Auf der mauritischen Insel Agalega hat Delhi eine Landebahn für grosse Überwachungsflugzeuge gebaut. Von dort hat es die Ostküste Afrikas im Blick. Indien bereiten die Aktivitäten der chinesischen Marine Sorgen.
Eigentlich hätte sich der Anlass für einen grossen Auftritt geeignet, wie ihn Indiens Premierminister Narendra Modi mag. Denn bei der neu eingeweihten Flugpiste auf der abgelegenen Insel Agalega handelt es sich um einen strategisch hervorragend gelegenen Aussenposten Indiens. Doch Modi und sein mauritischer Amtskollege Pravind Kumar Jugnauth wählten Ende Februar eine banale Videokonferenz für die schlichte Zeremonie.
Agalega gehört zwar zu Mauritius, liegt aber über tausend Kilometer von der Hauptstadt Port Louis entfernt. Und bis zum nächstgelegenen Punkt des indischen Festlandes sind es gar 3000 Kilometer. Diese Abgeschiedenheit erschwert zwar Eröffnungsfeiern in Anwesenheit hoher Politiker, doch sie macht die nur wenige Quadratkilometer grosse Insel aus strategischer Sicht so interessant: Von hier aus lassen sich riesige Seegebiete überwachen.
Ostafrika und wichtige Schifffahrtsrouten im Blick
Denn die Landebahn von drei Kilometern Länge ist für Überwachungsflugzeuge des Typs P-9I der indischen Streitkräfte gebaut. P-9I, wovon Indien zwölf Stück im Einsatz hat, basieren auf dem Passagierflugzeug 737-800 und haben laut dem Hersteller Boeing eine Reichweite von 2200 Kilometern – und können dabei vier Stunden über dem Gebiet kreisen, das sie überwachen. Sie können auch Torpedos abwerfen und so direkt U-Boote und Schiffe bekämpfen.
Von Agalega aus will Indien die Ostküste Afrikas von Somalia bis Moçambique überwachen, ebenso die Strasse von Moçambique zwischen dem afrikanischen Kontinent und Madagaskar. Auch die direkte Schifffahrtsroute vom Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas quer durch den Indischen Ozean zur Strasse von Malakka führt hier vorbei. Diese Route hat an Bedeutung gewonnen, seit die Huthi-Miliz die Schifffahrt im Roten Meer und damit die kürzeste Verbindung zwischen Asien und Europa via Suezkanal bedroht.
Dass Modi und Jugnauth nicht nach Agalega geflogen sind, dürfte nicht nur mit dem dafür nötigen Zeitaufwand zu tun haben. Beide Seiten spielen bewusst auf Understatement, wollen nicht allzu viel Aufmerksamkeit für ihr gemeinsames Werk erzeugen. Denn eine Landebahn für schwere Flugzeuge und eine Hafenanlage, an der grosse Kriegsschiffe anlegen können – das sieht alles nach einer Militärbasis aus.
Doch das soll es offiziell nicht sein. Laut indischen Medienberichten widersprach Premierminister Jugnauth bei der Eröffnung entschieden der Darstellung, dass eine Militärbasis im Entstehen sei. Dies sei eine Verleumdungskampagne gegen Indien.
Modi sprach in seiner Rede zuerst einmal davon, dass die neue Infrastruktur dazu diene, die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung zu erleichtern – obwohl offensichtlich ist, dass sich die Millioneninvestition für zivile Zwecke nie und nimmer rechnen würde. Immerhin gestand Modi ein paar Sätze später ein, dass es auch um maritime Sicherheit gehe.
Für Indien kommt der Stützpunkt in Agalega gerade recht. Seit der Wahl von Präsident Mohamed Muizzu im letzten Jahr wenden sich nämlich die Malediven von Indien ab. Indisches Personal, das in Zusammenarbeit mit den Malediven von dort aus Überwachungsflüge durchführte, muss abgezogen werden.
Schlimmer noch: Muizzu bewegt sich in grossen Schritten auf Indiens grossen geopolitischen Rivalen China zu. Von Agalega aus kann Indien chinesische Schiffsbewegungen südlich der Malediven beobachten.
Indien fürchtet sich vor Chinas Präsenz im Indischen Ozean
Ein eigentliches Schreckensszenario für Delhi ist, dass sich China in seiner Nachbarschaft militärisch festsetzen könnte. So wird befürchtet, dass die Marine der Volksbefreiungsarmee den Hafen Hambantota in Sri Lanka als Basis nutzen wird. Dieser wurde mit chinesischen Geldern gebaut, und als Colombo die Schulden nicht bedienen konnte, musste es den Hafen 2017 für 99 Jahre in Pacht an eine chinesische Firma abtreten.
China ist bereits am Indischen Ozean militärisch präsent. Seit 2017 betreibt die chinesische Marine eine Basis in Djibouti am Horn von Afrika. Das amerikanische Verteidigungsministerium vermutet, dass Peking an der Ostküste Afrikas noch weitere Standorte anstrebt. In seinem neusten Bericht über chinesische Militäraktivitäten schreibt das Pentagon, dass es in den Seychellen, Moçambique, Tansania und Kenya Anzeichen für chinesische Avancen gebe.
Indien und seine Partner haben ein Netz von Stützpunkten
Der Aufwand, den Indien für den Stützpunkt Agalega betrieben habe, sei gross, sagt Samuel Bashfield, der am Australia India Institute in Melbourne zu Sicherheitsfragen im Indischen Ozean forscht. «Die Details des Projekts sind undurchsichtig», erklärt Bashfield, «doch der Umfang ist deutlich grösser als bisher angenommen.»
Bashfield weist darauf hin, dass Delhi parallel zu Agalega im Westen den Stützpunkt auf den Andamanen im Osten des Indischen Ozeans ausgebaut habe. Von dort lässt sich die Zufahrt zur Strasse von Malakka überwachen, dem Nadelöhr zwischen dem Indischen und dem Pazifischen Ozean.
Gemeinsam mit Australien und den USA, mit denen Indien im Quad-Verbund zusammenarbeitet, ergibt sich ein Netz von Stützpunkten: Die Australier fliegen Überwachungsmissionen von den Kokosinseln wie vom australischen Festland aus, die Amerikaner starten auf ihrer Basis in Diego Garcia. Die drei Länder können sich gegenseitig abstimmen und Informationen zur maritimen Sicherheit austauschen.

