Montag, November 17

Nach dem Wahlsieg von Donald Trump befinden sich die Republikaner in einem Hoch. Doch die Situation ist trügerisch.

Die Republikaner dürfen sich freuen. Ab dem 20. Januar sitzen sie an allen Schalthebeln der Macht in Washington, mit Trump im Weissen Haus und einer Mehrheit in beiden Kongresskammern. Und zusätzlich dirigiert auch im Supreme Court eine konservative Mehrheit. Diesen Triumph haben die Republikaner Trump zu verdanken, und das wissen sie. Die Partei hat sich nach seiner Abwahl 2020 und seinem schmählichen Versuch, den Volkswillen umzustürzen, hinter ihn gestellt. Der Pakt hat sich gelohnt. Doch werden die Republikaner sich auch ohne Trump an der Macht halten können?

Ihr Maestro ist 78-jährig, und die amerikanische Verfassung verwehrt ihm eine dritte Amtszeit. Die Nachfolgefrage, die spätestens in zwei Jahren akut werden wird, wird schwierig werden. Deshalb ist es für die Republikaner zentral, dass sie in den kommenden Jahren beweisen, dass sie das Vertrauen der Wählerschaft verdient haben. Sie müssen an einem Strick ziehen und konstruktiv regieren. Sein erratisch wirkender Führungsstil und sein Temperament haben Trump schon einmal das Amt gekostet. Die Lehre sollte sein: Wer in einer Demokratie an der Macht bleiben will, muss etwas dafür tun.

Donald Trump und die Republikaner auf dem Capitol Hill scheinen sich dessen bewusst zu sein. Bei den gemeinsamen Vorbereitungen für die kommende Legislatur haben sie jedenfalls bisher Disziplin gezeigt. Die Prioritäten für die ersten hundert Tage sind gesetzt. Sie sollen die wichtigsten Wahlversprechen Trumps nahtlos umsetzen: besseren Grenzschutz, billigere Energie, Deregulierung und tiefere Steuern. «Es ist ein Fest der Liebe», resümierte ein Senator ein Treffen der Republikaner Anfang Dezember, bei dem sich der designierte Präsident virtuell zugeschaltet hatte.

Dabei gibt es durchaus Konfliktstoff: Trump versuchte anfänglich, seine Ernennungen für das Kabinett mittels «recess appointments» ohne Anhörungen und Abstimmung im Senat durchzubringen. Die Republikaner im Senat wehrten sich gegen diesen Trick; seither ist das Thema von der Bildfläche verschwunden. Bei den teilweise verstörenden Ernennungen haben sie, wie es scheint, einen Weg gefunden, die Nominierungen ordentlich zu prüfen, ohne Trump vor den Kopf zu stossen. Er hält sich bei den Debatten rund um seine fragwürdigsten Favoriten weitgehend zurück, wenigstens bis jetzt. Auf Verlangen einiger republikanischer Senatoren werden die Kandidaten nun durch das FBI überprüft.

Was Trump und die Republikaner im Kongress zusammenschweisst, ist mehr als nur der Tatendrang für die kommende Legislatur. Sie haben einen viel wertvolleren Pokal im Sinn als ein paar Gesetzesreformen bis zu den Midterms. Sie streben eine dauerhafte Vorherrschaft der Partei über die Demokraten an. Sie träumen von einer Neuordnung, einem sogenannten Realignment der politischen Landschaft, wie es in der Geschichte der USA erst ein paar Mal vorkam. Für Trump wäre es ein Vermächtnis, das ihn zu einem epochal wichtigen Präsidenten machen würde. Es wäre die ultimative Genugtuung für den megalomanischen Egozentriker.

Das Zauberwort heisst Realignment

Realignment ist ein Zauberwort, das immer dann auftaucht, wenn ein Präsident wiedergewählt wird, zum Beispiel im Fall von George W. Bush oder Barack Obama. Doch mehr als acht Jahre konnte sich eine Partei seit der Reagan/Bush-Ära nicht an der Macht halten. «Das Realignment ist Realität», titelte die «Washington Post» vor 35 Jahren, als George Bush auf Ronald Reagan folgte. Drei Jahre später war dann aber doch Schluss, als der Demokrat Bill Clinton siegte. Die Realignment-Theorie ist in der Politikwissenschaft umstritten, Parteistrategen zelebrieren sie – insbesondere nach einem Wahltriumph.

Laut Historikern gab es drei grosse Realignments in der Geschichte der USA. Das erste stellt die Präsidentschaftswahl von 1896 dar. Damals konnte der Republikaner William McKinley die wachsende Wählergruppe von protestantischen, weissen, urbanen Arbeitern mobilisieren. Derweil blieben die Demokraten auf ihrer ländlich geprägten Basis sitzen. Ihre Stunde kam erst wieder mit der Great Depression, die eine tektonische Verschiebung im Wählerverhalten auslöste. Mit der Wahl von Franklin D. Roosevelt 1932 begann die Ära der New-Deal-Koalition und damit die Dominanz der Demokraten, die bis in die sechziger Jahre dauern sollte.

Richard Nixon beendete 1968 die Ära des New Deal. Der Republikaner wusste die damalige Gegenreaktion gegen die Bürgerrechtsbewegung und die Studentenproteste zu nutzen. Er mobilisierte mit seiner Law-and-Order-Politik eine «schweigende Mehrheit» – wenigstens bis seine Machenschaften im Watergate-Skandal ihn das Amt kosteten. Unter Nixons Ägide nahm aber ein weiteres «Realignment» Gestalt an. Die Republikaner mobilisierten weisse Wähler in den Südstaaten, welche rassistische Ressentiments gegen die Bürgerrechtsbewegung hegten und den Demokraten in Scharen davonliefen.

Ende der siebziger Jahre war die «southern strategy» der Republikaner vollzogen. Die meisten Südstaaten wählten republikanisch, was den Weg für Ronald Reagans Regnum vorbereitete.

Trump krempelt die Grand Old Party um

Was hat das alles mit Donald Trump zu tun? Viel. Erstens hat er die Republikanische Partei fundamental umgeformt. Er brachte die Partei der besitzenden Klasse auf Anti-Establishment-Kurs und verabschiedete sich vom Freihandel zugunsten eines ökonomischen Populismus. Zweitens schaffte er es damit, eine völlig neue Koalition von republikanischen Wählern zu schmieden. Die Make-America-great-again-Bewegung zog Amerikanerinnen und Amerikaner an, die zuvor entweder demokratisch gewählt hatten oder überhaupt nicht.

Das geschah in zwei Etappen. 2016 mobilisierte Trump vor allem weisse, ungebildete Neuwähler, zum Teil mithilfe fremdenfeindlicher Parolen. Gleichzeitig holte er in den strukturschwachen Staaten des Rust Belt die Stimmen von – auch weissen – Industriearbeitern.

Im Wahlkampf 2020 begann Trump, zunächst noch verhalten, um die Stimmen von Afroamerikanern und Latinos zu werben, mit Influencern wie dem Rapper Kanye West und mit gezielten Desinformationen. Vor allem bei den Latinos konnte er trotz seiner Niederlage gegen Joe Biden 2020 deutlich mehr Wähleranteile holen. Das führte dazu, dass Trump 2024 die Anstrengungen intensivierte, diese demografisch vielversprechenden Gruppen für sich zu gewinnen – laut Nachwahlbefragungen mit durchschlagendem Erfolg, vor allem bei jungen Männern.

Hat Trump es geschafft, den «schlafenden Riesen» aufzuwecken – wie man die Massen von wahlabstinenten Minderheiten nennt? Er glaubt es. In der Wahlnacht honorierte Trump in der Siegesrede die neue republikanische Koalition: «Sie kamen aus allen Schichten: Gewerkschafter, Nichtgewerkschafter, Afroamerikaner, Hispanics, Asiaten, Araber, Muslime (. . .). Es war ein historisches Realignment.»

J. D. Vance gilt als möglicher Thronfolger

Trumps Vision der Grand Old Party als einer multiethnischen Volkspartei ist ein Albtraum für die Demokraten. Tatsächlich zeigen die Wahlresultate, dass junge Wähler sich zunehmend vom Konservatismus angezogen fühlen, besonders die zweite und die dritte Generation von Amerikanern aus Lateinamerika, aber auch Afroamerikaner. Diese Wähler sind die Zukunft der amerikanischen Demokratie, bis 2045 werden weisse Wähler in den USA in der Minderheit sein, dies laut offiziellen Prognosen .

Doch der Trumpsche Exploit lässt sich für die Republikaner nur perpetuieren, wenn die Partei einen passenden Thronfolger findet. Als Favorit gilt J. D. Vance, der künftige Vizepräsident. Er ist eng befreundet mit dem Präsidentensohn Donald Trump junior und gilt als treibende Kraft der «neuen Rechten», einer Gruppe schnittiger nationalkonservativer Politiker wie des designierten Aussenministers Marco Rubio und des Senators Josh Hawley.

Sie wollen den Populismus von Trump radikal weiterentwickeln und mit christlich-konservativen Werten verschmelzen. Markenzeichen der neuen Rechten ist eine pointiert arbeiterfreundliche Gesinnung, wie sie der konservative Ökonom Oren Cass von der Denkfabrik American Compass vertritt.

Wirkt der Trump-Effekt ohne Trump?

Vance sieht sich laut einem gut recherchierten Porträt des «New Yorkers» als Anführer einer nationalkonservativen Revolution. Doch ob er die Wählerschaft begeistern kann, ist eine offene Frage. Trump übt eine fast magische Anziehungskraft auf Wähler aus. Was er sagt, ist oft weniger wichtig, als wer er ist. Vance ist nicht Trump, er hat weder dessen Charisma noch dessen Kommunikationsfähigkeiten. Und als radikaler Rechtspopulist befindet er sich auf Kollisionskurs mit dem wirtschaftsfreundlichen Kern der Partei und mit Corporate America. Die innerparteilichen Richtungskämpfe werden spätestens in zwei Jahren ausbrechen, wenn nach den Zwischenwahlen der Wahlkampf für 2028 beginnt.

Hinzu kommt, dass bei den Wahlen 2024 doch ziemlich ungewöhnliche Bedingungen herrschten: Der senile Kandidat Biden, die spät eingewechselte und schwächelnde Ersatzspielerin Kamala Harris und die grassierende Inflation waren spezifische Faktoren, die Trump und den Republikanern zum Sieg verhalfen.

Sieger profitieren nach einem gewonnenen Rennen immer vom Halo-Phänomen: Sie haben vermeintlich alles richtig gemacht und die Verlierer alles falsch. Tatsache ist: Die Machtbasis der Republikaner ist wacklig, obwohl Trump den Demokraten entscheidende Wählergruppen abspenstig machen konnte. 2028 wird zeigen, ob der Trump-Effekt ohne Trump weiterwirkt.

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