Sonntag, Oktober 6

Für gehypte Produkte gibt es immer mehr günstige Alternativen, sogenannte «Dupes». Es gilt fast schon als rebellischer Akt, solche zu suchen und zu kaufen – insbesondere auf Tiktok.

In der Mode- und Beauty-Industrie hat sich ein neuer Trend entwickelt: die Suche nach sogenannten «Dupes». Das sind kostengünstigere Alternativen zu teuren Markenprodukten, die angeblich kaum von den Originalen zu unterscheiden sind. Dieser Trend wird vor allem auf sozialen Netzwerken wie Tiktok vorangetrieben. Unter dem Hashtag #dupe finden sich Millionen von Videos, in denen Nutzerinnen und Nutzer die neuesten Funde präsentieren und Tipps untereinander austauschen.

Besonders häufig wird nach Duftzwillingen, also Dupes zu Marken-Parfums, gesucht. Zum Beispiel soll «Lost Cherry» von Tom Ford gleich riechen wie «Lovely Cherie» von Maison Alhambra, «Rose» von Zara soll dem Duft «J’adore» von Dior nahekommen. Zu denen, die ihre Funde besonders erfolgreich teilen, gehört der Parfumsammler Miki Monumental, online bekannt als @pleitewegendufte. Selbst zum unbekannten Nischen-Parfum will er das günstige Gegenstück gefunden haben. Seine Community, bestehend aus über 215 000 Abonnentinnen und Abonnenten, fragt er gerne: «Zahlst du für den Namen oder zahlst du für die Qualität?»

Bei Düften von Luxusmarken zahlt man zwar sicher für den Namen, eine Geschichte und Tradition, aber nicht nur. Diese Marken investieren etwa auch in die Produktion ihrer Inhaltsstoffe. So besitzt beispielsweise Chanel eigene Blumenfelder in Grasse, Frankreich, um ausgewählte und echte Blüten für die Parfums zu verwenden, ganz im Gegensatz zu künstlichen Duftstoffen. Bei vielen günstigen Marken weiss man wenig über die Herstellung und Herkunft der Ingredienzen. Es empfiehlt sich, die Liste der Inhaltsstoffe im Original zu lesen, da laut der deutschen Verbraucherzentrale eine zusätzliche Übersetzung im Gegensatz zur vorgeschriebenen Kennzeichnung nicht vollständig sein muss.

Obwohl es dennoch verlockend sein mag, einen ähnlichen Duft für einen Bruchteil des Preises des Originals zu erwerben, stellt sich zusätzlich die Frage: Handelt es sich beim Dupe um ein Plagiat? Nein, denn nach Schweizer Recht ist der Duft an sich, selbst wenn er identisch ist, nicht geschützt. Anders verhält es sich mit der Verpackung und dem Design: Diese müssen sich deutlich vom Original unterscheiden, um eine Verwechslungsgefahr auszuschliessen. Nur so ist rechtlich sichergestellt, dass es sich bei dem Parfum um ein Dupe handelt und nicht um ein Plagiat.

Die Ähnlichkeit soll es ausmachen

Die Suche nach kostengünstigen Luxusalternativen geht jedoch über Duftzwillinge hinaus. Die «New York Times» etwa spricht von Destinationen-Dupes und empfiehlt Alternativen für beliebte Restaurants. Besonders in der Modewelt sind Dupes präsent: Startups wie Quince und Italic, die relativ günstige Basics ohne Markennamen verkaufen, haben das Fast-Fashion-Schema übernommen, indem sie die Ästhetik von Luxusartikeln kopieren, aber den Kundinnen und Kunden eine Qualität versprechen, die sie bei Shein oder Temu nicht finden würden. Italic etwa verkaufe einen Pullover aus mongolischem Kaschmir für 170 Dollar, der in denselben Fabriken hergestellt werde, die «ähnliche Kleidungsstücke produzieren, die bei Brunello Cucinelli über 2000 Dollar kosten», schreibt die Branchenplattform «Business of Fashion» dazu.

Wo man sonst noch Dupes findet? Auf Plattformen wie Amazon und Etsy gibt es Handtaschen zu kaufen, die den Modellen der grossen Luxusmarken ähnlich sehen. Im deutschsprachigen Raum werden auf Tiktok vor allem Produkte aus der Drogerie wie dm und Müller empfohlen. Manche Produkte sollen sogar besser als das Original sein, heisst es gerne:

Kritik an den günstigen Nachahmungen

Der Trend zu Dupes wird oft als Widerstand gegen die hohen Preise und Exklusivität der Luxusindustrie verstanden. Für viele Konsumentinnen und Konsumenten ist der Kauf eines Dupes fast schon ein Akt des Protests gegen die Marken, die ihrer Meinung nach überteuerte Produkte anbieten. Das Gefühl, ein «Schnäppchen» zu machen und gleichzeitig die gleiche Ästhetik wie bei einem teuren Original zu erleben, hat etwas Subversives in den Augen der Protagonistinnen und Protagonisten auf Tiktok.

Das kommt nicht bei allen gut an: Viele Marken sehen sich in ihrem geistigen Eigentum bedroht und kämpfen gegen die Verbreitung von Dupes. Christian Louboutin etwa, bekannt für seine markanten roten Sohlen, hat mehrfach Klagen eingereicht, um sein Markenzeichen zu schützen. 2012 klagte er bereits gegen Zara, lange bevor es den Begriff «Dupes» gab, weil der Fast-Fashion-Konzern Schuhe, die dem Modell «Yo Yo» ähnlich sehen, verkauft hat. Louboutin verlor jedoch, denn die Schuhe wären durch den grossen Preisunterschied eindeutig von jenen bei Zara zu unterscheiden.

In einigen Fällen handelt es sich bei Dupes um derart exakte Nachahmungen, die so nah an das Originalprodukt herankommen, dass die Grenze zum Plagiat verwischt wird. Nike hat zum Beispiel 2020 den Designer Warren Lotas verklagt, da er Schuhe verkaufte, die den legendären Nike «Dunk»-Modellen täuschend ähnlich sahen. Nike argumentierte, dass diese Produkte eine Verletzung des Markenrechts darstellten und den Kunden vorgaukelten, es handle sich um echte Nike-Produkte. Nike und Warren Lotas einigten sich darauf, dass Lotas die Produktion und den Verkauf der strittigen Schuhe einstellt.

Die Grenze zwischen Dupe und Plagiat

Die Grenze zwischen einer legitimen Alternative und einem Plagiat wird zunehmend unklar. Ein Dupe ist ein Produkt, das ähnliche Eigenschaften wie das Original hat, aber sich in wesentlichen Aspekten unterscheidet, ohne die Rechte des Originalherstellers zu verletzen. Duft und Funktion dürfen ähnlich sein, aber die Verpackung und der Name müssen sich unterscheiden.

Laut «Business of Fashion» warnen Expertinnen und Experten der Mode- und Beautybranche davor, dass die übermässige Verbreitung von Dupes den Markt überschwemmen und die Exklusivität und den Wert von Luxusmarken untergraben könnte. Andere Stimmen sind der Meinung, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher Originale kaufen werden, wenn sie nach ihren jungen Jahren finanziell besser gestellt sind. Fest steht, dass sich Dupes in der Mode- und Beauty-Industrie etabliert haben und in Zeiten der Inflation noch eine Weile gefragt sein dürfen.

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