Samstag, September 28
Kochkunde

Myriam Zumbühl


Gegen Food-Waste

Fast ein Drittel aller geniessbaren Zutaten landet in der Schweiz im Abfall. Der Küchenchef Maurice Marro vom «Baur au Lac» Zürich zeigt, was aus übrig gebliebenen, aber noch einwandfreien Zutaten zubereitet werden kann.

Für einmal hat er die Zutaten nicht selber bestellt, sie wurden von der Stiftung Schweizer Tafel geliefert. «Spargeln, Risottoreis und Rüebli. Es gibt sicher ein Spargelrisotto», sagt der Küchenchef Maurice Marro vom «Baur au Lac» Zürich, als er die Zutatenliste im Kopf durchgeht. Heute Abend (Dienstag, 25. Juni 2024) kochen er und seine Brigade ein Charity-Dinner für die Schweizer Tafel. Die Stiftung holt einwandfreie überschüssige Lebensmittel bei Grossverteilern und in der Industrie ab und liefert sie kostenlos an soziale Institutionen. Und heute ausnahmsweise in die Küche von Maurice Marro.

Food-Waste in der Schweiz

Der Bissen könnte einem bei diesem Thema im Hals stecken bleiben. Rund ein Drittel aller Lebensmittel wird hierzulande verschwendet. Das sind 2,8 Millionen Tonnen pro Jahr. So hat es eine Studie der ETH Zürich erhoben. Eine dazugehörige Liste des Bundesamtes für Statistik (BfS) zeigt auf, wo am meisten Lebensmittelverluste anfallen: Mit 38 Prozent entsteht in Schweizer Haushalten mehr als doppelt so viel Food-Waste wie in der Gastronomie (14 Prozent).

Als Food-Waste werden die essbaren Anteile der Lebensmittel bezeichnet, die für den menschlichen Verzehr produziert, aber nicht vom Menschen konsumiert werden. Es sind Brote, die weggeworfen statt im Ofen aufgeknuspert werden, Gemüse, das statt in der Suppe auf dem Kompost landet.

Die Stiftung Schweizer Tafel verteilt pro Jahr 6500 Tonnen überschüssige, aber einwandfreie Lebensmittel an soziale Institutionen. Food-Waste wird damit auch zur sozialen Angelegenheit. Denn rund 8,3 Prozent der Bevölkerung leben gemäss Erhebungen des Bundesamts für Statistik in der Schweiz unter der Armutsgrenze.

Neue Rezepte aus alten Lebensmitteln

Maurice Marro vom «Baur au Lac» braucht keine Zahlen, um sich überzeugen zu lassen, alle Lebensmittel zu verwerten. «Bei uns zu Hause wurde kein Stück Brot weggeworfen», erinnert er sich und gibt gleich Beispiele dazu: «Aus weissem Brot kann Paniermehl gemacht werden für Schnitzel. Ruchbrot gibt mit Olivenöl und Kräutern feine Croûtons, es kann eine Tessiner Brottorte gebacken werden oder eine feine Käseschnitte. Und natürlich Pain perdu.»

Bei Letztgenanntem erhellt sich sein Gesicht. Pain perdu heisst heute French Toast und ist nichts anderes als eine im Eierguss gewendete Brotscheibe, die in Butter ausgebacken wird und mit Zimtzucker und Früchten serviert wird. «Brot ist ein Grundnahrungsmittel. Das hat nichts im Abfall verloren», sagt Marro.

Er und sein Küchenteam im «Baur au Lac» nehmen ihre Aufgabe ernst. Einkäufe täglich aufs Neue zu kalkulieren, ist das oberste Gebot. «Jeden Abend bestelle ich nur so viel frische Brötchen, wie wir fürs Frühstück brauchen.» Kommt auf dem Teller trotzdem etwas in die Küche zurück, wird es gewogen und fotografiert. «Wir konnten so bereits 40 Prozent des Brotabfalls reduzieren. Das ist eine gigantische Menge, aufs Jahr gerechnet.» Entsprechend wurden auch die Portionen angepasst: «Als wir sahen, dass von gewissen Portionen immer etwas übrig blieb, haben wir sie angepasst.» Er lacht, denn: «Bis jetzt war die Portion noch keinem Gast zu klein. Und wenn doch, servieren wir natürlich einen Nachschlag.»

Das gute Produkt ist ein Genuss und soll nicht verschwendet werden. Der Profi hat ein paar Tipps und Tricks, wie es auch im Privathaushalt gelingt.

Tipps gegen Food-Waste im eigenen Haushalt

1. Mise en Place auch daheim

Ein Grundstock an Zutaten wie Reis oder Pasta genau wie im Restaurant vorrätig haben. Saucen, die die Familie immer gerne isst, vorkochen und konservieren. Dafür wird frisches Gemüse passend gekauft.

2. Fleisch vorkochen, Fisch tiefgefrieren

«Frischer Fisch kann ohne Qualitätseinbusse eingefroren werden. So haben Sie auch für die spätere Verwendung ein gutes Produkt zur Hand», rät der Küchenchef. «Fleisch kann vakuumiert oder mariniert werden. Am Ablaufdatum kann es auch gekocht werden und so am nächsten Tag problemlos als Salat serviert werden.»

3. Es sind die inneren Werte von Gemüse und Co.

Bloss weil ein Gemüse nicht perfekt aussieht, heisst es nicht, dass es schlecht ist. Aus «angetütschten» Äpfeln wird Kompott oder Mus hergestellt. «Aus reifen Aprikosen kann ein schönes Coulis gekocht werden, das eingefroren werden kann. So hat man später eine schöne Fruchtsauce für das Dessert», empfiehlt Maurice Marro.

4. Ablaufdatum: schmecken statt sofort wegwerfen

Während in der Profiküche ein abgelaufenes Produkt nicht an den Gast verkauft werden darf, lohnt es sich im Privathaushalt, Produkte mit erreichtem Ablaufdatum genau anzuschauen. «Am Ablauftag kann aus einem Milchprodukt eine Sauce oder Suppe gekocht werden. Aus Sauerrahm gibt es eine Glace, die problemlos ein bis zwei Wochen hält», so Maurice Marro. Produkte vor dem Wegschmeissen also am besten anschauen, riechen, kosten – so merkt man schnell, ob sie auch nach dem Ablaufdatum noch geniessbar sind.

Spargelrisotto Maurice Marro, «Baur au Lac» Zürich

Ein Rezept des Events «Tasting, not Wasting», bei dem der Chefkoch des «Baur au Lac» Zürich mit seinem Team ein spontanes Menu mit den Lebensmitteln der Schweizer Tafel kocht. So landen hier übrig gebliebene Spargeln, die noch ausgezeichnet schmecken, auf dem Teller statt im Abfall.

Rezept: Spargelrisotto

Zutaten (für 4 Personen)

3 ml Olivenöl
50 g gehackte Schalotten
120 g weisse Spargeln, geschält, in Streifen geschnitten
200 g Carnaroli-Risotto
300 ml Weisswein
6 dl Gemüsebouillon
100 g Butter
80 g geriebener Parmesan
8 grüne Spargeln, geputzt
12 g Rucola, für die Garnitur
etwas Olivenöl, zum Beträufeln
Salz und Pfeffer

Zubereitung

1. Die gehackten Schalotten und die weissen Spargeln in Olivenöl andünsten. Risotto dazugeben und mit Weisswein ablöschen. Mit der Gemüsebouillon aufgiessen. Risotto al dente kochen.

2. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

3. Während das Risotto kocht, die grünen Spargeln grillieren und warm halten.

4. Beim Risotto zum Schluss Butter und Parmesan unterrühren.

5. Risotto auf einem Teller anrichten, die grillierten Spargeln daraufgeben. Mit Rucola ausgarnieren und mit einigen Tropfen Olivenöl beträufeln.

Zubereitungszeit:

zirka 30 Minuten

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