Freitag, Oktober 18

Zürichs Befürworter von Mietzinslimiten jubeln: Die Unterschriften für eine Initiative sind gesammelt. Investoren sind jedoch tief besorgt. Sanieren lohne sich nicht mehr, wie man in Basel sehe.

«Bezahlbare Wohnungen schützen. Leerkündigungen stoppen» – mit diesen Schlagworten wirbt die SP des Kantons Zürich für die letzten Sommer lancierte Wohnschutzinitiative. Sie verlangt, dass Gemeinden die Bewilligung von Sanierungen, Renovationen, Um- und Ersatzbauten an eine Mietzinslimite knüpfen können.

Die These dahinter: Dies halte Immobilienkonzerne davon ab, ganze Siedlungen zu leeren, luxuriös zu sanieren und dann für eine deutlich höhere Miete als zuvor auf den Markt zu bringen.

Das Konzept von begrenzten Mieten nach Sanierungen kennt man hierzulande vor allem aus Genf, wo seit 1983 sehr strikte Vorgaben gelten. 2022 hat dann Basel-Stadt eine noch strengere Regelung als in der Westschweiz eingeführt.

Jean-Pierre Valenghi ist Leiter Immobilien bei der am Rhein ansässigen Baloise-Versicherung, einem der grössten Bauherren in der Region. Valenghi findet nach etwas mehr als einem Jahr Basler Wohnschutz klare Worte: «Es ist ein komplettes Desaster für den Standort Basel-Stadt.»

Was die Initianten als Schutz vor Mietzinsauswüchsen verkauft hätten, entpuppe sich als Bürokratiemonster, mit desaströsen Auswirkungen auf die Mieter, Vermieter, Investoren und das Baugewerbe. «Selbst kleinste Sanierungen wie der Einbau eines Geschirrspülers müssen von der Wohnschutzkommission bewilligt werden.» Diese Kommission ist nicht nur für die Bewilligung von Sanierungs-, Renovations- und Umbauarbeiten zuständig, sondern legt auch fest, wie hoch der Mietzins danach sein darf.

Besonders absurd werde es dann, wenn Mieter sogar bereit seien, einen höheren Mietzins für eine neue Küche zu bezahlen, und dieser abgemachte Zins dann von der Wohnschutzkommission abgelehnt werde, berichtet Valenghi. «Was das mit Wohnschutz zu tun haben soll, erschliesst sich mir nicht.»

Die Baloise besitzt 1100 Mietwohnungen in Basel. Zwischen 2012 und 2022 habe der Versicherer über 60 Millionen Franken in seine Immobilien im Dreiländereck gesteckt, sagt Valenghi. Rund 360 Wohnungen habe man saniert.

2023 hat die Baloise ihre Investitionen auf null zurückgefahren. Im laufenden Jahr dürfte sich das nicht gross verändern, sagt Valenghi. Weil die neuen Mietzinse von den Behörden plafoniert würden, lohne es sich schlicht nicht mehr, zu sanieren.

Auch Projekte, bei denen durch Verdichtung zusätzliche Wohnungen entstehen könnten, würden derzeit nicht mehr verfolgt. Man mache noch Instandhaltungsarbeiten und Pinselrenovationen. Im Übrigen liege der Fokus der Baloise in Basel nun auf Gewerbeimmobilien.

Für den Basler Mieterverband zeigt die Zurückhaltung der Investoren indes, dass sich der Wohnschutz bewähre. Schliesslich gehe es vor allem darum, den Bestand zu erhalten. Mieterinnen und Mieter sollten nicht wegen unnötiger Sanierungen ihre Wohnungen verlieren.

«Der Schuss geht nach hinten los»

Paolo Di Stefano leitet das Immobiliengeschäft der Swiss Life in der Schweiz. Die Versicherung ist die grösste Immobilienbesitzerin der Schweiz. Di Stefano sagt, er verstehe zwar das Anliegen hinter Initiativen wie jener für den Wohnschutz. «Aber der Schuss geht schnell einmal nach hinten los, weil die Strategie das eigentliche Problem verfehlt.»

Die Schweizer Bevölkerung wachse, gleichzeitig hätten sich die Anforderungen an Wohnraum in den letzten Jahrzehnten verändert, führt Di Stefano aus. «Die Menschen brauchen mehr Platz pro Kopf, gleichzeitig leben weniger Personen im selben Haushalt.»

Wenn man dem Rechnung tragen wolle, brauche es vor allem eines, sagt Di Stefano: mehr Wohnungen. «Es ist grundsätzlich reine Ökonomie. Wenn das Angebot mit der Nachfrage mithält, sinken die Preise.»

Jede neue Wohnung bedeute zudem, dass eine ältere Wohnung frei werde, sagt Di Stefano. Je mehr aber reguliert werde, desto kleiner der Anreiz für Investoren, zusätzliche Wohnungen zu erstellen. Das Resultat sei annähernd Stillstand. «Statt zu sanieren und gleichzeitig zu verdichten, belassen es einige beim Reparieren.»

Die Entwicklung des Wohnungsmarkts in Genf biete das perfekte Anschauungsbeispiel dafür, was Wohnschutz tatsächlich bewirke, sagt Jean-Pierre Valenghi von der Baloise: Während 20 Jahren sei die Bautätigkeit ausgebremst worden. «Genfs Immobilienbestand ist veraltet. Es wird halb so viel investiert wie im Rest der Schweiz.»

Wohnschutz gefährdet Klimaziele

Dabei wäre gerade in Zeiten von Klimakrise und Netto-Null-Zielen der Bedarf an energetischen Sanierungen gross. Auch Zürich hat sich Grosses vorgenommen, bis 2040 beziehungsweise bis 2050 wollen Stadt und Kanton klimaneutral sein.

Für Immobilienbesitzer bedeutet das vor allem eines: Sie müssen ihre Gebäude sanieren und die Heizungen von fossilen Energiequellen auf erneuerbare umrüsten. Wenn die Kosten für solche Massnahmen aber aufgrund von Mietzinsdeckelungen nicht mehr in nützlicher Frist amortisiert werden können, dürften es sich die Eigentümer zweimal überlegen, ob sie das Geld dafür in die Hand nehmen.

Auch hier lohnt sich ein Blick nach Genf. Gemäss einer Studie von Wüest Partner sind gerade einmal 12 Prozent der vor 1985 erstellten Gebäude totalsaniert. Geheizt wird in über 80 Prozent der Wohnliegenschaften mit Heizöl oder Gas.

So werden Wohngebäude beheizt

in Prozent

Für die nächsten Jahre plant Genf grosse Investitionen in sein Fernwärmenetz. Wenn aber gleichzeitig die nötigen Gebäudesanierungen ausbleiben und die Liegenschaften schlecht isoliert sind, verpufft ein grosser Teil der so gewonnenen Wärme.

Baloise renoviert in Zürich auf Vorrat

Zurück nach Zürich. Hier haben die Initianten der Wohnschutzinitiative inzwischen die nötigen Unterschriften beisammen. Demnächst werden sie eingereicht. Zürich könnte sich also bald in die Reihe der Städte mit strengen Wohnschutzregeln eingliedern.

Die Baloise überprüft derweil ihren Wohnliegenschaftenbestand in Zürich, insbesondere in der Stadt, wo sie rund 530 Mietwohnungen besitzt. Im ganzen Kanton sind es rund 2300 Wohnungen. «Wo in den nächsten 10 bis 15 Jahren grosszyklische Sanierungen notwendig sind, schauen wir nun im Detail, ob es sinnvoll ist, die Arbeiten vorzuziehen», sagt Valenghi.

Bei der Swiss Life sind keine vergleichbaren Schritte geplant. Auch ein Rückzug aus dem Zürcher Immobilienmarkt stehe nicht zur Debatte, sagt Di Stefano. «Wir wollen Teil der Lösung sein, pro Jahr mehrere hundert Wohnungen bauen und unser Portfolio à jour halten.» Gleichzeitig müsse die Swiss Life aber auch den Verpflichtungen nachkommen, die sie gegenüber ihren Versicherten habe.

Für kleinere Investoren könnte die Stadt Zürich an Attraktivität einbüssen, glaubt Di Stefano. Wirtschaftsstandort hin oder her.

Wenn Zürich Investitionswilligen zudem das Gefühl gebe, sie müssten bei jedem Projekt starke Einschränkungen hinnehmen, könnte das abschreckend wirken. «Es gibt genug Städte in Europa, die Investoren mit offenen Armen empfangen.» Wer die Möglichkeit habe, sich nach besseren Gegebenheiten umzuschauen, werde das vielleicht irgendwann tun.

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