Donnerstag, Oktober 10


Stilfrage

Short Shorts, also ultraknappe Hosen, wurden auf den Männermode-Laufstegen viel gezeigt. Doch es gibt ein anderes Modell unter den kurzen Hosen, das für die meisten Anlässe und Männertypen geeignet ist.

Über die Frage, wie viel Männerbein überhaupt erlaubt ist, muss heutzutage nicht mehr diskutiert werden. Grund sind Short Shorts. Kurze Hosen, deren Format gerade so an das von Boxershorts heranreichen. Prada präsentierte sie erstmals für den Sommer 2022 – und machte sie (zumindest unter Modekennern) salonfähig. Seitdem geistern die extraknappen Beinkleider auf den Laufstegen herum.

Die eigentliche Frage ist aber, welches Modell unter den kurzen Hosen jenes ist, das zu den meisten Anlässen und Männern passt.

Wie kurz darf die Hose sein?

Es ist das Modell, dessen Hosenbeine knapp oberhalb des Knies enden. Das also mittig zwischen langer Hose und engem Unter- oder Schwimmhöschen liegt. Der perfekte Kompromiss. Früher nannte man das Modell Bermudashorts. Benannt wurde es nach den Bermuda-Inseln, weil es dort – aus Baumwolle – Ende der fünfziger Jahre von Amerikanern in den Ferien zuerst getragen wurde. Heute sagt man oft auch Boardshorts zu den kurzen Hosen. Klingt irgendwie cooler und lässiger, ist aber nicht immer korrekt.

Boardshorts weisen zwar ebenfalls ungefähr Knielänge auf, kommen aber ursprünglich von der Surfer-Bekleidung und sind deshalb nie aus Baumwolle, sondern aus Hightech-Fasern wie Polyester. Das Material entscheidet am Ende also über die Begrifflichkeit. Fakt ist: Board- und Bermudashorts sind in der hohen Luxus- und Laufstegmode gerade auch ziemlich angesagt.

Es gibt sie sportlich und sommerlich mit Polohemd und Segelschuhen (wie bei Miu Miu), ganz clean und eher minimalistisch in einer Farbe-von-Kopf-bis-Fuss-Interpretation (wie bei Loro Piana) und sogar businesstauglich. Für Valentino verpasste Pierpaolo Piccioli dem Anzug ein Kurz-Upgrade: Sakkos mit passenden Bermudashorts in allen möglichen Farben, wahlweise mit Krawatte zum weissen Hemd.

Der Look erinnert an den etwas jüngeren Pharrell Williams, der bereits 2014 mit einer kurzen Hose auf einem roten Teppich aufschlug. Viel früher als der Mann, über den heute alle sagen, er habe Shorts red-carpet-tauglich gemacht: Pedro Pascal.

Sein Outfit für die Met-Gala vergangenes Jahr bestand aus schwarzen Shorts, einem roten Hemd, einer schwarzen Krawatte und einem roten Mantel. Nicht ganz unwichtig: die schwarzen Lederschnürer und schwarzen Socken, die Pascal auch noch trug. Die lenkten den Blick nämlich auf seine gut trainierten und behaarten Beine, die ihn wiederum in den sozialen Netzwerken zum «internet daddy» machten – und den Mann auf dem roten Teppich zu etwas, das er eher selten ist: einem Sexobjekt. So gesehen ist Pascals Auftritt also durchaus als Befreiungsschlag für die Männermode zu werten.

Steht so ziemlich allen

Kein Mann muss übrigens über herkulisch definierte Waden verfügen, um in Board- oder Bermudashorts eine gute Figur zu machen. Die Knapp-oberhalb-des-Knies-Länge steht jeder Körpersilhouette. Übrigens auch jedem Alter. Ein paar berühmte Träger gefällig? Die britischen Kronprinzen müssen zu offiziellen Anlässen bis ins Alter von acht Jahren Bermudashorts tragen (weshalb sie in Grossbritannien oft ein wichtiges Piece von Privatschuluniformen sind). Der Schauspieler Shia LaBeouf trägt so oft welche, wie er kann.

Der Modedesigner Thom Browne trägt sie ausschliesslich. Immer zum Sakko oder Cardigan, meist in Grau oder Dunkelblau. Seine Kollektionen spielen regelmässig mit Officewear-Tristesse und forscher Jugendlichkeit, manchmal auch mit Fetisch. Das Konzept entwickelte er vor rund zwanzig Jahren, weil er das Konventionelle mit dem Unkonventionellen verbinden wollte. Heute gilt er als Designer, der wie kein anderer in den letzten sechzehn Jahren die Männermode geprägt hat. Er selbst kann sich ein Leben in langen Hosen inzwischen gar nicht mehr vorstellen.

Womit man bei den Vorteilen wäre, die kurze Hosen so mitbringen. Vor ein paar Wochen fragte der «Guardian» bei ein paar Männern von nebenan nach, die das ganze Jahr über Shorts tragen. Mit dabei war auch Philipp Gager, ein 77-jähriger Akademiker aus dem Norden Englands. Er sagte: «Es gibt viele Gründe, warum ich kurze Hosen mag. Einer ist die Freiheit. Bei langen Hosen hasse ich einfach den flatternden Stoff um meine Waden. Und haben Sie schon einmal versucht, sich in welchen draussen hinzuknien? Oder was ist, wenn es regnet? Nackte Beine trocknen schneller als jeder Stoff. Sie sparen ein paar Wäschen. Man muss nur auf die Brennnesseln aufpassen!» Kalt werde es ihm nie. Höchstens einmal «frisch», wie er sagte. «Ab minus 15 Grad Celsius.»

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