Mittwoch, Januar 8

In Europa hätte man sich mehrheitlich Kamala Harris als neue Präsidentin und Oberkommandierende der USA gewünscht. Im Grossraum Indopazifik, mit gewichtigen Ausnahmen, begrüsst man Donald Trump im Weissen Haus. Eine sicherheitspolitische Vorschau.

Die beiden grossen Autokraten Asiens, Chinas Xi Jinping und Indiens Narendra Modi, sehen in Trump letztlich einen Geistesverwandten. Ebenso wie Kim Jong-un in Nordkorea, wie seine Bromance mit Dear Donald während Trumps erster Amtszeit zeigte.

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Aber auch vielen kleineren, wenig demokratischen Machthabern in Asien, so in der Asean (Association of Southeast Asian Nations), gefällt an Trump, dass er der Beachtung von Menschenrechten und anderer Regeln der Demokratie weniger Bedeutung zumisst als seinem persönlichen Ruhm als globalstrategischer Deal Maker – mit Deals, in denen jeweils die USA als Sieger hervorgehen sollen. Genau das jedoch befürchten die wenigen wirklichen Demokratien im Grossraum Indopazifik: Japan, Australien, Neuseeland und Südkorea, das eben eine Demokratieprüfung mit Erfolg bestanden hat.

Trump und China

Die USA und China sehen sich gegenseitig als die grössten Konkurrenten um den Platz der global dominierenden Grossmacht. Gleichzeitig sind sie wirtschaftlich enger verzahnt als das vergleichbare Rivalen in der Geschichte je waren.

China wird danach streben, dass dieser Zwiespalt mit Trump durch wirtschaftlichen Ausgleich, wenn nicht gelöst, so doch überbrückt werden kann. Und dabei die ideologische Kluft nicht mehr die Rolle spielt wie unter Trumps Vorgängern, die neben bilateralen Anliegen, die Welt Safe for Democracy zu machen versuchten. Konkret etwa keine Vorwürfe und Boykotte mehr wegen Zwangsarbeit sowie Unterdrückung in Xinjiang von Minderheiten dort und anderswo im Austausch gegen chinesische Konzessionen und Kontrollen – man erinnere sich an den zehnprozentigen Zoll, den Trump wegen des chinesischen Exports der tödlichen Droge Fentanyl einführen will, im Güter- und Kapitalverkehr.

Dass in der Grossregion Asien-Pazifik potenzielle Konflikte zwischen Washington und seiner dort grundsätzlich weiterhin herrschenden Pax Americana einerseits und China als dominierende Regionalmacht andererseits drohen, ist offensichtlich. Hier dürfte Beijing auf den isolationistischen Teil von Trumps MAGA-Litanei (Make America Great Again) setzen. Ein Knackpunkt wird in erster Linie Taiwan sein: Wenn Xi die Aggression gegen Taiwan geschickt und in Etappen einleitet – vor einem militärischen Überfall auf Boykotte bis zu einer Blockade der Insel setzt – kann er allenfalls auf Trumps obsessives Verlangen nach einem Deal hoffen. So, wie ein voraussichtlicher Deal von Trump mit Putin letztlich die Unabhängigkeit der Ukraine gefährden könnte.

Trump und Indien

Trump wird mit den von seinen Vorgängern geschaffenen Bedingungen der bilateralen Beziehungen – grundsätzlicher Einschluss Indiens in ein amerikanisches Abwehrsystem gegen China – gut leben können. Nach Jahren des kommunikativen Zögerns hat Modi offiziell betont, dass Indiens Engagement im Quad, dem Quadrilateral Security Dialogue zwischen den USA, Japan, Australien und Indien, zu den notwendigen Anstrengungen gehört, die chinesische Expansion in Asien einzudämmen.

Für Indien ist China seit dem verlorenen Krieg von 1962 ein traumatisches Feindbild. Modis Verbindung zu den USA ist im besten Interesse seines Landes mit Blick auf den jahrzehntealten Konflikt entlang der territorialen Grenze im Himalaya und in Bezug auf die Rivalität zwischen den beiden asiatischen Giganten um ihren Einfluss auf den Globalen Süden, der derzeit von Beijing dominiert wird.

Eine heikle Dimension der Trump-Politik für Indien ist dessen Neigung zum Handelsprotektionismus. Die Importzölle, mit denen Trump globalen Exporteuren droht, könnten Indiens Strategie schaden, als industrielles Zentrum der Welt und als Exportwirtschaft zu wachsen. Aber Modi, der sich während seiner ersten Amtszeit mit Trumps Unberechenbarkeit und seiner autokratischen Neigung vertraut gemacht hat, zählt darauf, dass Indien als bevölkerungsreichstes Land der Welt auch für diesen eine Tatsache darstellt: Eine Grossmacht, mit der ein Einvernehmen unabdingbar ist. Indiens jüngste, geheimdienstliche Eskapade in den USA – versuchte Mordpläne gegen Sikh-Aktivisten – dürften eine mit Trumps Vertrauten durchsetzte Justizverwaltung wenig kümmern.

Trump und die Asean

Die beiden dominierenden Staaten Südostasiens, Indonesien und Vietnam, vertrauen darauf, ihre gegenwärtige Schaukelpolitik zwischen Washington und Beijing unter Trump nahtlos fortsetzen zu können. Hanoi hat von Trump noch weniger Vorwürfe wegen seines fortdauernden kommunistischen Systems zu fürchten als in der Vergangenheit. Indonesien kann, wenn nötig, US-Firmen an seinem gigantischen Projekt zur Verlagerung seiner Hauptstadt verbunden mit der Schaffung eines neuen Wirtschaftsschwerpunktes in Borneo mit Vorzug behandeln. Ganz im Sinne des transactional Charakters von Trumps Vorstellung, wie bilaterale Beziehungen ausgestaltet werden müssen.

Auch in den übrigen Staaten der Asean dürfte die Hoffnung bestehen, dass ein für Trump im Mittelpunkt stehender Wirtschaftsausgleich mit China sie aus ihrem Dilemma – Wirtschaft mit China, Sicherheit mit den USA – etwas lösen wird. In Malaysia keine lästigen Fragen wegen Korruption und in Thailand keine wegen Demokratie und Raffgier des Königs gestellt werden.

Trump und die Demokratien im Indopazifik

Die wichtigste sicherheitspolitische Sorge der uneingeschränkten Demokratien Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland beschlägt die in den letzten Jahren ausgebaute Zusammenarbeit mit den USA zur Abschreckung und Eindämmung des chinesischen Ausgriffs auf die Grossregion.

Bedeutet der starke isolationistische Unterton in allen derzeitigen Verlautbarungen von Trump auch weniger Engagement der Pazifikmacht USA in ihrem westlichen Vorhof? Oder doch zumindest ungleich stärkere Eigenanstrengungen dieser traditionellen Verbündeten, sowohl was den finanziellen Hintergrund als auch die handelspolitischen Konzessionen anbelangen? Wie wird Trump konkret den Quad und das Verteidigungsbündnis Aukus (Australien, UK, USA) weiterführen?

Japan wird wohl seine gegenwärtigen Rüstungsanstrengungen fortführen, auch unter Inkaufnahme noch höherer Staatsschulden. Tokios Hauptsorgen sind handelspolitischer Natur, auch mit Blick darauf, dass Japans Wirtschaft eng mit der chinesischen verbunden und damit amerikanischem Zwang ausgesetzt ist.

Für Australien hingegen, das handelspolitische Strafmassnahmen Beijings in der Vergangenheit erstaunlich leicht verkraften konnte, stellt sich ein primär sicherheitspolitisches Problem: Falls Trump die transatlantische Special Relationship mit Grossbritannien infrage stellt, könnte dies die bisherige Hauptsubstanz der Aukus untergraben, nämlich das komplizierte Konstrukt, in dessen Rahmen Australien via UK mit amerikanischer Technologie ausgestattete nuklear getriebene U-Boote erhalten soll.

Aus aktueller Optik verdient schliesslich Südkorea eine spezielle Erwähnung: Der im Moment noch amtierende, aber wegen seinem Staatsstreichversuch diskreditierte Präsident und seine Regierung haben sich sicherheitspolitisch resolut gegen Nordkorea sowie China gestellt. Wird ein wohl unvermeidlich von der anderen politischen Seite kommender neuer Präsident das Verhältnis zu den USA kritischer hinterfragen? Zumal Trump wohl unweigerlich mehr Finanzen und /oder handelspolitische Konzessionen für die amerikanische Truppenpräsenz in Seoul einfordern wird.

Grundsätzlich gilt: So, wie das demokratische Europa Mühe damit haben wird, dass Trump zurück ins Weisse Haus einziehen wird, stellt es auch die demokratischen Nationen Asiens vor Herausforderungen und neue Ungewissheit. Zufrieden sind hingegen die Regime, die sowohl innenpolitisch als auch international autokratisch agieren – quasi von Mann zu Mann entscheiden.

Daniel Woker

Daniel Woker ist ehemaliger Botschafter der Schweiz in Australien, Singapur und Kuwait. Davor war er erster Direktor des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik (GCSP), mit dem Titel eines Botschafters. Frühere diplomatische Posten umfassten Paris (Ministre Conseiller), Stockholm (stv. Missionschef) sowie Wirtschaftsrat an der Uno-Mission in New York. Heute arbeitet er als Spezialist für Geopolitik und Strategie, mit regelmässiger Vortragstätigkeit und Veröffentlichungen über den Grossraum Asien-Pazifik, speziell die ASEAN und Australien, über die arabische Halbinsel und die Entwicklung der EU. Zusammen mit dem früheren Schweizer Diplomaten Philippe Welti hat Woker das Unternehmen Share-an-Ambassador gegründet, das sich auf geopolitische Due Diligence spezialisiert.
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