Dienstag, April 29

Das grosse Portemonnaie war einst Statussymbol, heute ist es fast vergessen: Wie ein einst wichtiges Accessoire durch die Digitalisierung an Bedeutung verlor.

Wer wohl das nächste Opfer der Digitalisierung sein wird? Seit die künstliche Intelligenz ihren Siegeszug angetreten hat, fürchten Kreative ebenso um ihre Jobs wie Buchhalter. Aber auch Dinge verschwinden. Verleibten sich die Handys zuerst Fotoapparate und portable Musikgeräte ein, so haben sie nun auch die Portemonnaies gefressen. Nicht die kleinen Täschchen, in denen man immer noch das Münz für den Einkaufswagen und den Flohmarkt aufbewahrt; auch wenn man auf Letzterem immer häufiger auch mit Twint bezahlen kann. Verschwunden sind vor allem die fast Taschenbuch-grossen Lederetuis, die sich auch wie ein solches aufklappen liessen, wenn auch gesichert durch einen Reissverschluss, und eine Vielzahl von Fächern darboten, bestückt mit Kredit- und Kundenkarten.

Schublade statt Statussymbol

Denn gerade jüngere Menschen tragen diese schon lange nicht mehr mit sich herum. Dafür gibt es die «Wallet» auf dem Smartphone. Sie halten ihr Telefon an die Bezahlgeräte, bestätigen durch Klicks oder Gesichtserkennung, fertig.

Viele wissen gar nicht mehr so recht, wo sie ihr Portemonnaie eigentlich aufbewahren. Dabei war der Marken-Geldbeutel einst ein wichtiges Statussymbol – nicht nur zu sehen an stilprägenden Models der neunziger und der nuller Jahre, sondern auch in Filmen, von «Sex and the City» über «Confessions of a Shopaholic» (2009) bis hin zu «The Bling Ring» (2013).

The Bling Ring | Official Trailer HD | A24

Es ging durchaus nicht nur darum, mit den grossen Geldbeuteln zu protzen. Und sie dienten auch nicht nur zum Aufbewahren von Kredit- und Visitenkarten. Portemonnaies waren auch ein Ort für Erinnerungen: Theaterkarten, Fotos aus Passbildautomaten von sich selbst und anderen, Kassenzettel. Eine Art Tagebuch voll analoger Souvenirs. Das Portemonnaie aufräumen gehörte zu den Dingen, mit denen man ab und an Zeit totschlug; Social Media zum endlosen Durchscrollen kannte man damals schliesslich noch nicht.

Nur noch kleine Versionen

Natürlich gibt es noch immer Portemonnaies von Luxusbrands zu kaufen. Sie sind aber kleiner, filigraner, das, was einst als Visitenkartenetui galt. Sie haben oft nur noch ein Fach. Manchmal noch Schlitze für Karten. Oft baumeln sie an Schnüren oder an Gürteln, wie einst die Brustbeutel von vorsichtigen Touristen. Man bewahrt jene Sachen aus Fleisch und Blut, beziehungsweise Plastik, darin auf, die es noch zum Anfassen braucht: die ID, den Fahrausweis, vielleicht etwas Bargeld – man weiss ja nie. Portemonnaies von der Grösse der Prä-Smartphone-Phase haben heutzutage Henkel und gelten als Handtasche.

Zeitgemässe Portemonnaies von Chloé und Dior Homme, getragen an der Paris Fashion Week.

Was aber immer noch gilt: Diese Sparte ist nach wie vor vergleichsweise günstig. Die gerade angesagten, kleinen Portemonnaies sind ein beliebtes Einsteigermodell für die Welt der Luxusmarken, ebenso, wie es einst die grossen waren. Gut möglich auch, dass die grossen Portemonnaies bald wieder einmal für kurze Zeit ein Comeback haben, als nostalgische Koketterie, so wie Menschen gerade gerne Hüfthosen tragen und die Polaroidkamera für sich entdecken oder Telefone, die nicht mit dem Internet verbunden werden können.

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