sicherheitspolitische Frage behandelt werden müsse. China würde diese modernsten Chips auch für die Entwicklung modernster Militärtechnologien nutzen.

Der technologische Vorsprung des US-Militärs gründet seit Jahrzehnten auch auf fortschrittlichen Halbleitern. Sie ermöglichten die Entwicklung von Lenkraketen und brachten den USA einen enormen Vorteil auf dem Feld der Aufklärung und der Kommunikation. Die Abschreckung Chinas insbesondere im Südchinesischen Meer und im Ringen um Taiwan basiert auf diesem technologischen Vorsprung und könnte in Gefahr sein, wenn China in der Halbleiterproduktion zu sehr aufholt.

Donald Trump selbst machte zwar vor allem mit dem breiten Handelskrieg gegen China Schlagzeilen. Er betrachtete den Konflikt auch vor allem aus dieser Warte und nutzte die 2018 und 2020 eingeführten Sanktionen gegen chinesische Tech-Unternehmen wie ZTE und Huawei gern als Verhandlungsmasse, um von Peking Zugeständnisse in anderen Bereichen zu erlangen.

Zögerliche Unternehmen

Die amerikanische Halbleiterbranche wehrte sich zunächst gegen Einschränkungen, weil China ein derart wichtiger Markt für sie geworden war. Ihr Vorgehen war und ist widersprüchlich: In Hintergrundgesprächen sollen die Unternehmen die Regierung längst vor der chinesischen Subventionsmaschine und der daraus resultierenden Gefahr für den technologischen Vorsprung der USA gewarnt haben. Mittlerweile weibeln einige Exponenten, wie etwa der Intel-Chef Pat Gelsinger, mit diesen Argumenten bei der Biden-Administration sehr erfolgreich für Subventionen.

Bis in die Trump-Jahre hinein gingen Unternehmen wie Qualcomm, IBM oder AMD jedoch noch eine enge Forschungszusammenarbeit mit chinesischen Partnern ein, um in China die Verkäufe anzukurbeln; obwohl sie ahnten, dass sie damit ihren technologischen Vorsprung preisgeben und sich neue Konkurrenten heranzüchten könnten.

Der US-Sicherheitsapparat widersetzte sich mit der Trump-Regierung solchen Kooperationen aber immer bestimmter. Er betrachtete die Computerchip-Frage nun als zentrale Herausforderung der nationalen Sicherheit. Diese Perspektive sollte schliesslich auch die Biden-Administration übernehmen, was 2022 zu den Exportkontrollen für modernste Chips führte.

Das eigentliche Ziel der Vereinigten Staaten ist es, Chinas technologischen Fortschritt zu bremsen, und nicht, die Wirtschaft des Landes komplett abzuwürgen. Daher fokussieren die Sanktionen auf die modernsten Chip-Generationen, nach dem Prinzip «small yard, high fence»: Ein kleiner Garten soll durch einen sehr hohen Zaun geschützt werden.

China passt sich an – so gut es eben geht

Es ist noch zu früh für ein Fazit dazu, wie sehr die Sanktionen von 2022 und die späteren Verschärfungen Chinas Ambitionen tatsächlich schaden. Der Boykott wird sich noch über einige Jahre hinweg auswirken.

Nimmt man die gezielten Sanktionen gegen den chinesischen Mobilfunkausrüster und Smartphonehersteller Huawei von 2019 als Vergleich, sollte man die Erwartungen nicht zu hoch hängen. Huawei verlor zwar viel Geschäft im Westen und wurde technologisch dadurch zurückgeworfen, dass es etwa keine Android-Betriebssysteme mehr verwenden durfte.

Doch hat sich der Konzern angepasst und stellt mittlerweile wieder leistungsfähige Smartphones her, mit denen Huawei vor allem in China, aber auch in einigen anderen Staaten grosse Marktanteile errungen hat. Huawei hat sein eigenes Betriebssystem stark weiterentwickelt und auch in der Chip-Produktion Fortschritte erzielt.

Es gilt aber als sicher, dass die Chip-Blockade China bremst. Das Land und seine Unternehmen haben definitiv mehr Mühe, an Chips der neuesten Generation aus dem Ausland zu gelangen; und sie sind weit davon entfernt, die enorm komplexen Lieferketten der Halbleiterindustrie zu Hause nachzubauen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in Ostasien, den USA und Europa herausgebildet haben. Allein die neuesten Lithografie-Maschinen des niederländischen Herstellers ASML zu kopieren, die für die Produktion der modernsten Chips unerlässlich sind, scheint ein Ding der Unmöglichkeit.

China scheint sich damit abgefunden zu haben, vorerst nicht mehr auf die neuesten Produktionstechnologien oder die modernsten Halbleiter zugreifen und die Dominanz des Westens in diesem Feld noch nicht brechen zu können. Es setzt jetzt auf die Entwicklung bestimmter Chips älterer Generationen, um einen grösseren Marktanteil in gewissen Nischen und im günstigen Massenmarkt zu erobern.

Die Rhodium Group, ein Beratungs- und Analyseunternehmen, schreibt etwa, dass auch diese älteren Chips für viele Branchen weiterhin sehr wichtige Komponenten darstellten, etwa für Autos, Flugzeuge oder medizinische Geräte.

Fahrzeuge brauchen gar Unmengen davon. Die Autohersteller gerieten 2021 in enorme Probleme, als sie während der Covid-19-Pandemie die Nachfrage falsch einschätzten und plötzlich viel zu wenige Halbleiter zur Verfügung hatten. Die globale Autoproduktion brach ein – tonnenschwere Gefährte konnten nicht ausgeliefert werden, weil einige winzige Computerchips fehlten.

Wenn sich China eine dominante Position im Massenmarkt mit Computerchips erarbeiten kann, könnte es möglicherweise selbst wichtige Flaschenhälse in der Weltwirtschaft kontrollieren. Die sicherheitspolitische Diskussion in den USA dreht sich denn auch vermehrt um die Frage, wie gefährlich diese Entwicklung ist und wie sehr die Sanktionen verschärft werden müssen.

Die Abwägungen sind dabei aber nicht dieselben wie bei den Hochleistungschips. Es ist viel schwieriger, China auch von den Lieferketten für ältere Chips komplett abzuschneiden, und es ist unter Umständen kontraproduktiv, weil sich Peking einfacher darauf einstellen könnte.

Ganz unmöglich ist es für China überdies auch nicht, an moderne Chips zu gelangen. Nvidia hat sein Angebot an KI-Chips umgebaut, so dass es das Land weiterhin mit gewissen Modellen beliefern kann – auch wenn es nicht mehr die allerneuesten sind. Die USA liessen Umgehungshandel via Drittländer zunächst bis zu einem gewissen Grad zu. Sie suchten den Kompromiss zwischen Sicherheitspolitik einerseits und den Bedenken ihrer Unternehmen und ihrer Alliierten (Taiwan, Japan, Korea, vor allem die Niederlande) andererseits.

Keine Abkehr von einer harten China-Politik zu erwarten

Alles deutet nun darauf hin, dass sich in der Halbleiterfrage der Graben zwischen China und den USA und ihren Alliierten vergrössern wird. Der politische Konsens in Amerika geht dahin, die Regeln für Exporte aus China eher noch zu verschärfen als zu lockern. Zudem gibt es schon jetzt Stimmen in den USA, welche die starke Position gegenüber China in der Halbleiterfrage dazu nutzen möchten, Konzessionen von Peking in anderen Bereichen herauszupressen, wie es Trump in seiner ersten Amtszeit getan hatte.

Die Unnachgiebigkeit hat auch innenpolitische Gründe. Die Mehrheit der Demokraten und der Republikaner vertritt inzwischen eine «tough on China policy», inklusive der beiden Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump.

Diese Sichtweise ist bei weitem nicht auf die Politiker in Washington beschränkt. Die Amerikaner sind, das zeigen Umfragen, insgesamt sehr chinakritisch geworden. Die Überzeugung, dass Chinas Subventionen und Billigexporte zahlreiche amerikanische Jobs vernichtet haben, ist sehr weit verbreitet; ebenso der Wunsch, dass die Politik gegen den unfair agierenden Rivalen vorgeht. Auch wenn sich der Unmut vor allem auf das Feld der Handelspolitik bezieht, kommt auch eine strikte Sicherheitspolitik gegenüber China gut an.

Ob Harris oder Trump ins Weisse Haus einzieht, ist für den Fortgang des «Chip-Kriegs» mit China insofern wohl sekundär. Die entscheidenden Fragen werden sein: Wie radikal geht Washington gegen die Versuche Chinas vor, die bestehenden Sanktionen zu umgehen? Wie sehr nehmen die USA dabei auf ihre eigenen Unternehmen wie Nvidia oder Arm Rücksicht, die in erster Linie Gewinne schreiben wollen? Und wie holen sie künftig ihre Verbündeten in Japan, Taiwan, Südkorea und den Niederlanden ins Boot, die alle ihrerseits wichtige Flaschenhälse in der globalen Halbleiterindustrie kontrollieren?

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