Montag, Oktober 7


Zum Geburtstag

Der zielstrebige Italiener hat sein Leben sechzig Jahre lang der Mode verschrieben, ans Aufhören denkt er augenscheinlich nicht. Was macht Giorgio Armani so erfolgreich?

«Kein Wunder», denkt man sich, wenn man heute «American Gigolo» schaut. Kein Wunder, war der Film mit dem perfekten Prostituierten und dem ungelösten Mordfall bei seinem Erscheinen 1980 ein Erfolg. Kein Wunder, wurde der Schauspieler Richard Gere mit der Hauptrolle zum Star. Aber vor allem: Kein Wunder, wollten danach alle die Kleider von Giorgio Armani tragen.

Es ist einfach, das heute zu vergessen. Giorgio Armani ist zu einem Lifestyle-Imperium geworden, dessen Name auch auf Unterhosen, Hotels in Mailand und Dubai, Restaurants und einem Interior-Label prangt. Der Wert seiner Firma wird vom Finanzportal Bloomberg auf acht bis zehn Milliarden Euro geschätzt. Armani, nun 90 Jahre alt, sitzt noch immer an der Spitze.

Leinen statt Blümchen

Das war bei seiner Kindheit nicht abzuschätzen. Giorgio Armani wuchs in bescheidenen Verhältnissen in der norditalienischen Stadt Piacenza auf, während um ihn herum die Bomben des Zweiten Weltkriegs fielen. Obwohl vom Kino und vom Theater fasziniert, wollte er Arzt werden – weil es sich so gehörte und weil er ein gutes Buch darüber gelesen hatte. Erfüllung fand er nach abgebrochenem Studium und einigen Jahren im Militär aber erst im Mailänder Warenhaus La Rinascente, wo er Schaufenster dekorierte, bevor er in die Abteilung für Männermode wechselte. Nach einigen Jahren als Männermodedesigner bei Nino Cerruti gründete er auf den Rat seines damaligen Lebenspartners Sergio Galeotti hin 1975 zusammen mit Galeotti und mit zehntausend Euro in der Tasche seine eigene Firma.

Sogleich nahm Armani den Anzug ins Visier. Seiner Meinung nach war er ein textiler Gleichmacher, der Männer ungeachtet von Körperform und persönlichem Stil in eine Schablone steckte. Weg kamen also die vielen Polster und der rigide Schnitt. Stattdessen nutzte Armani leichte Stoffe wie Leinen und liess den Anzug mit der Bewegung des Körpers sanft mitgehen, statt zu spannen und zu zwicken. «Es musste einen Weg geben, für die Veränderungen in der Welt zu entwerfen, ohne auf Blumen zurückzugreifen», sagte er einmal in einem Interview mit der Modejournalistin Ingrid Sischy. Seine Mode war Befreiung und Zeitgeist zugleich, ohne den Klischees der Hippie-Kleidung zu folgen. Sie schüttelte die Schwere der üppigen französischen Nachkriegsmode ab und war trotzdem glamourös.

Mode wie ein Fetisch

«American Gigolo», unter der Regie von Paul Schrader, war die denkbar beste Plattform dafür. Die locker über die Schultern geworfenen Sakkos, das Leinen in Beige und Grau und Greige, die Hosenbünde knapp unter dem Bauchnabel, die hochgekrempelten Hemdsärmel, das fast zum Fetisch hochstilisierte Auswahlritual für eine Krawatte: Was auch immer der kalifornische Escort Julian Kaye trägt, wirkt sinnlicher als die Sexszenen. Es lässt die grellen, herausstechenden Siebziger-Jahre-Kragen des feindlichen Kommissars herrlich pathetisch wirken und verschmilzt mit dem weichen, ebenfalls von Giorgio Armani designten Trenchcoat, den Lauren Hutton im Film trägt.

Damit schaffte Armani den Sprung über den grossen Teich. Bald folgten tiefpreisigere Linien und ein grösserer Fokus auf Damenmode und Hollywood-Stars wie Jodie Foster und Diane Keaton. Schon 1982 posierte er auf dem Cover des «Time Magazine», was er auch fast ein halbes Jahrhundert danach noch eine grosse Errungenschaft nennt. «Giorgio’s Gorgeous Style» lautete die Schlagzeile, und der Designer inszenierte sich ähnlich, wie er es noch heute tut: braungebrannt und irgendwie erhaben.

Einfach und geradlinig

Es ist diese Konstanz, die seitdem auch das Schaffen von Giorgio Armani definiert hat. Grosse stilistische Risiken geht er selten ein, und Trends lässt er meist links liegen, denn er weiss, was seine Kundschaft möchte. Spätestens seit Sergio Galeotti 1985 an den Folgen seiner Aids-Erkrankung starb, sieht sich Armani nämlich als «designer-businessman», der das Kreative und das Kommerzielle vereint. Dazu, das erklärte er vor einigen Jahren dem «System Magazine», habe sich seine Vorstellung von Stil und Geschmack seit seinen Anfängen nicht verändert: «Ich habe immer versucht, eine grosse Wertschätzung für alles Einfache und Geradlinige zum Ausdruck zu bringen», sagte er.

Selbstverständlich kann das manchmal verstaubt und altbacken wirken, gerade auf dem Laufsteg, wo es kaum Regeln gibt. Aber es vermag auch zu begeistern mit seiner Kompromisslosigkeit und den über die Jahre perfektionierten Schnitten. Das war gerade an der vergangenen Couture-Woche der Fall, wo seine eckigen Schultern, die wie Kaugummi in die Länge gezogenen Silhouetten und die überirdisch glänzenden Stoffe einen beim Zuschauen kurz in eine höhere Sphäre zu lupfen schienen. Es ist Mode, die einfach zu schätzen ist und sich nicht in verkopften Konzepten verliert. Das überzeugt gerade in turbulenten Zeiten, wo viele in sicheren Werten wie dem «quiet luxury» Zuflucht suchen. Obwohl Armani selbst das wohl nie so betiteln würde, denn er spricht kein Englisch.

Eine vieldiskutierte Zukunft

Seinen 90. Geburtstag feiert Giorgio Armani laut Medienberichten mit 25 seiner engsten Freunde in St-Tropez. Derweil wird in Artikeln immer mehr über die Zukunft seines Unternehmens gerätselt. Würde er es nun doch, wie so viele seiner Zeitgenossen, an eine grosse Gruppe verkaufen oder an die Börse bringen? Oder eher seinen Nachfolgern übergeben, vermutlich einer Mischung aus Familienmitgliedern und langjährigen Mitarbeitern wie seiner rechten Hand Pantaleo Dell’Orco?

Das könnte alles möglich sein. Sicher hingegen sind die Sommerpläne von Giorgio Armani, von denen er der 80-jährigen Modejournalistin Suzy Menkes – er nennt sie scherzend «una bambina» – kürzlich in ihrem Podcast erzählte. Er verbringe einige Zeit in seinem Haus auf der Vulkaninsel Pantelleria. Dann gehe es zurück an die Arbeit. Er denke bereits an die Shows vom kommenden September und Januar. «Und Sie lieben es?», fragt Menkes. «Oh», entgegnet Armani in der Modesprache Französisch, italienisch akzentuiert: «J’adore.»

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